Bee Gees (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance / Foto: PA Stephens)

Barry Gibb und seine Brüder: Wie der Disco-Sound die Bee Gees zu Legenden machte

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Hans-Jürgen Finger
Hans-Jürgen Finger (Foto: SWR, Alexander Kluge)

Triumphe, Tragödien und Comebacks: Die Karriere der Bee Gees ist wie eine Achterbahnfahrt. Der Disco-Sound mit dem Falsett-Gesang machte die Band weltberühmt. Barry Gibb hatte daran einen wesentlichen Anteil.

Der erste Auftritt der Gebrüder Gibb

Schon von Kindesbeinen an machten Barry, Maurice und Robin gemeinsam Musik. In einem Kino in Manchester gab es die Möglichkeit, auf der Bühne zu einer mitgebrachten Schallplatte - quasi als Playback - zu singen. Doch auf dem Weg dorthin geschah ein Missgeschick und die Platte ging zu Bruch. Sie entschlossen sich dennoch aufzutreten und sangen live den Hit "Lollipop" der Chordettes. Tags drauf erschien über das Trio der erste Zeitungsbericht.

"Wir haben immer auf der Toilette komponiert und geübt. Wir fanden es klasse, wenn unsere Stimmen Hall hatten. In einem Kaufhaus in Manchester gab es eine richtig große Herrentoilette und da gab es den tollsten Hall überhaupt."

Poplegenden Bee Gees: altes Schwarzweiß-Foto von Maurice, Robin und Barry Gibb (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Avalon/Retna | Michael Putland)

Die Familie Gibb zieht nach Australien

Zu jener Zeit gab es ein Programm der Regierung, wonach Familien für 20 Dollar nach Australien auswandern konnten. 1958 fasste ihr Vater den Entschluss, dies aus wirtschaftlichen Gründen zu tun. In Brisbane bastelten die Kids weiter an ihrer Karriere. Ihre ersten öffentlichen Auftritte hatten sie dort auf einer Motorradrennstrecke, wo sie zwischen den Rennen für das Publikum sangen.

Der Bandname wurde in einer Radioshow geboren

Der australische Disc-Jockey Bill Gates lud die Brüder in seine Radio-Show ein: "Wir hatten als Brüder Gibb die gleichen Initialen und so verpasste er uns den Namen "Bee Gees". Das ging damals alles ganz schnell", erinnerte sich Robin Gibb im Interview. 1963 kam der erste Schallplattenvertrag zustande. Als sie ins Aufnahmestudio kamen, bot sich dort ein vertrautes Bild: die Toilette diente als Hallkammer.

Mit den Beatles kam der Schub

Der Kinderband maß niemand rechtes Potential zu, was die Verantwortlichen auch offen aussprachen. Das Familienunternehmen Gibb - der Papa Manager, die Mutter Garderobiere, Barry als Bandleader und seine Zwillingsbrüder Maurice und Robin - wollte nicht richtig zünden. Als die "Beatlemania" Australien erreichte, veränderte dies auch den musikalischen Stil der Brüder. Und sie wollten nach London, in jenen Tagen das Zentrum der Popmusik, um ihre Karriere voranzutreiben.

Rückkehr nach England - mit einem Nr.1-Hit im Gepäck

Gerade als sie das Schiff nach England bestiegen hatten, kam die Nachricht, dass sie in Australien mit "Spicks and specks" auf Platz 1 der Hitparade standen. Doch ihre Entscheidung stand fest. Sie nahmen dies als gutes Zeichen für den Start in die neue Zukunft. In London machte der Manager Robert Stigwood in kurzer Zeit aus den drei Brüdern Popstars, die es vermochten, eine wahre Hysterie unter den Teenagern auszulösen.

Durchbruch mit einem Song über ein Minenunglück

"New York Mining Disaster 1941", ein düsteres Lied über ein Grubenunglück, bedeutete 1967 den kommerziellen Durchbruch. Nicht nur in England, sondern in ganz Europa. Vor allem in Deutschland entwickelte sich über die Jahre eine ganz besonders treue Fangemeinde. Hit reihte sich an Hit und die Mädchenherzen schmolzen nur so dahin. Darüber hinaus waren sie mit ihrem eigenwilligen Erscheinungsbild Trendsetter in Sachen Mode.

Die Bee Gees bei einem Auftritt, Ende der 1970er Jahre. (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance / Capitel Pictures)

1969 kommt es zum Bruch - Robin Gibb macht es solo

Sie waren jedoch nicht nur Brüder, sondern auch untereinander Konkurrenten. "Ähnlich wie bei den Beatles gab es einen Wettstreit, wessen Song zur A-Seite einer Single wird und wem die B-Seite vorbehalten bleibt", erklärte Robin Gibb. 1969 kam es zum Bruch und Robin startete mit "Saved by the bell" erfolgsversprechend eine Solo-Karriere.

Barry und Maurice machten zu zweit weiter. Doch bald wurde klar, dass für ein komplettes Klangbild die Stimme von Robin fehlte. Erfolge blieben aus und sie versuchten sich sogar als Schauspieler in dem recht schrägen Film "Cucumber Castle". Rund eineinhalb Jahre dauerte die Trennung an, bevor sich die Brüder wieder vertrugen. Doch die Glanzzeiten waren vorüber.

Die Gibbs singen eine Oktave höher und haben Erfolg

Erst als sie nach Amerika gingen, wendete sich das Blatt. Der in den USA lebende türkische Musikproduzent Arif Mardin schlug ihnen vor, eine Oktave höher zu singen. Der sogenannte Falsettgesang hatte 1975 auf dem Album "Main Course" Premiere und verhalf den Gibb-Brüdern zu einem weltweiten Comeback.

Die Bee Gees werden die Stimme des Disco-Sounds

Zwei Jahre später bekamen sie den Auftrag, die Musik für den Film "Saturday Night Fever" zu schreiben. Innerhalb von zwei Wochen arbeiteten sie den Soundtrack aus, ohne vorher das Drehbuch gelesen zu haben. „Die Musik zu "Night Fever" schrieben wir auf einer Farm in Albertville in Frankreich“, erzählte Robin Gibb. Die Songs aus dem Tanzfilm wurden Welthits und die Gebrüder Gibb zu Ikonen der Disco-Ära.

John Travolta im "Saturday Night Fever" (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)
John Travolta im "Saturday Night Fever"

Das nachfolgende Album "Spirits having flown" brach ebenfalls Rekorde. Für die Tournee mieteten die Brüder ein Flugzeug an, das sie speziell bemalen ließen. Die Einnahmen aus dem Song "Too much heaven" stellten sie der UNICEF zur Verfügung und konnten die Organisation mit sieben Millionen US-Dollar unterstützen. Neben dem UNO-Generalsekretär Kurt Waldheim dankte ihnen auch der US-Präsident Jimmy Carter und lud sie ins Weiße Haus ein.

Der allmähliche Rückzug

Anfang der 1980er Jahre war der Disco-Hype vorüber und das Publikum hatte genug von den Bee Gees. Ihre Platten fanden kaum noch Zuspruch und sie versuchten sich erneut als Solisten. Recht erfolgreich gelang dies Robin Gibb in Europa. Mit "Juliet" stand er 1983 in Deutschland, Italien und in der Schweiz auf Platz 1 der Hitparaden.

Zwar waren die Bee Gees als Band erfolglos geworden, dafür konnten sie in dieser Zeit als Songwriter ihre größten Hits landen. "Islands in the stream" (Dolly Parton & Kenny Rogers), "Chain Reaction" (Diana Ross), "Heartbreaker" (Dionne Warwick) oder "Woman in love" (Barbra Streisand) waren die Meilensteine der Popmusik, die sie in ihrer Hitschmiede fertigten.

"Wir haben nie darüber nachgedacht, wie wir unseren Weg designen sollten. Wir haben einfach gemacht, was wir für wichtig hielten."

Paul McCartney ehrt Robin Gibb (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance / Phil Nolte)
Paul McCartney ehrt Robin Gibb (2005)

"You win again" - ein fulminantes Comeback

Sechs Jahre waren seit ihrem letzten Album vergangen, als ihnen 1987 mit "You win again" ein fulminantes Comeback gelang. Doch in die Freude platzte die Todesnachricht von ihrem jüngsten Bruder Andy. Ein schwerer Schock, der auch bewusst machte, dass das Alter an Barry, Maurice und Robin nicht spurlos vorüber gegangen war. Die vielen Anstrengungen der vergangenen Jahrzehnte blieben nicht ohne gesundheitliche Folgen.

Ungeachtet dessen setzten sie während der 1990er Jahre mit ihren Auftritten und Produktionen neue Maßstäbe. Die einstige Boygroup inspirierte die Boygroups der Neuzeit wie Take That, Boyzone oder US5 dazu, die alten Hits neu aufzunehmen und der jungen Generation bekannt zu machen.

Bee Gees (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance / Foto: PA Stephens)
Maurice, Robin und Barry Gibb (v.l.) - die Bee Gees live im Wembley-Stadion (1998)

Die Musik der Bee Gees bleibt unsterblich

2001 erschien ihr letztes Studioalbum "This is where I came in". Als am 12. Januar 2003 Maurice völlig unerwartet nach einer Operation verstarb, waren alle weiteren Planungen obsolet. Am 20. Mai 2012 starb Robin an den Folgen einer Krebserkrankung. Barry lebt seit vielen Jahren in Florida. 2018 wurde er von Prince Charles zum Ritter geschlagen. 2006 wurde das offizielle Ende der Bee Gees bekannt gegeben. Ihre Musik bleibt für immer, ist - um es mit ihren Worten zu sagen - "immortality".

Sänger Barry Gibb von den Bee Gees, nachdem er von Prince Charles zum Ritter geschlagen wurde. (2018) (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / Photoshot)
Sänger Barry Gibb von den Bee Gees, nachdem er von Prince Charles zum Ritter geschlagen wurde. (2018)

Barry Gibb hat Bee Gees-Klassiker neu aufgenommen

Wie unsterblich die Musik der Bee Gees ist, beweist das Album "Greenfields", das Barry Gibb jüngst veröffentlichte. Hierfür nahm er viele Klassiker aus dem Songbook der Gebrüder neu auf. Dabei bekam er Unterstützung von Country-Größen wie Dolly Parton, Sheryl Crow oder Keith Urban, die mit ihm die Lieder im Duett sangen.  Zudem erschien bereits Ende 2020 eine Dokumentation in Spielfilmlänge unter dem Titel "The Bee Gees - How can you mend a broken heart" und zeigt neu gedrehte Interviews, seltenes Archivmaterial und Auftritte aus fünf Jahrzehnten der Pop-Legenden.

Besondere Plattencover der Bee Gees

Plattencover der Bee Gees (Foto: SWR, Coverscan (RSO))
1975 erschien "Main Course", woraus die Singles "Jive Talkin‘" sowie "Nights on Broadway" stammten. Damit gelang ihnen erneut eine Weiterentwicklung. Unter anderem war der Keyboarder Blue Weavers hinzugestoßen, der die Arbeit entscheidend beeinflusste. "Ganz schön funky, was sich da unter der Nadel dreht", schrieb die Plattenfirma. Zudem hatte hier der Falsettgesang Premiere, der zum unverkennbaren Markenzeichen der Bee Gees wurde.
Plattencover der Bee Gees (Foto: SWR, Coverscan (Interhit Records))
"Spicks and specks" war Motor für die internationale Karriere und den Wechsel von Australien nach Großbritannien. Zunächst stand das Album unter dem Titel "Monday’s Rain" in den Läden. Nachdem sich die eingangs erwähnte ausgekoppelte Single bestens verkaufte, wurde die Langspielplatte rasch unter diesem Titel neu aufgelegt, um von diesem Erfolg zu profitieren.
Plattencover der Bee Gees (Foto: SWR, Coverscan (Polydor))
Mit "Size isn’t everything" erschien 1993 ihr 20. Studioalbum. Maurice Gibb erklärte: "Wir machen im Grunde keine Alben. Wir machen eine Kollektion von Singles und veröffentlichen sie auf einer Scheibe. Zeitraubende Füllsel mögen wir nicht. Wenn sich jemand unser Album anhört, dann sollte sich jedes Stück vom vorigen unterscheiden. Ist’n alter Beatles-Trick, ehrlich."

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