Sommertour 2018, Einsiedel, Pflügmeisterschaft, Betina Starzmann (Foto: SWR, SWR - Norbert Kohlen)

Ernährung

So verändert der Klimawandel die Landwirtschaft

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Jantje Hannover
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Susanne Paluch

Die letzten Sommer waren ein Vorgeschmack auf das, was in kommenden Jahrzehnten zum Alltag werden kann: 2018 bescherte eine Dürre den Bauern in weiten Teilen Europas massive Ernteausfälle, im April 2017 erfroren massenhaft Blüten an Obstbäumen, weil der Winter nach einem warmen Frühling zurückkehrte.

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Schädliche Klimagase

Diese Probleme hat die Landwirtschaft sich selbst mit geschaffen, sagt Martin Hofstetter, Landwirtschaftsexperte bei der Umweltorganisation Greenpeace. Die Landwirtschaft zähle zu den weltweit größten Produzenten klimaschädlicher Treibhausgase, die bekanntlich Mitverursacher des Klimawandels sind: Für Deutschland liegen die direkten Emissionen aus der Landwirtschaft derzeit bei sieben Prozent. Das sind vor allem Lachgas und Methan. Insgesamt rechnen Experten wie Martin Hofstetter mit einem Anteil von 11-12 Prozent in Deutschland.

Kühe auf der Weide (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture-alliance / Reportdienste -)
Methan entsteht vor allem in der Viehhaltung und beim Nass-Reisanbau. Es ist 25 Mal so klimaschädlich wie Kohlendioxid.

Lachgas entweicht bei der Stickstoffdüngung aus dem Boden und ist fast 300 Mal klimaschädlicher als CO2. Dazu kommt noch das Kohlendioxid, das aus landwirtschaftlich genutzten Böden ausgast.

Agrarpolitik "gleicht einem kollektiven Selbstmordversuch"

Global wird der Anteil der Nahrungsmittelproduktion und -Verteilung an den Treibhausgasen mit 25 Prozent veranschlagt. In diese Bilanz fließen gigantische Soja- und Mais-Plantagen in den Tropen für Tierfutterproduktion ebenso mit ein wie Urwälder, die für Ackerflächen abgeholzt werden. Ein Missstand, den Agrarpolitiker in aller Welt sehenden Auges geschehen lassen. Erst im April 2019 beschloss der Agrarausschuss der EU-Kommission, ab 2021 keine Umweltmaßnahmen mehr direkt zu fördern. "Was heute geschieht, gleicht einem kollektiven Selbstmordversuch", sagt der Gründungsdirektor des Potsdam Institutes für Klimafolgenforschung PIK, Hans-Joachim Schellnhuber.

Lösungsansätze für die Landwirtschaft

  • HumusWas genau auf den Äckern passiert, wenn es wärmer wird, will der Bodenökologe Christian Poll von der Forschergruppe „Regionaler Klimawandel“ herausfinden. Darum hat er auf den Versuchsflächen der Universität Hohenheim kleine Beete angelegt, die Sommertrockenheit simulieren und testen sollen, wie die Pflanzen darauf reagieren. Die Forscher gießen unter den Folien nur reduziert und vergleichen die Pflanzen anschließend mit denjenigen, die den natürlichen Regenfällen ausgesetzt waren. Es deutet sich an, dass der Boden als Folge der Aufheizung organische Substanz verliert – mit anderen Worten: Er verliere Humus, sagt Christian Poll, und erklärt weiter: Denn je dicker die humose Schicht auf dem Acker, desto weniger Kunstdünger wird gebraucht. Deshalb wollen die Bauern vermehrt auf Humus setzen.
  • Zielgenaues DüngenAber der Bauernverband will nicht mehr Humus einsetzen, sondern auch zielgenauer düngen, um Lachgasemissionen zu senken. Gleichzeitig soll weniger Gülle auf die Felder kommen, sagt der stellvertretende Generalsekretär Udo Hemmerling:
  • BaumbepflanzungBäume bieten die Möglichkeit, vor Wetterextremen zu schützen, wenn sie als natürliche Puffer auf Ackerland gepflanzt werden, meint Patrick Worms von der Forschungseinrichtung World Agroforestry Centre. Sie steigern die Wasserverfügbarkeit im Boden und somit auch den Ertrag: Patrick Worms rechnet vor, dass sich der Ertrag auf einem Hektar Land - durch die Kombination von Pappeln und Weizen beispielsweise - um bis zu 40 Prozent erhöht. Weil Akazien mit ihren Pfahlwurzeln auch tiefe Grundwasserspiegel erreichen, spielen sie eine wichtige Rolle bei der Wiederbegrünung in Regionen, in denen sich Wüste ausbreitet.Baumbepflanzungen haben weitere positive Effekte, so der Experte: Solche Anbauflächen sind also weniger anfällig für Schädlingsbefall.

Landwirtschaft muss rentabel sein

Für den Biogeophysiker Thilo Streck vom Institut für Bodenkunde und Standortslehre aus Hohenheim machen solche Anstrengungen nur Sinn, wenn sie sich auch rentieren:

Eine effiziente Landwirtschaft ist nicht die, die am meisten erntet, sondern die, die die größten Gewinne pro eingesetzter Arbeitsstunde erzielt.

Erreicht werden könnte das durch die Besteuerung von CO2.

Gemüse auf Wochenmarkt (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture-alliance / Reportdienste -)
Bis jetzt konnten Interessengruppen aus der Ernährungs- oder Pestizidindustrie ein Umdenken in der Agrarpolitik verhindern.

Das würde landwirtschaftliche Produkte verteuern und somit Landwirte dazu bewegen, mehr in den Klimaschutz zu investieren.

Mit einem noch stärkeren Hebel sollte hier aber die Gemeinsame Agrarpolitik der EU ansetzen. Seit vielen Jahren kämpfen Umweltschützer, SPD und die Grünen dafür, ökologische Leistungen der Landwirte stärker aus dem 55 Milliarden Euro schweren Agrartopf zu honorieren.

Der Einfluss der Verbraucher aufs Klima

Letztlich ist aber auch jeder Verbraucher aufgefordert, sein Essverhalten zu überprüfen. Zahlreiche Studien kommen zu dem Ergebnis, dass weniger Fleisch zu essen der effektivste Schritt ist, um die globale Erwärmung zu mildern, erinnert Martin Hofstetter:

Wir müssen die Tierbestände reduzieren, wir müssen unseren Konsum völlig neu denken. Es wird in zehn, fünfzehn Jahren selbstverständlich sein, dass wir Burger essen, die tatsächlich nicht mehr aus Rindfleisch bestehen, sondern aus Erbsenpüree oder sonstwas.

Schweineköpf in einer Metzgerei auf dem Viktualienmarkt (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture-alliance / Reportdienste -)
Laut Statistischem Bundesamt produzierten die gewerblichen Schlachtbetriebe Deutschlands in den ersten sechs Monaten 2018 4,0 Millionen Tonnen Fleisch.

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