Drei Personen stehen vor einem Grab (Foto: Getty Images, Thinkstock -)

Tabuthema Selbsttötung

Wie umgehen mit Suizid?

Stand
AUTOR/IN
Anke Schäfer
Ulrich Hegerl
ONLINEFASSUNG
Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

Wie kann man suizidgefährdeten Menschen helfen? Wie können Angehörige und Freunde mit einer Selbsttötung umgehen?

In Deutschland nehmen sich jedes Jahr etwa 10.000 Menschen das Leben. Das sind mehr Menschen, als im Verkehr (3600 pro Jahr) oder durch Drogen (1.200 pro Jahr) zu Tode kommen. Zwei von drei Suiziden werden von Männern verübt. Insbesondere ältere Männer haben ein erhöhtes Risiko. Bei den Suizidversuchen sind hingegen junge Frauen gefährdet. Seit den 90er Jahren hat sich die Zahl der Suizide insgesamt verringert, in den letzten dreißig Jahren sogar um die Hälfte. Doch Suizidprävention ist nach wie vor dringend notwendig.

Die häufigste Suizid-Ursache ist die Depression. Patienten fühlen sich traurig, niedergeschlagen, wertlos, müssen für jede Handlung einen bleiernen Widerstand überwinden und sehen schließlich keinen Ausweg.

Manche Patienten haben eine Psychose, z.B. ausgelöst durch Alkohol, in der ihm Stimmen befehlen, dass sie sich umbringen sollen.

Ältere Menschen begehen einen „Bilanz-Suizid“. Sie sehen ihr Leben als abgeschlossen an und gehen zu einer Sterbehilfe-Organisation.

Wie kann man erkennen, dass Menschen sich töten wollen?

Die Deutsche Depressionshilfe hat Alarmzeichen zusammengestellt, die Angehörige und Freunde ernst nehmen sollten:

  • Suiziddrohungen und -ankündigungen. Das Vorurteil, dass sich ein Mensch, der von Selbsttötung spricht, nichts antut ist falsch.
  • Große Hoffnungslosigkeit und Äußerungen wie: „Es hat ja doch alles gar keinen Sinn mehr...“, „Irgendwann muss auch mal Schluss sein.", „Es muss jetzt was passieren...“ Gerade bei depressiven Menschen sind das Hinweise auf eine ernste Gefährdung.
  • Viele Menschen möchten vor einem Suizid ihre Angelegenheiten ordnen. Beispielsweise verschenken sie Wertgegenstände, setzen ihr Testament auf oder verabschieden sich von ihren Freunden und Verwandten. Achtung: wer fest zum Suizid entschlossen ist, wirkt oft ruhiger, gefestigter und weniger verzweifelt. Das kann zu dem trügerischen Schluss führen, es gehe dem Betroffenen endlich besser.

Was können Sie konkret tun, um Selbsttötungen vorzubeugen

  • Sprechen Sie die suizidgefährdete Person darauf an. Die Befürchtung, man könne dadurch den Suizid erst provozieren, ist falsch. In aller Regel stellt es eine Entlastung dar, mit einer anderen Person über die quälenden Gedanken sprechen zu können.
  • Ziehen Sie professionelle Hilfe hinzu! Hilfe können Sie bei einem Arzt, Psychotherapeuten oder in einer Klinik suchen.
  • Zeigen Sie Ihrem Gegenüber, dass Sie für ihn da sind. Begleiten Sie die gefährdete Person zum Arzt oder in die Klinik. Nachts kann das die psychiatrische Notfallambulanz sein, aber auch der ärztliche Notdienst.
  • Wenn ein Mensch unmittelbar von Suizid bedroht ist, er aber nicht mehr ansprechbar ist, dann sollte zu seinem Schutz der Notarzt verständigt werden. Wichtig: lassen Sie den betroffenen Menschen bis zum Eintreffen des Notarztes nicht allein.

Den Medien kommt bei den Berichten über Suizide eine wichtige Rolle zu

Medien berichten in der Regel nicht oder nur sehr kurz über Suizide, um Nachahmung zu verhindern. Es wird empfohlen, den Suizid nicht als Freitod oder in melodramatischer Weise darzustellen, sondern als Folge einer psychiatrischen Erkrankung, die durch konsequente Behandlung hätte vermieden werden können. Das funktioniert: nach der Berichterstattung über die Depression und die Selbsttötung des Torwarts Robert Emke ist das Verständnis für Depressive deutlich angestiegen.

Bei den Hinterbliebenen dominieren Schuldgefühle

Die Menschen, die nach einer Selbsttötung zurück bleiben, leiden zusätzlich zum Verlust meist unter Scham- und Schuldgefühlen. Im schlimmsten Fall wird ein Suizid dann tabuisiert, totgeschwiegen. So erging es auch Eva Terhorst, Trauerbegleiterin in Berlin. Sie war 15 Jahre alt, als sich ihre Mutter mit einer Überdosis Tabletten das Leben nahm. Danach wurde sie zwar von vielen komisch angesehen, doch angesprochen darauf hat sie kaum jemand. Und wenn doch kamen Sätze wie: "Wie kann man so was tun, wenn man Kinder hat?" Eva Terhorst hat darüber ein Buch geschrieben mit dem Titel: „Ich konnte nichts für dich tun – trauern und weiterleben nach dem Verlust durch einen Suizid“.

Als jugendliche Hinterbliebene hätte Eva Terhorst Hilfe und Unterstützung gebraucht, aber kaum welche bekommen. Das hat ihr Leben geprägt. Heute hilft sie als Trauerbegleiterin anderen Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben. Terhorst empfiehlt Hinterbliebenen nach Menschen zu suchen, die ebenfalls einen Menschen durch Suizid verloren haben: zum Beispiel in Trauergruppe, in Selbsthilfegruppen. Mit Menschen zu sprechen, die ähnliches durchgemacht haben, sei wichtig.