Die perfekte Tanzmusik von einem absoluten Nichttänzer
Hugo Strasser war mit seinem Orchester hierzulande die meist beschäftigte Tanzmusik-Bigband. Von den Platten im strikten Takt wurden jährlich mehr als 300.000 Stück verkauft. Die Erfolgsserie startete 1965, als die erste "Tanzplatte des Jahres" auf den Markt kam. Die Idee dazu hatte der "Allgemeine Deutsche Tanzlehrerverband" (ADTV) und die Redaktion der "Tanz-Illustrierten". Das Motiv: Es mangelte an Tanzmusik, die sich konsequent an die strengen Vorgaben des ADTV hielt. Strassers Produkt war dermaßen erfolgreich, dass die Serie drei Jahrzehnte lang Bestand hatte. Das Unglaubliche dabei: Der Bandleader konnte gar nicht tanzen!

"Beim Walzer muss ich den Takt zählen, und wenn ich mich dabei unterhalte, komme ich aus dem Rhythmus."
Hugo Strasser und sein Orchester ließ selbst die Amerikaner schwofen
Die Zusammenarbeit mit dem ADTV machte Hugo Strassers Tanzorchester sogar international zum Besten der Welt. Auch in den USA erfreuten sich seine Tanzplatten größter Beliebtheit. 1984 startete man in Übersee einen Versuchsballon und brachte die aktuelle Tanzplatte in identischer Aufmachung und gleicher Titelreihenfolge auf den amerikanischen Markt. Ohne jegliche Bewerbung verkauften sich auf Anhieb 45.000 Stück. Nach diesem Erfolg wurde die nächste Ausgabe mit einer Startauflage von 100.000 Exemplaren produziert - und war innerhalb kürzester Zeit vergriffen.

Daneben gab es zahlreiche weitere Themenproduktionen. Hierzu gehörten Komponistenportraits, die das Repertoire namhafter Komponisten wie Robert Stolz, Franz Grothe oder Peter Kreuder auf den Plattenteller brachten. Zudem präsentierte Hugo Strasser viele tagesaktuelle Schlager, die im Rahmen der Serie "Hitparty des Jahres" in die Geschäfte kamen.
Von Geige und Mundharmonika zu Klarinette und Saxophon
Strasser dachte stets gerne an seine musikalischen Lehrjahre zurück. Als er mit gerade mal 16 Jahren sein Studium an der Münchener Akademie der Tonkunst aufnahm, hatte er schon Erfahrungen mit Geige und Mundharmonika. Seinem Lehrer, Professor Wilhelm Arnold, selbst Solo-Klarinettist an der bayerischen Staatsoper, war aufgefallen, dass der Körperbau des jungen Mannes perfekte Voraussetzungen für das Klarinette-Spielen bot. Er brachte dem jungen Strasser den richtigen Umgang mit dem Instrument bei. Was er stilistisch daraus mache, sei seine Aufgabe, gab ihm der Lehrmeister mit auf den Weg.
Der "Klarinetten-Hugo" lernte bei den US-Jazzgrößen
Nach Kriegsende erhielt er erste Engagements als Jazz-Klarinettist und -Saxophonist in Clubs der US-Armee. Benny Goodman war Strassers Vorbild, die amerikanische Swingmusik von Bands wie Count Basie und Duke Ellington beeinflusste ihn nachhaltig. Nun hatte er Gelegenheit, mit vielen Jazz-Größen gemeinsam auf der Bühne zu stehen: Sie waren nach Deutschland gekommen, um die amerikanischen Soldaten zu unterhalten. Ab 1949 machte er Station in der Bigband von Max Greger. Dort führte er den Saxophonsatz und spielte die Solo-Klarinette. Er erhielt den Spitznamen "Klarinetten-Hugo" - später schrieb er dazu einen gleichnamigen Schlager.
"Obwohl man Hugo und mich lange Zeit als Konkurrenten betrachtet hat, sind wir immer gute Freunde geblieben. Nur wenige spielen ihr Instrument so virtuos und so sicher wie Hugo die Klarinette."
Edelweiß pflanzen für den Komponisten Hugo Strasser
Über 500 Titel hat Hugo Strasser im Laufe seiner Karriere komponiert. Seinen größten Erfolg „The lonely trumpet“ kennen viele, allerdings weiß kaum jemand, dass er von ihm ist. Der amerikanische Trompeter Ray Anthony hörte die Komposition und nahm den Titel kurzerhand auf - ohne eine offizielle Erlaubnis. Weil damals keine interkontinentalen Lizenzverträge existierten, ging bei diesem grandiosen Erfolg Strasser als Urheber leer aus.

Dafür konnte sich Hugo Strasser über mangelnde Tantiemen für seine Komposition "Das Edelweiß vom Wendelstein" nicht beklagen. Man erzählt, dass er allein von den Einkünften seinen Hausbau finanzieren konnte. Allerdings berichtete eines Tages ein Bergführer im Radio, dass auf dem Wendelstein gar kein Edelweiß blüht. Tage später gab das Observatorium vom Wendelstein bekannt, dass es dort nun doch Vorkommen gäbe. Das Lied hatte der Besatzung so gut gefallen, dass sie dort vor einiger Zeit Edelweiß angepflanzt hätte.
Stromlos in die volkstümliche Musik: Stubenmusik à la Strasser
Obwohl es nicht nach seinem musikalischen Geschmack war, gelangen bei der volkstümlichen Musik wiederholt Volltreffer. So hatte 1995 seine Formation "Kaisertaler Guglhupf" Premiere. Die Geschichte dieses Ensembles begann als Geistesblitz in stockfinsterer Nacht, als im Hause Strasser der Strom ausfiel. Zu dieser Zeit saß er samt Sohn, Harfenistin und Toningenieur im hauseigenen Studio, um eine Session aufzunehmen - ohne Strom ein schwieriges Unterfangen. Die Szenerie wurde mit Kerzen beleuchtet. Hierbei entstand die Idee, die Tradition der "Stubenmusik" wieder aufleben zu lassen.

Strassers Sohn und die Idee zum singenden Bandleader
Eine andere Not ließ den Bandleader sogar zum Sänger werden: Hugo Strasser hatte eine Münchner Jurastudentin entdeckt, die ein großes Talent im Texte schreiben besaß. Jedoch fand sich niemand, der die entstandenen Lieder so interpretieren konnte, wie die Autoren sich das vorgestellt hatten. Die zündende Idee hatte schließlich sein Sohn Thomas Strasser, der in seinem Vater den geeigneten Mann hierfür sah.

Häufig war Hugo Strasser mit seinem Orchester im Fernsehen zu Gast. Die Palette reicht vom ZDF-Fernseh-Wunschkonzert "Musik ist Trumpf" bis hin zu Evergreen-Shows, die von Lou van Burg präsentiert wurden. Außerdem bestand eine jahrelange enge Verbindung zur Münchner "Lach- und Schießgesellschaft", wo er bei vielen Veranstaltungen mit von der Partie war.

Seit 1953 kenne ich Hugo Strasser. Er ist ein Profi als Musiker in jeder Hinsicht. Menschlich gesehen ist mir kaum ein anderer Kollege bekannt, der so viel Witz du Wärme ausstrahlt.
Eine Swing-Legende, der nie ans Aufhören dachte
Hugo Strassers musikalische Vorliebe gehörte immer schon den "kleinen Besetzungen". Die Gründung eines Swing-Sextetts à la Benny Goodman ließ aber viele Jahre auf sich warten. Erst anlässlich seines 65. Geburtstags hob er die "Hugo Strasser Hot Five" aus der Taufe. Der Swing blieb auch bis ins hohe Lebensalter seine Passion. Viele Jahre war er als "Swing-Legende" mit Max Greger, Paul Kuhn und der SWR-Bigband unterwegs und riss das Publikum zu Beifallsstürmen hin.

Nur der liebe Gott kann mir die Klarinette aus der Hand nehmen. Ich tue es nicht.
Bis kurz vor seinem Tod im März 2016 kurz vor seinem 94. Geburtstag stand der Musiker auf der Bühne. Ans Aufhören hat er nie gedacht. Die Musik war sein Leben.
Hugo Strasser: Sein Leben - kurz und knapp
Geboren | 7. April 1922 in in München-Schwabing |
Gestorben | 17. März 2016 in München-Trudering |
Erster Auftritt | Als Siebenjähriger bei der "Deutschen Stunde in Bayern", dem Vorläufer des Bayerischen Rundfunks. Er spielte auf der Mundharmonika das Lied "Großmütterchen". |
Filmkomponist | "Gefährliche Reise" (1961) und "Das Mädel aus dem Böhmerwald" (1965) |
Auszeichnungen (Auswahl) | Der "Goldene Tanzschuh" des ADTV; Deutscher Schallplattenpreis; "Goldener Löwe" von Radio Luxemburg; Bundesverdienstkreuz am Bande |
Tourneen | Etwa 180 Tage war das Orchester jedes Jahr unterwegs |
Stabwechsel | Am Ende 2015 übergab Hugo Strasser sein Orchester mit Namen, allen Rechten und dem gesamten Notenarchiv an den Musiker Heinrich Haas. |