Wichtig für den winterlichen Gesang seien zwei Faktoren: die Länge des Tages und die Witterung. So fasst es der Ornithologe Stefan Bosch im Gespräch mit SWR4 zusammen. Der Experte des Naturschutzbundes (NABU) Baden-Württemberg erklärt damit auch, warum es mancherorts im Land noch ziemlich still ist: Es ist dort einfach trüber und sonnenärmer als in den Landesteilen, wo schon erste Kohlmeisen und Amseln zu hören sind.
Längere Tage verändern den Hormon-Haushalt
Im Dezember noch war landauf, landab kaum ein Pieps zu hören – zur Wintersonnenwende kurz vor Weihnachten dauert ein Tag nur gute acht Stunden. Mittlerweile nähert man sich in unseren Breiten allmählich wieder den neun Stunden: "Die Vögel werden so langsam aktiv, die Tageslänge nimmt wieder zu", sagt Bosch. Das wirkt sich auf die Biologie der Vögel aus: Je länger die Tage sind, umso mehr Helligkeit nehmen die Tiere über die Augen wahr. Das Gehirn registriert das und verändert entsprechend den Hormonhaushalt der Tiere.
"Und wenn die Hormone in Wallung kommen, beginnen die Vögel wieder zu singen."
Bei Sonnenschein singen Vögel auch im Winter
Der zweite Faktor ist die Witterung: "An trüben, bedeckten Tagen sind die Vögel weniger aktiv und auch weniger gesangsfreudig", erklärt Bosch. An sonnigen, warmen Tagen hingegen legen so manche Vögel eher auch mal im tiefen Winter noch mit der Trällerei los. Und da die Witterung sich in den Landesteilen unterscheidet, ist auch die Lust der Vögel zu singen unterschiedlich groß.

Richtig in Singstimmung kommen die Vögel aber erst Ende Februar oder im März, wenn die Tage noch länger geworden sind. "Erst dann haben wir den vollen Vogelgesang." Bis dahin sind zudem auch die Zugvögel wieder zurück.
Vogelgesang markiert das Revier und lockt die Weibchen
Und warum singen die Vögel dann mehr? "Überwiegend sind es die Männchen, die intensiv singen", erklärt Bosch. Sie müssen ja auch erstmal ein Revier beanspruchen und dieses dann auch verteidigen gegenüber Konkurrenten: "Das machen sie mit Gesang – sie ziehen quasi einen akustischen Gartenzaun um ihr Revier herum."
"Das ist sowas wie ein Sängerwettstreit."
Die zweite Funktion des Gesangs sei, dass die Männchen die Weibchen beeindrucken wollen. "Je abwechslungsreicher und vielseitiger der Gesang ist, um so attraktiver ist das Männchen." Es gehe um Varianz im Gesang, um interessante Wendungen im gezwitscherten Werben der Männchen.
Dieser prächtige Balzgesang ist im Winter nicht zu hören, erklärt Bosch: "Da gibt es nur die üblichen Warn- und Kontaktlaute, die hören sich auch nicht so attraktiv an."