Virtuelle Welten werden der realen Welt immer ähnlicher. In Zukunft kann es schwer werden, diese Welten nicht zu verwechseln. Und was ist, wenn die virtuelle Realität für manche Menschen so viel schöner ist als die reale Welt? Sodass sie gar nicht mehr herauskommen wollen? Was, wenn sie in der virtuellen Welt Straftaten begehen, die sich auf die reale Welt auswirken?
Anwendungsgebiete von Virtual Reality:
- Virtuelle Operationen in der medizinischen Ausbildung
- Rehabilitation nach Schlaganfall
- Virtuelles Zugabteil für Demenzkranke
- Training gegen Höhenangst
- Behandlung von Spinnenphobie
- Virtuelles Fitnessstudio
- Virtuelle Fahrschule
- Golftraining
- Virtuelle Meetings in der Geschäftswelt
- Virtuelle Führungen, durch Schlösser, Museen oder historische Gebäude
- Virtuelle Besichtigung von zu bauenden Gebäuden
- Virtuelle Reisen
- Pornobranche
- Spieleindustrie
Virtual Reality zuhause
Mit einem guten Smartphone und einer VR-Halterung kann heute schon jeder virtuelle Welten zuhause erleben. Google hat sogar eine Halterung aus Pappe namens Cardboard konzipiert, die man selbst basteln oder für ein paar Euro kaufen kann. Wer ein bisschen mehr investieren will, kauft sich ein "Head-Mounted-Display" – ein am Kopf befestigter kleiner Bildschirm.

Die meisten nutzen die Technik zur Unterhaltung. Schon mit der einfachen Handy-und-Pappgestell-Lösung kann man sich im Schloss Versailles umsehen, bei einem Konzert von Paul McCartney auf der Bühne stehen oder eine virtuelle Achterbahn hinunterjagen.
Immer mehr Computerspiele nutzen die neue Technik, um ihre Spieler noch mehr ins Spielgeschehen reinzuziehen. So vermittelt "Driveclub VR" das Gefühl selbst an einem Rennen teilzunehmen und das Menschenfresser-Gruselepos "Resident Evil 7" provoziert mit VR eine extradicke Gänsehaut.
Sexuelle Belästigung in VR
Das überwältigende Gefühl von Echtheit hat seinen Preis. In einem Gruselspiel lebensechten Monstern zu begegnen, kann empfindliche Menschen zu Tode erschrecken. Auch sexuelle Belästigung in der virtuellen Realität ist möglich und schon vorgekommen.

Und in der virtuellen Realität kann eine Frau oder ein Mann oder ein Kind zum Sexobjekt werden, ohne es auch nur zu merken. Der Gesetzgeber hält sich bei der Kontrolle von neuen Medien zurück. Selbst die Bewertung von Computer-Ballerspielen wird von einer Einrichtung der Hersteller organisiert.
Die virtuelle Realität als verlängerte Werkbank
Die virtuellen Realitäten sind nicht nur Spielereien, sie werden in der Arbeitswelt auch als Instrument eingesetzt. So können Berufsanfänger gerade erst Gelerntes zunächst virtuell ausprobieren, ohne Schaden anzurichten.
Technikern haben beide Hände zur Reparatur frei, wenn ihnen die VR-Brille die Brille den Bauplan oder andere Informationen über das kaputte Gerät legt. Firmen haben bereits heute eine Menge Verwendungen für virtuelle Realitäten. So können sich zum Beispiel Konstrukteure und Architekten ihren Gebäudeentwurf virtuell ansehen. Das bietet ganz andere Möglichkeiten als ein dreidimensionales Modell.
Auch in Fitness-Studios kommt die virtueller Realität schon zum Einsatz. Der Kunde legt sich zum Beispiel mit einer VR-Brille auf ein bewegliches Gestell und fliegt virtuell durch eine Berglandschaft. Er steuert, indem er das Gleichgewicht verlagert.
Wahrnehmung des eigenen Körpers
In der Medizin wird die VR-Brille zum Beispiel zum Training der Körperwahrnehmung genutzt. Das ist vor allem bei teilweise gelähmten Menschen wuichtig. Sie können die betroffenen Gliedmaßen nicht mehr spüren. Wenn Sie sie in der Virtual Reality allerdings sehen, nehmen sie sie wieder wahr. Psychologin Simone Mölbert forscht dazu am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen. Sie setzt den Patienten eine VR-Brille auf, die ihnen ein simuliertes Krankenzimmer und eine ebenfalls simulierte Version ihres Körpers zeigt. Am Computer kann Simone Mölbert den gelähmten Arm oder das gelähmte Bein dann kürzer oder länger machen. Der Patient gibt an, wann es ihm korrekt erscheint. So zeigt sich, ob er noch ein realistisches Bild davon hat.

Auch andere Forscher interessiert, wie Versuchspersonen sich in einem veränderten Körper wahrnehmen. In einem Experiment konnten sie zusehen, wie ihr Avatar abnahm, während sie Gewichte stemmten. Waren sie faul, nahm er zu. Das führte dazu, dass sie mehr trainierten. Ist es Manipulation, wenn man Menschen in eine künstliche Welt versetzt und damit ihr Verhalten in der realen ändert?
Manipulation durch VR
Der Mainzer Philosoph Michael Madary setzt sich mit dieser Problematik auseinander. Er schildert eine andere Studie, bei der sich diese Frage stellt: Versuchspersonen sahen in einer virtuellen Umgebung eine ältere Version von sich selbst. Nachdem sie die virtuelle Umgebung wieder verlassen hatten, waren sie bereit, mehr Geld für ihr Alter zurückzulegen. Das ist ein Beispiel dafür, wie eine Erfahrung in einer virtuellen Welt unser Verhalten beeinflusst, nachdem wir sie verlassen haben.
Doch darf man die Überzeugungen von Menschen mithilfe von virtuellen Erfahrungen verändern? Und was ist, wenn jemand in eine virtuelle Welt gebracht wird, ohne es zu bemerken. Das ist nicht so abwegig, wie es klingt. Es geschieht bereits:
In manchen Einrichtungen für demente Menschen gibt es ein nachgebautes Zugabteil. Es ist originalgetreu, nur dass das angebliche "Fenster" ein großer Bildschirm ist, auf dem eine Berglandschaft vorbeizieht. Das ist gut gemeint, als schöne Erfahrung für Menschen, die nicht mehr viele schöne Erfahrungen machen. Doch die Demenzkranken halten die Zugfahrt für echt. Darf man Menschen so in die Irre führen?