Joy Fleming (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance / Foto: Horst Galuschka)

Schlagerlegende

Joy Fleming - Mama Soul

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Hans-Jürgen Finger
Hans-Jürgen Finger (Foto: SWR, Alexander Kluge)

"Mann, hat die Frau eine Röhre" - dieses Kompliment hat sie oft gehört. Die Künstlerin mit der schwarzen Stimme hat viele Menschen begeistert. Ob Jazz, Soul, Blues, Rock oder auch Schlager - sie konnte alles. Am 15. November wäre sie 75 Jahre alt geworden.

Joy Fleming und die Stadt Mannheim sind untrennbar miteinander verbunden. Dabei erblickte sie das Licht der Welt im pfälzischen Rockenhausen. Doch in den letzten Kriegstagen wurde die Familie nach Mannheim evakuiert und dort ist die kleine Erna, so ihr bürgerlicher Name, aufgewachsen.

Der Vater war gewalttätig

"Wir hatten nicht viel" erinnerte sie sich in einem Interview mit dem SWR. Zu den bescheidenen Verhältnissen kam noch ein gewalttätiger Vater hinzu, unter dem sie sehr gelitten hat: "Das war prägend für meine Lebenseinstellung und auch für meine Musik. Wenn ich Blues oder Balladen singe, gehe ich voll in mich rein. Da kommt das ganze Elend heraus. Ich habe sogar geheult beim Singen."

"Mach' das Radio lauter..."

Die Musikalität hat sie von ihrer Mutter in die Wiege gelegt bekommen. Diese spielte Geige und "von ihr habe ich auch das Timbre". Sie war es auch, die das Talent ihrer Tochter bemerkte: "Eines Tages habe ich den Küchenboden mit Kernseife geschrubbt und dabei das Lied 'Blaue Nacht am Hafen' von Lale Andersen gesungen. Da kam meine Mutter herein und sagte "mach‘ das Radio lauter, die Frau singt so schön"." Die ersten Schritte als Sängerin unternahm sie im Kinderchor.

Im Petticoat vor den amerikanischen Soldaten

"Schon damals gab es Castings" erzählte Joy Fleming. Zusammen mit ihrer Schwester trat sie bei solch einem Wettbewerb in einem Nachtclub auf, sang "My happiness" und erreichte den ersten Platz. Dadurch wurden die im Mannheim stationierten Amerikaner auf sie aufmerksam. Noch als Teenager trat sie im Petticoat zum ersten Mal in amerikanischen Clubs auf, sang Blues und Jazz und erntete Beifallsstürme. "Da hab‘ ich alles gelernt - die Ansagen, die Sprache. Das alles ging damals schon ganz gut ab."

Tagsüber schuftete Joy Fleming in der Fabrik

Mit dem Eintritt ins Berufsleben blieb die Musik weiterhin Dreh- und Angelpunkt. "Tagsüber habe ich in der Fabrik gearbeitet, zuerst in der Zündholzherstellung und später in der Gummifabrik." Es waren harte Zeiten, doch das Wochenende gehörte weiterhin der Musik. Sie schloss sich der Band "The Hit Kids" an, mit der sie durch die US-Clubs zog. Dort erhielt sie auch ihren neuen Namen "Joy".

1967 kam das Debüt mit "Joy & The Hit Kids"

Ab 1967 gab es "Joy & The Hit Kids" auch auf Schallplatte. Das Debüt "Zweisamkeit" war die deutsche Version des Supremes-Hits "The happening". Ein Auftritt im legendären "SWF-Talentschuppen" machte sie auch bundesweit bekannt. 1969 benannte sich die Formation in "Joy Unlimited" um und in dieser Besetzung war Joy Fleming 1970 im deutschen Pop-Musical "Tut, was ihr wollt" im Deutschen Nationaltheater in Mannheim auf der Bühne zu sehen. 

Joy Fleming und Karel Gott 1975 (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance / Georg Göbel)
Joy Fleming mit Karel Gott 1975 in Nizza

Bis dahin ungehört - Blues in Mundart

Als "Joy Unlimited" entstanden zwei Langspielplatten, die zu Meilensteinen der deutschen Rock- und Soul-Geschichte wurden: "Overground" sowie eine progressive Ballettmusik unter dem Titel "Schmetterlinge". Danach startete sie eine eigene Karriere als "Joy Fleming". Den Nachnamen hatte sich ihr Produzent ausgedacht. Mit dem "Neckarbrücken-Blues" gelang ihr 1972 der erste Erfolg als Solistin. Blues in Mundart gesungen war etwas völlig Neues.

"Ein Lied kann eine Brücke sein" scheitert

Am 22. März 1975 stand Joy Fleming in Stockholm auf der Bühne, um Deutschland beim Grand Prix d’Eurovision de la Chanson zu vertreten. Unter der Startnummer 4 sang sie den von Rainer Pietsch und Michael Holm komponierten Beitrag "Ein Lied kann eine Brücke sein", die letzte Strophe sogar in englischer Sprache. "Laut Publikum hätte ich haushoch gewonnen" blickte sie vor Jahren im Interview zurück. Womit sie in gewisser Weise auch recht behielt, denn das Lied wurde ein Kult-Hit. Im Wettbewerb jedoch reichte es nur für den drittletzten Platz, womit die Künstlerin lange haderte.

Eine Stockholmer Zeitung schrieb, sie sei wie eine "wilde Brunhilde" aufgetreten und ansonsten passte bei dem Auftritt auch nichts so recht. Diesem war Ärger vorausgegangen, denn sie wollte im modischen Hosenanzug auftreten. Dies fanden die Verantwortlichen beim Hessischen Rundfunk jedoch unpassend und bestanden auf ein grünes Kleid, das sie später wütend zerschnitt. Hinzu kam wohl ein technisches Problem, so dass ihr Vortrag akustisch nicht gut klang.

Joy Fleming (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance / Foto: Ronald Wittek)
Joy Fleming mit ihrem Lebensgefährten Bruno Masselon in ihrem Plattenstudio in Hilsbach.

Kurze Zeit später absolvierte sie mit Bravour eine Deutschland-Tournee und das Publikum zeigte ihr viel Zuneigung. Nicht nur hierzulande, denn ihre Kunst führte sie durch die ganze Welt: "Argentinien, Skandinavien, China, die Sowjetunion, Rumänien - überall war es toll, wie die Leute auf mich abgefahren sind" erzählte sie rückblickend. In Tokio wurde sie als Interpretin mit dem internationalen "Outstanding Award" ausgezeichnet, in Afrika sang sie für das Goethe-Institut und  in Großbritannien zusammen mit dem BBC-Orchester London, um nur einige Beispiele zu nennen.

Viel Lob von internationalen Stars

Respekt und Bewunderung erhielt sie auch von Weltstars wie Tom Jones. Er war zu einer Sendung eingeladen, bei der sie mit ihrer Band als Ersatz eingesprungen war. "Der ist fast ausgerastet" berichtete Joy Fleming, ebenso wie Shirley Bassey. Diese jedoch in einem anderen Sinn, da sie fürchtete, Joy hätte ihr die Schau gestohlen. Lobende Worte kamen von Janis Joplin, bei deren einzigen Deutschlandkonzert Joy Fleming im Vorprogramm aufgetreten war: "Noch nie habe ich so eine schöne Stimme gehört wie Deine."

Berührend war ein Erlebnis in Cannes. Dort wurde sie von dem berühmten Musiker und Komponisten Michel Legrand begleitet. Mitten im Lied hörte er auf zu spielen, stand auf, nahm Joy Fleming in den Arm und sagte: "Was für eine wunderschöne Stimme".

Ein Franzose wird der Mann ihres Lebens

Noch ein Franzose hat ihr Leben in ganz anderer Art und Weise beeinflusst. Es war die "späte Liebe mit 52" wie sie es nannte. Sie suchte einen Produzenten und der Bassist ihrer Band vermittelte ihr den Kontakt zu Bruno Masselon, der seit 1997 nicht nur beruflich sondern auch privat der Mann an ihrer Seite war. Beide ergänzten sich perfekt, erklärte sie. Er ist es auch, der zusammen mit Joy Flemings Sohn Bernd Peter das musikalische Erbe der Künstlerin lebendig hält. 

Mit Leidenschaft und einem hohen Maß an Professionalität hat sie ihren Beruf ausgeübt und war mit Leib und Seele Sängerin. Dabei blieb sie bodenständig, trug ihr Herz auf der Zunge und liebte klare Worte. Bereits vor rund dreißig Jahren hatte Joy Fleming ein eigenes Studio, eine Plattenfirma und einen Musikverlag gegründet. Dies alles fand Platz auf ihrem Bauernhof in Hilsbach bei Sinsheim, in dem die große Tierfreundin zusammen mit vielen Haustieren seit Mitte der 1970er Jahre gelebt hatte.

Joy Flemming Preis (Foto: SWR)

Bis zuletzt gab sie Konzerte, war als Gesangslehrerin tätig und arbeitete mit der Mannheimer Popakademie zusammen. Am 27. September 2017 ist Joy Fleming völlig überraschend in ihrem Zuhause friedlich eingeschlafen.

Besondere Plattencover von Joy Fleming

Plattencover von Joy Fleming (Foto: SWR, Polydor (Coverscan))
Joy Fleming startete ihre Plattenkarriere zusammen mit ihrer Begleitband unter dem Namen "Joy & The Hit Kids". Alle Mitglieder waren im Mannheimer Raum beheimatet und bei einigen der Musiker handelte es sich um ehemalige Studenten der dortigen Musikhochschule. Wenige Jahre später benannte sich die Formation in "Joy Unlimited" um und das bisherige Repertoire aus Beat, Pop und Schlager wandelte sich zu Funk und eher experimenteller Musik.
Plattencover von Joy Fleming (Foto: SWR, Global Records (Coverscan))
Wer wagt, gewinnt: Blues in Mundart - das kannte man bislang noch nicht. Der von ihr 1972 im kurpfälzischen Dialekt vorgetragene "Neckarbrücken-Blues", zu dem sie (als "Erna Strube") den Text selbst schrieb, kam nicht nur in ihrer Heimat, sondern landesweit an.
Plattencover von Joy Fleming (Foto: SWR, Jupiter Records (Coverscan))
"Helden werden auch mal älter" wurde von Kritikern als ihre beste Langspielplatte seit Jahren bezeichnet. Weiter stand zu lesen: "Wer Joy Fleming kennt, weiß, dass sie sich niemals auf ihren Lorbeeren ausruht. Ihr großer musikalischer Wunsch war es, den Alison Moyet-Hit 'Invisible' in deutsch singen zu dürfen." Bernd Meinunger schrieb den passenden Text und im April 1985 ging die Single "Zuviel Gefühl" an den Start.

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