Brennofen im Zementwerk (Foto: Colourbox, Foto: Colourbox.de -)

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Zement oder Beton – Der globale Bauboom heizt das Klima auf

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Uwe Springfeld
Uwe Springfeld (Foto: David Springfeld)
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Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)

In den USA plant Präsident Trump eine Betonmauer von 1600 Kilometern Länge. Und China verbaut allein in fünf Jahren mehr Beton als die USA seit ihrem Bestehen. Was kaum bekannt ist: Bei der Zementherstellung entstehen Unmengen des Treibhausgases Kohlendioxid.

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Zement ist ein künstlicher Stoff, der über eine chemische Reaktion hergestellt wird – als Rohstoff dient in erster Linie Kalkstein. Dazu kommen noch Ausgleichsstoffe, um die chemische Zusammensetzung richtig einzustellen.

Bei der Zementherstellung entstehen Unmengen des Treibhausgases Kohlendioxid, CO2. Wie viel genau, kann man nur schätzen. Manche Experten sagen: Pro Tonne – also 1000 Kilogramm Zement - entstehen 100 Kilogramm CO2. Andere sprechen sogar von 900 Kilogramm CO2 pro Tonne Zement. In dem Fall wäre die Masse an Treibhausgasen fast so groß wie die des produzierten Baustoffs. Weltweit gesehen ist die Zementherstellung eine der größten CO2-Quellen überhaupt, nach dem Energiesektor und der großflächigen Vernichtung von Wäldern.

Kalksteinabbau (Foto: Colourbox, Foto: Colourbox.de -)
Kalksteinabbau

Zum Bauen mit Zement gibt es bisher noch keine Alternative

Mit einem Unterschied: Im Energiesektor forscht man intensiv nach Alternativen, nach erneuerbare Energien. Wind- und Wasserkraft, Solarenergie, Biogas und so weiter. Beim Zement gibt es keine Alternative. Das für die Herstellung wichtige Kalziumoxid bekommt man nur über Kalk, chemisch gesagt: Kalziumkarbonat. Bei der Umwandlung zu Kalziumoxid entsteht zwangsläufig, das Treibhausgas CO2, das dann in der Regel in die Atmosphäre entweicht.

Den Baustoff Zement gibt es in jedem Baumarkt. Kostet fast nichts. Man holt sich ein, zwei Säcke, gibt das dreifache an Kies dazu, kippt noch einmal die Hälfte der Zementmenge an Wasser darauf und mischt gut durch. So wird aus Zement Beton. Den Beton gibt man in eine Schalung und wartet. Dann ist es fertig, das Fundament des Gartenhäuschens. Oder die Bodenplatte der neuen Veranda.

Zementsack (Foto: Colourbox, Foto: Colourbox.de -)

Deswegen ist Beton so beliebt und Zement so gefragt. Ein künstlicher Stein, gehärtet aus einem Matsch, den man in fast jede beliebige Form gießen kann. Der über Jahrzehnte, manchmal über Jahrhunderte hält. So formt Beton ganze Landschaften: Fundamente, Wände, Decken, Treppenhäuser. Zusammenmontiert zu Gebäuden zum Wohnen, Arbeiten, Einkaufen. Für Krankenhäuser, Behörden, Schulen, Universitäten, Kasernen. Und alles verbunden mit Gehwegplatten, U-Bahnröhren, Frisch- und Abwasserleitungen, Kanalbecken, Kläranlagen, Bahnhöfen. Und Straßen, vielen Straßen, die durch Tunnel und über Brücken führen.

Betonpfeiler für den Hochmoselübergang werden aufgebaut. (Foto: SWR, SWR -)

Heute wohnen weltweit sieben von zehn Menschen in Gebäuden, für die Beton verbaut, also Zement hergestellt wurde. Vor allem in den Megastädten der Welt: Nairobi, Moskau, Mexico-Stadt, New York City, Mumbai, Beijing. Indien braucht in den nächsten dreißig Jahren Häuser und Straßen für 400 Millionen Neubürger, fünfmal so viele wie Deutschland heute Einwohner hat. Die asiatischen Länder und allen voran China sind beim Bauboom ganz vorne mit dabei. Dafür bekommen die USA jetzt vielleicht eine gigantische Mauer, geplant von Präsident Donald Trump an der Grenze zu Mexiko. 15 Meter hoch, 1600 Kilometer lang. Dafür braucht man mindestens Eineinviertel Millionen Tonnen Zement.

Megacity Jakarta (Foto: Colourbox, Foto: Colourbox.de -)
Megastadt Jakarta

Der Rohstoff für den künftigen Zement liegt heute noch im Untergrund. In Indien als Kalkstein beispielsweise im Boden des Bundesstaates Karnataka. Der Zement für Detroit und Chicago wird aus den Kalksteinbrüchen bei Rogers City gefördert, einige Hundert Kilometer weiter nördlich. Der künftige Beton für Shanghai liegt momentan als Kalk im Boden im Distrikt Taierzhuang, etwas nördlich der Megastadt.

Wird all dieser Kalk zu Beton verarbeitet, werden wieder große Mengen CO2 in die Atmosphäre entlassen. Forscher suchen deshalb weltweit nach Alternativen.

Einige Wissenschaftler experimentieren statt mit Kalk mit verschiedenen Tonerden: mit bestimmten Typen von Vulkanasche, so genanntem Trass. Nur muss man sagen: Allen Forschungsanstrengungen zum Trotz ist heute nicht abzusehen, ob diesen Materialien überhaupt der Sprung in den Massenmarkt gelingt.

Brennofen im Zementwerk (Foto: Colourbox, Foto: Colourbox.de -)
Brennofen im Zementwerk

Andere Innovationen beziehen sich auf eine schonendere Herstellung. So gibt es zum Beispiel eine Entwicklung namens Celitement vom Karlsruher Institut für Technologie. Kernstück des Verfahrens: Statt in den Flammen eines Drehrohrofens heizt man den Kalk in einem verschließbaren Druckbehälter auf. Forscher sprechen vom Autoklaven, ein Hausmann würde sagen: Schnellkochtopf. Bei diesem Prozess spart man Kalkstein. Der Nachteil ist, dass der Einsatz von Sekundärbrennstoffen schwieriger ist als in den anderen Brennprozessen. Dazu kommen hohe betriebswirtschaftliche Kosten, die für Einzelunternehmen nicht zu stemmen sind.

Die Suche nach einem finanzierbaren Ersatzstoff für Kalkstein oder einer kohlendioxidärmeren Herstellung von Zement geht weiter. Solange müssen wir mit dem klimaschädlichen Herstellungsprozess für Zement leben.

Produktion 2017

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