Die frühen Jahre von Ilse Werner
Als Ilse Charlotte Still kam sie am 11. Juli 1921 in Batavia, dem heutigen Jakarta, zur Welt - damals noch niederländisches Kolonialgebiet. Dies mag manche erstaunen, denn Ilse Werner, der Prototyp des deutschen UFA-Stars, war gebürtige Holländerin. Ihr Vater war ein niederländischer Exportkaufmann mit eigenen Plantagen und ihre Mutter stammte aus Offenbach am Main.
Umzug von Indonesien nach Österreich
Weil die Mutter das tropische Klima nicht vertrug, verkaufte ihr Vater seinen Besitz und die Familie zog nach Frankfurt, als Ilse 11 Jahre alt war. Durch Manipulationen seines Kompagnons verlor der Vater all sein Vermögen und die Familie war plötzlich bettelarm.
In Wien boten sich ihm bessere berufliche Chancen und dieser neuerliche Umzug sollte auch für die Tochter eine günstige Fügung sein. Ihr bot sich die Möglichkeit, das renommierte Max Reinhardt-Seminar zu besuchen. Damit kam sie ihrem gefassten Vorsatz "Ich will Schauspielerin werden" ein gutes Stück näher.
Die ersten Rollen der Ilse Werner
Um ein Gefühl für die Bühne zu bekommen, durfte sie 1937 bei den Salzburger Festspielen als Komparsin in Goethes "Faust" mitwirken. Ihre Aufgabe bestand darin, die Schauspielerin Paula Wessely bei einer Ohnmachtsszene aufzufangen. Das ging schief und die Mimin fiel recht unsanft auf die Bretter. Dieses Missgeschick hätte böse Folgen haben können, denn Paula Wessely war zu dieser Zeit im vierten Monat schwanger und hätte dadurch ihr Kind verlieren können. Es ging allerdings gut aus - sonst hätte Christiane Hörbiger durch den Fehlgriff nie das Licht der Welt erblickt.
Für die Schauspielschülerin blieb diese Episode nicht folgenlos. Der Regisseur Max Reinhardt saß bei dem Vorfall persönlich im Zuschauerraum und wurde so auf sie aufmerksam. Er bestellte sie ein und verwies sie nicht etwa von der Schule, sondern gab ihr die Rolle der "Huguette" im Theaterstück "Das Glück". Als 16-jährige debütierte sie am 7. September 1937 unter dem Mädchennamen ihrer Mutter, Werner, am Theater in der Josefstadt.
Die ersten Erfolge der Jungschauspielerin
Der Titel ihres Premierenstücks kann fast schon prophetisch interpretiert werden, denn bald drehte sie in Österreich erste Filme, die auch andernorts Interesse an der Jungschauspielerin weckten. Genau zur selben Zeit, als die Berliner UFA ihr einen Vertrag anbot, meldete sich Hollywood und Metro-Goldwyn-Mayer wollte sie verpflichten.
Ihr Vater, der noch alle Verträge für sie abschloss, entschied sich für Berlin. Doch über die Euphorie legten sich politische Schatten. Als Ausländerin durfte sie nur mit Sondergenehmigung von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels in deutschen Filmen mitspielen. Nach dessen Zustimmung war Ilse Werner in einem Kinoerfolg nach dem anderen zu sehen.
Pfeifkunst und Schallplattendebüt
Ihre Entdeckung als Plattenstar ist mehr einem Zufall zu verdanken. Während Filmarbeiten hörte der Komponist Werner Bochmann durch eine Garderobentür ihre Pfeifkunst: "Das heißt, pfeifen war gar kein Ausdruck für diesen flötenähnlichen Klang und diese unerhörte musikalische Präzision" erinnerte er sich später. Seine Komposition "Die kleine Stadt will schlafen geh’n" war Ilse Werners Schallplattendebüt im November 1940.
Ilse Werners Durchbruch
Mit dem Helmut Käutner-Film "Wir machen Musik" gelang ihr 1942 der endgültige Durchbruch. Der Film war ganz auf ihren Gesang und ihre Pfeifkunst abgestimmt. Neben dem Filmen eröffnete sich noch ein weiteres Betätigungsfeld: Im Fernseh-Rundfunk präsentierte sie bis zu dessen Einstellung im Jahr 1944 die wöchentliche Sendung "Wir senden Frohsinn - wir spenden Freude" und war damit wohl die erste Moderatorin einer Unterhaltungsshow im deutschen Fernsehen.
Ilse Werner in der Nachkriegszeit
Die Stunde Null bedeutete Tingeln für eine schmale Abendgage: "Manchmal fuhren wir für ein paar Eier und ein Stück Brot über Land." Dann belegten sie die Alliierten mit einem dreijährigen Auftrittsverbot: Deutsche Kollegen hatten sie angeschwärzt. Ihre Mitwirkung in Filmen wie "Wunschkonzert" oder "U-Boote westwärts", die von der NS-Propaganda beeinflusst waren, sowie Auftritte in Lazaretten vor verwundeten Soldaten gerieten ihr zum Nachteil.
Hochzeit und Umzug nach Los Angeles
Nach ihrer Heirat mit einem amerikanischen Journalisten zog sie 1949 nach Los Angeles, später in die kalifornische Provinz. Immer wieder kehrte sie für Dreharbeiten und Schallplattenaufnahmen nach Europa zurück, ohne an alte Erfolge anknüpfen zu können. In Übersee wurde ihr Hildegard Knef zur guten Freundin, die sie in die Gesellschaft einführte. So hatte Ilse Werner in Hollywood Gelegenheit, dem Schauspieler und späteren amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan das Pfeifen beizubringen.
Ihr Heimweh war auch einer der Gründe, weshalb ihre Ehe scheiterte. 1952 kehrte sie nach Deutschland zurück: "Ich musste mich durchboxen. Mein großer Name von gestern zählte nichts mehr." 1954 heiratete sie den Orchesterleiter Josef Niessen. Auch musikalisch wurde er ihr ständiger Begleiter, der maßgeblich an ihrem Schallplatten-Comeback beteiligt war.
Deutsche Staatsbürgerschaft und Fehlgeburten
1955 nahm sie die deutsche Staatsbürgerschaft an. Im gleichen Jahr drehte sie auch für viele Jahre ihren letzten Film. Nach Fehlgeburten entschloss sie sich zu einer Frischzellen-Therapie mit fatalen Folgen. Innerhalb kurzer Zeit nahm sie stark an Gewicht zu: "Natürlich bin ich nicht mehr aufgetreten. Man konnte mich weder fotografieren noch ansehen." Hinzu kamen weitere gesundheitliche Probleme, von denen sie sich erst nach einer strapaziösen Abmagerungskur erholte.
Beziehungsprobleme und Selbstmordversuch
Statt im Kino sah man sie nun auf der Theaterbühne und im Fernsehen. Das ZDF engagierte sie 1965 für die dreizehnteilige Fernsehserie „Die Bräute meiner Söhne“, in der sie eine Witwe spielte, die vier Söhne hatte. Als sie nach Abschluss der Dreharbeiten nach Hause zurückkehrte, stellte sie fest, dass sich ihr Mann zwischenzeitlich einer anderen Frau zugewandt hatte. In ihrer Verzweiflung unternahm sie einen Selbstmordversuch, der glücklicherweise misslang.
Beruflicher Aufwärtstrend
Trotz allem - beruflich ging es aufwärts. Sie bekam eine eigene TV-Show ("Eine Frau mit Pfiff") und auf der Theaterbühne spielte sie "Mrs. Anna" im Musical "The King and I" von Richard Rodgers - "meine Lieblings- und Traumrolle", wie sie schrieb.
Später sah man sie im Thornton Wilder-Drama "Wir sind noch einmal davongekommen". Als Hörfunkmoderatorin war sie bei mehreren Rundfunkanstalten tätig und übernahm 1982 die Nachfolge von Alfred Biolek als Talkmasterin im Kölner "Senftöpfchen". Auch beim SWR war Ilse Werner häufig zu Gast und arbeitete unter anderem mit Erwin Lehn.
Von Serien über Filme zum Tatort
Die Serie "Rivalen der Rennbahn" machte sie in den späten 1980er Jahren auch bei einem jüngeren Publikum bekannt. Erst 1990 übernahm sie wieder eine Hauptrolle in einem Film. In "Die Hallo-Sisters" verkörperte sie eine gealterte Schlagersängerin. Dafür erhielt sie das "Filmband in Gold", eine Auszeichnung, die sie 1986 für ihr langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film schon einmal erhalten hatte. Einen letzten TV-Auftritt hatte sie im Jahr 2000 in einer "Tatort"-Folge.
Die letzten Lebensjahre von Ilse Werner
Die letzten Lebensjahre verbrachte die Trägerin des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse verarmt und von Krankheit und Alkoholsucht geprägt in einem Lübecker Seniorenheim. 2005 verstarb sie 84jährig an den Folgen einer Lungenentzündung. Auf ihren Wunsch hin fand sie ihre letzte Ruhestätte auf dem Friedhof in Potsdam-Babelsberg, in der UFA-Filmstadt, wo sie damals ihre zweite Heimat gefunden hatte und ihre glücklichste Zeit erlebte.