
Der berühmte Sänger und Dirigent Gotthilf Fischer ist tot, das teilte seine Managerin der Deutschen Presse-Agentur mit. Er starb bereits am Freitag, den 11. Dezember im Kreise seiner Familie und wurde am 16. Dezember beerdigt. Fischer lebte zuletzt in Weinstadt bei Stuttgart und wurde 92 Jahre alt. Der "Karajan aus dem Remstal" oder "Herr der singenden Heerschaaren" brachte Millionen Menschen zum Singen.

"Man muss den Ton angeben, ein nettes Gesicht machen, Du musst Dich freuen und mit Begeisterung singen. Die Leute spüren, ob es von Herzen kommt oder nur oberflächlich ist" erläuterte uns Gotthilf Fischer sein Erfolgsrezept im Gespräch. Fischer wurde am 11. Februar 1928 im schwäbischen Plochingen geboren. Er wuchs als Sohn eines Hobbymusikers auf. Noch während des Krieges, als er noch das Esslinger Lehrer-Seminar - er wollte Sportlehrer werden - besuchte, gründete er den ersten Chor.
1945 suchte die "Concordia Deizisau" einen Chorleiter und Fischer sprang ein. Mit seiner unkonventionellen Art weckte er die Sangeslust der Mitmenschen und der Chor bekam großen Zulauf: "Ich mache alles aus dem Stegreif und vor allen Dingen mach' ich's von Herzen". Bald übertrugen weitere Vereine dem jungen Autodidakten die Leitung ihrer Chöre.

Die geniale Idee des Gotthilf Fischer
Gotthilf Fischer hatte die Idee, seine Chöre gemeinsam singen zu lassen und fasste sie zum Chorverband "Fischer-Chöre" zusammen. Beim schwäbischen Sängertreffen in Göppingen im Jahr 1949 kam es zum ersten gemeinsamen Auftritt und seine Fischer-Chöre wurden in den Sparten "Volksgesang" und "Kunstgesang" jeweils mit der Gold-Medaille ausgezeichnet. In dieser Zeit zählte sein Chor schon 400 Sänger. "Was dieser junge Dirigent versteht aus seinen Sängern herauszuholen, ist erstaunlich. Selbstsicher, mit einer beglückenden Ruhe steht er vor ihnen, auswendig dirigierend" schrieb die Presse. Sein Lehrerberuf war fortan passé.

Der Bekanntheitsgrad der Fischer-Chöre wuchs und bereits in den 1960er Jahren hatte der "Chorkönig" Gotthilf Fischer TV-Premiere in Horst Jankowskis TV-Sendung "Sing' mit Horst" und 1969 folgte der erste Auftritt zusammen mit seinen Chören bei Wim Thoelke in "3x9". Damit drang sein Ruf über die Grenzen des Schwabenlandes hinaus. Der Erfolg war nicht mehr aufzuhalten und erreichte durch die Unterzeichnung des ersten Plattenvertrages noch ganz andere Dimensionen. Von Anfang an waren seine Langspielplatten Bestseller.
Man sollte das Volkslied nicht vergessen

"Man lächelt über Melodien, die uns ans Herz gehen" erzählte Gotthilf Fischer gegenüber SWR4. "Man sollte das Volkslied nicht vergessen, die Lieder, die man schon in der Schule gesungen hat." Die Auftritte der Fischer-Chöre wurden immer spektakulärer und die beeindruckende Palette reicht vom Kirchenkonzert im Salzburger Dom über Auftritte bei der Winter-Olympiade in Innsbruck bis hin zu mehreren Besuchen beim Papst und Reisen nach Washington oder Israel.
Der Auftritt bei der Fußball-WM
Der internationale Durchbruch gelang 1974, als er mit seinen Chören in München beim Finale der Fußball-Weltmeisterschaft auftrat. Es war ein gigantisches Schauspiel: zu den 1.500 Sängern, die in rund 30 Bussen angereist waren, kamen noch gut 80.000 Stimmen aus dem Münchner Olympia-Stadion hinzu. Über eine Milliarde Menschen verfolgten das Konzert weltweit via Bildschirm. Ein sensationeller Erfolg, der von Brasiliens Fußball-Held Pele mit den Worten "Ihr seid für mich die wahren Weltmeister" kommentiert wurde.
Die Friedensmesse beim US-Präsidenten Jimmy Carter

Überall begegnete Gotthilf Fischer aufgeschlossenen Menschen: "Die Leute kamen aus den Häusern, haben Melodien gehört, die sie kennen und als Kinder gesungen haben und machten sofort mit." Längst waren die Chöre nicht mehr nur als Botschafter des Gesangs unterwegs, sondern auch des Friedens. Die Aufführung seiner "Friedensmesse", die er dem amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter gewidmet und anlässlich eines Auftritts in Washington 1978 ihm persönlich überreicht hatte, ist einer der vielen Höhepunkte in seiner Karriere.
Zu den vielfältigen Verpflichtungen kamen noch Aufgaben beim Fernsehen hinzu. Dazu zählten eigene TV-Serien wie "Sing‘ mit den Fischer-Chören", die 1975 beim ZDF gestartet wurde, als auch die Reihe "Straße der Lieder", die er mit seinen Chören in einem Oldtimer-Bus im Auftrag des Südwestrundfunks ab 1995 zwölf Jahre lang bereiste. Doch es gab auch ungeplante Auftritte, wie 1983 innerhalb der Sendung "Verstehen Sie Spaß"…
Queen Elisabeth II und Gotthilf Fischer bei "Verstehen Sie Spaß"

Damals sorgte Kurt Felix dafür, dass der Chorleiter bei einer Probe unverhofften Besuch von der englischen Königin bekam. Sie überreichte Fischer ein wahrhaft königliches Geschenk in Form einer Tafel Schokolade, die in mit der englischen Flagge bedrucktem Papier verpackt war. Der Dirigent war überaus erfreut über diese Ehre und ließ seinen Chor "An der schönen blauen Donau" anstimmen. Als die Queen aus ihrer Limousine ausstieg, um mit ihrem Chauffeur Walzer zu tanzen, war Fischer sichtlich beeindruckt. Contenance war gefragt, als Kurt Felix den Streich aufklärte und die Queen sich als deren Doppelgängerin entpuppte.
Der König der Chöre "bändigt" die Love-Parade
"Diejenigen, die mir ein Bein stellen wollten, haben immer Pech gehabt" erzählte Gotthilf Fischer einmal im SWR4-Interview. "Die Leute haben immer das gemacht, was ich gesagt habe" - auch bei der Love Parade im Jahr 2000. Er vollbrachte bei diesem Techno-Spektakel in Berlin das Kunststück, mit der feierwütigen Menge "Hoch auf dem gelben Wagen" zu singen. Dies kam beim Publikum an, denn "da hat einer den Mut und singt wieder die alten Lieder", fasste er zusammen.
Das Programm der Fischer-Chöre umfasst viele Stilrichtungen und reicht von Sakralem über Volkslieder bis zum aktuellen Schlager. Hinzu kommen rund 200 Eigenkompositionen des Chorleiters und Stücke, die er berühmten Persönlichkeiten gewidmet hatte: Zum Beispiel "Die Krone der Liebe" zur Hochzeit von Sylvia und Gustaf von Schweden. Von seinen eigenen Werken waren ihm "Die Friedensmesse" - weil sie auch international großen Erfolg hatte - und "Das Gebet" die liebsten. Darüber hinaus sind es die einfachen Volkslieder, die er schätzte: "Die Gedanken sind frei" und im Besonderen "Ännchen von Tharau" verriet er SWR4 im Gespräch.
Auch noch mit über 90 hatte Gotthilf Fischer einen ausgefüllten Terminplan
"Ich durfte die Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart am Staatstheater in Stuttgart dirigieren, ohne jegliche Probe. Es war ein großer Erfolg." Von solch beeindruckenden Momenten gab es viele in seinem Leben. Auf seinen Lorbeeren auszuruhen war jedoch nicht seine Sache und auch mit über 90 Jahren dachte Gotthilf Fischer nicht ans Kürzertreten. Sein Terminplan war mit allabendlichen Chorproben gefüllt. Zum runden Geburtstag veröffentlichte er 2018 eine neue Doppel-CD mit seinen Hits und Lieblingsliedern. Damit verfolgte er seine Lebensaufgabe weiter, das Volkslied in die ganze Welt zu tragen. Auf die Frage wie er am liebsten sterben wolle, sagte er einmal: "Auf dem Podium, beim Dirigieren."
Gotthilf Fischer - der Steckbrief
Geboren | 11. Februar 1928 in Plochingen, er lebte in Weinstadt. |
Eltern | Der Vater war Zimmerermeister mit musikalischen Ambitionen |
Die lieben Kollegen | Wolle Kriwanek nahm in "Wir singen für Millionen" die Geschäftstüchtigkeit von Gotthilf Fischer auf's Korn |
Familie | Seit 1949 verheiratet mit Hildegard, die 2008 gestorben ist. Er hat zwei Töchter und einen Sohn. |
Kurios | Gotthilf Fischer hatte bereits ein Grabkreuz, auf dem nur noch sein Sterbedatum eingraviert werden muss. |