Freddy Quinn auf der Bühne (Foto: IMAGO, Imago - Foto: Horst Rudel)

Freddy Quinn - der "Seemann" aus St. Pauli wird 90

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Hans-Jürgen Finger
Hans-Jürgen Finger (Foto: SWR, Alexander Kluge)

Mit "Heimweh" hat Freddy Quinn Schlagergeschichte geschrieben. Mit Liedern wie "Junge, komm‘ bald wieder" oder "La Paloma" wurde der Junge von St. Pauli zum Inbegriff des "singenden Seemanns". Jetzt wird der Künstler 90 Jahre alt.

"Stahlnetz"-Regisseur Roland entdeckte Freddy Quinn

1951, Freddy Quinn saß auf dem Tresen der "Washington Bar" auf St. Pauli und sang zur Gitarre Hillbilly-Songs und internationale Folklore. Neben Seeleuten und Damen vom horizontalen Gewerbe zählten auch zahlreiche Beschäftigte des damaligen NWDR (später: NDR) zum Publikum. Darunter der TV-Regisseur Jürgen Roland. Er war von dem jungen Mann begeistert und verschaffte ihm Anfang 1952 einen ersten Fernsehauftritt.

Der erste Plattenvertrag

Auch die Talentsucher der Plattenfirma "Polydor" wurden auf den Lokalmatador aufmerksam und schlossen 1954 mit ihm einen zweijährigen Ausbildungsvertrag ab. Dieser beinhaltete eine kostenlose Gesangsausbildung sowie ein Garantiehonorar von DM 240,- pro Lied, falls sich eine Schallplattenaufnahme ergeben würde.

Mit der "Heimweh"-Schnulze auf Platz 1 der Hitparade

Freddy Quinn in den 1950er Jahren in Hamburg (Foto: IMAGO, Imago/United Archives -)
Freddy Quinn in den 1950ern

Erst im Jahr 1956 kam der lang ersehnte Ruf ins Schallplattenstudio der Polydor. Zwei amerikanische Hits sollen in deutscher Sprache aufgenommen werden - darunter "Memories are made of this" von Dean Martin. "Chancenlos" urteilten die Verantwortlichen und der Discjockey Werner Götze vom Bayerischen Rundfunk legte nach: Er zerbrach lautstark die Schallplatte in seiner Sendung vor dem Mikrofon und bezeichnete sie als "Schnulze" und "Geschmacklosigkeit". Ganz anderer Meinung waren die Zuhörer, denn wenig später erreichte das deutsche Dean Martin-Cover "Heimweh" Platz 1 der Hitparaden.

Filme und Lieder machen ihn zum Seemann

Ein Zusammentreffen mit dem Komponisten und Schallplattenproduzenten Lotar Olias stellte die entscheidenden Weichen. Er nahm den Newcomer unter seine Fittiche, stimmte Musik und Texte perfekt auf das Erscheinungsbild von Freddy Quinn ab und machte aus ihm eine Kunstfigur. Sogar seine Biographie wurde umgeschrieben und ans Image angepasst. Ergänzt durch ganz auf den Star zugeschnittene Musikfilme gelang rund zehn Jahre lang ein rauschender Erfolg nach dem anderen. 

Befreiung vom Klischee-Image

Trotz alledem kam es zwischen ihm und Olias bereits Anfang der 1960er Jahre zu ersten Unstimmigkeiten: Freddy Quinn hatte genug vom Klischee des singenden Seemanns und wollte Neues ausprobieren. Doch erst 1966 gelang die Kursänderung, als er mit "Hundert Mann und ein Befehl" einen Nummer 1-Hit verbuchen konnte. In Zeiten des Vietnamkriegs hatte er damit den Zeitgeist perfekt getroffen.

Der Ausrutscher - Hetze gegen Gammler und Hippies

Plattencover Freddy Quinn (Foto: SWR, Polydor (Coverscan) -)

Viel Aufmerksamkeit erregte sein Titel "Wir". Der Text richtete sich gegen die Gammler und Hippies, die, statt zu arbeiten, nur herumlungern und protestierten würden. Zwar sprach er damit der älteren Generation aus dem Herzen, Freunde machte er sich mit diesem Hass-Song nicht und musste harsche Kritik einstecken. Viele Jahre später räumte Freddy Quinn ein, dass diese Platte ein Fehler war.

Die verpasste Chance auf eine Weltkarriere

Freddy Quinn hatte von Anfang an die Vorstellung, international tätig zu sein. Nach eigenen Angaben spricht er sieben Sprachen fließend und kann in zwölf singen. Von Anfang an zog es ihn nach Amerika, da er seine Kinderjahre in West Virginia verbracht hatte. Nur um Haaresbreite verpasste er den Durchbruch in Übersee. Bert Kämpfert, mit dem er schon seit vielen Jahren zusammenarbeitete, bot ihm den Titel "Spanish eyes" an. Allerdings waren die beiden Künstler bei unterschiedlichen Plattenfirmen unter Vertrag, welche sich nicht einigen konnten. So kamen die beiden Herren überein, die Platte in Eigenregie während eines gemeinsamen USA-Urlaubs aufzunehmen.

Al Martino als lachender Dritter

Die Kosten für das kleine Studio in Florida wurden geteilt und kurze Zeit später kam der Titel in Amerika auf einem kleinen Label auf den Markt. Wochen später erhielt er aus Chicago die Nachricht, er soll in die USA kommen: „Spanish eyes“ ist in den Hitparaden. Doch Freddy Quinn erwartete eine böse Überraschung: Die Plattenfirmen stritten sich und verwiesen auf ihre geltenden Verträge. Am Ende musste die Single vom Markt genommen werden. Stattdessen griff Al Martino zu und landete einen Welthit.

Die Arbeit im Theater und Zirkus

Freddy Quinn mit Akkordeon (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa - Foto: Cornelia Gus)
Im Musical "Große Freiheit Nr.7"

Die Arbeit nahm kein Ende: Fernsehauftritte, regelmäßige Schallplattenaufnahmen und ausverkaufte Tourneen. Hinzu kamen Verpflichtungen in Operetten und Musicals. Im St. Pauli-Theater spielte er in "Charley’s Tante" oder "Der Junge von St. Pauli", war "Sam Hawkins" bei den Karl May-Festspielen in Bad Segeberg, trat im Zirkus als Artist auf und brachte den "Zauber der Manege" auch als Moderator via Bildschirm den Zuschauern daheim näher. 

Der Abschied von der Bühne

Mit vielen Auszeichnungen im Gepäck verabschiedete sich Freddy Quinn im Jahr 2005 im Rahmen einer großen Abschiedstournee von seinem Publikum. Drei Jahre später traf ihn ein schwerer Schicksalsschlag, als seine Managerin Lillie Blessmann, die auch privat seit 1956 die Frau an seiner Seite war, verstarb. Daraufhin zog er sich vollkommen aus der Öffentlichkeit zurück. Sein Privatleben blieb stets ein streng gehütetes Geheimnis.

"80 Prozent meines Lebens gehört meinem Beruf, den ich wahnsinnig gerne ausübe, und der Öffentlichkeit. Für die restlichen 20 Prozent habe ich mich abgeschottet."

Erst vor wenigen Jahren gab er einer großen Tageszeitung erstmals wieder ein Interview, in dem er betonte, dass es einen Rücktritt vom Rücktritt nicht geben würde.

Den 90. Geburtstag des Künstlers würdigt seine Plattenfirma mit der Jubiläums-Edition "Alle Abenteuer dieser Erde" mit seinen größten Hits, unveröffentlichten Aufnahmen und dem Musical "Der Junge von St. Pauli" auf DVD, zu dem Freddy Quinn selbst das Titellied geschrieben hatte.

Besondere Plattencover von Freddy Quinn

Plattencover Freddy Quinn (Foto: SWR, Polydor (Coverscan) -)
Nach "Heimweh" folgte mit "Heimatlos" der nächste Nummer 1-Treffer. Dieser führte zum gleichnamigen Film, der im Sommer 1958 in die Kinos kam. Von Anfang an nahm Freddy Quinn fast alle seine Erfolgstitel für den internationalen Markt auf: "Heimatlos" sang er beispielsweise in englischer, französischer und holländischer Sprache.
Plattencover Freddy Quinn (Foto: SWR, Polydor (Coverscan) -)
1964 hatte der Film "Freddy, Tiere, Sensationen" seine Uraufführung. Dieser Stoff zündete - das Publikum bemerkte, dass der Hauptdarsteller im Zirkusmilieu zu Hause war. Theaterschauspieler Joseph Offenbach, der im Film mitspielte und bei dem Freddy Quinn Schauspielunterricht genommen hatte, äußerte: "Er arbeitet wie ein Irrer und ist geradezu gierig darauf, zu lernen. Er hat den brennenden Ehrgeiz, ein wirklicher und sogar ein guter Schauspieler zu werden".
Plattencover Freddy Quinn (Foto: SWR, Polydor (Coverscan) -)
Ein denkwürdiger Höhepunkt seiner Karriere war der Auftritt bei der Abschlussveranstaltung der Fußball-Weltmeisterschaft im Jahr 1974. Zusammen mit den Fischer-Chören sang er im Münchener Olympiastadion seine Eigenkomposition "Das große Spiel".
Das ist Freddy Quinn
Geboren27.09.1931
PremiereMit "So geht das jede Nacht" startete er für Deutschland im ersten Grand Prix (1956)
HitsZwischen 1956 und 1966 zehn Nr.1-Hits in der deutschen Hitparade
Zitat"Die Zeit beim Zirkus war die wichtigste Lehre meines Lebens überhaupt."
Schlagzeilen2004 bekannte sich der Künstler in einem Prozess der Steuerhinterziehung schuldig und wurde verurteilt.
Abschied2005 gab Freddy Quinn seine Abschiedstournee "Memories".

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