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Der Untergang der Britannic – Schwester der Titanic

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Peter Jaeggi
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Ulrike Barwanietz
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

1916, im Ersten Weltkrieg, sank die Britannic. Das Schwesterschiff der legendären Titanic lief in der Ägäis als schwimmendes Spital auf eine deutsche Seemine vor der kleinen griechischen Insel Kea. Faszinierende und teilweise fast unglaubliche Geschichten ranken sich um das Schiff und die Havarie.

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Es ist der 21. November 1916, ein Tag mit stahlblauem Himmel und ruhiger See. Die Britannic befindet sich auf ihrer sechsten Fahrt als schwimmendes Krankenhaus von Neapel zur griechischen Insel Limnos. Dort soll sie weitere verwundete britische Soldaten aufnehmen. Laut Aufzeichnungen des Kapitäns sind 1.065 Menschen an Bord. Darunter fast 400 Krankenschwestern und Ärzte.

So schildern überlebende Krankenschwestern 1976 in einem Dokumentarfilm des Meeresforschers Jacques-Yves Cousteau das Ende der Britannic vor der griechischen Insel Kea. Eingeläutet um 8 Uhr 12 von einer gewaltigen Explosion. Die Britannic passiert eben den etwa 15 Kilometer breiten Kea-Kanal.

In 55 Minuten ein ganzes Schiff verschluckt

Die Britannic sinkt über den Bug. Das gewaltige Heck hebt sich in die Luft. Dabei ragt der sieben Meter große Propeller aus dem Wasser. Er erzeugt eine gewaltige schäumende Gischt. Die ersten Rettungsboote werden zu Wasser gelassen. Der peitschende Propeller saugt sie regelrecht an. Die Stewardess Violet Jessop sitzt in einem der Boote. Sie hört, wie die Propeller das Holz eines Bootes zersplittern. Menschen schreien markerschütternd, entsetzt mit weit aufgerissenen Augen.

Am 21. November 1916 um 9 Uhr 7 versinkt die Britannic für immer im Kanal von Kea. Innerhalb von nur 55 Minuten nach der Explosion der Seemine. "Nur" dreißig der fast 1.100 Menschen an Bord sterben. Die meisten in den Rettungsbooten durch die Propeller. In einer Zeit, als Millionen Menschen im Krieg sterben, verschwindet die Britannic nicht nur unter der Meeresoberfläche, sondern auch aus dem Bewusstsein.

Zweiter Besuch unter Wasser

Die Titanic-Schwester bleibt rund 60 Jahre vergessen. Bis 1975 Jacques-Yves Cousteau mit seinem Forschungsschiff Calypso auftaucht. Auf der Suche nach der Britannic zieht die Calypso ein neuartiges Sonargerät hinter sich her und findet die Britannic in rund 120 Meter Tiefe. 1976, ein Jahr nach der Entdeckung des Schiffswracks, tauchen Cousteau’s Leute erstmals mit einem untertassenähnlichen Mini-U-Boot zur Britannic.

Ein zerbrochener Mast wird schemenhaft sichtbar. Dann die Silhouette des gewaltigen Schiffes. Fast 60 Jahre nach ihrem Untergang sehen menschliche Augen die Britannic erstmals wieder.

1996, 20 Jahre nach dem legendären Krankenschwester-Tauchgang, geht der Brite Simon Mills auf eine nicht ganz alltägliche Shoppingtour. Er kauft die Britannic. Wer zur Britannic tauchen will, braucht nicht nur eine Bewilligung von griechischen Behörden, sondern auch vom britischen Wrack-Besitzer Simon Mills. Am sichersten ist es mit einem U-Boot.

Die Orgel über Wasser

Ein anderer Schau- und Hörplatz: Das schweizerische Museum für Musikautomaten in Seewen, 15 Kilometer südlich von Basel. Denn der Erste Weltkrieg raubt der Britannic auch die ganz große, klingende Attraktion an Bord: die mächtige Philharmonie-Orgel der Firma Welte aus Freiburg im Breisgau. Sozusagen das Bord-Orchester.

Das riesige, sechs Meter hohe und acht Meter breite Instrument, sollte am unteren Ende der weit ausladenden Treppe am Eingang des Erstklass-Decks zu stehen kommen. Ein Instrument, das damals etwa so viel kostet wie ein kleines Einfamilienhaus. Doch sie wird eingelagert und kommt nie auf die Britannic.

Die Beweise, dass es wirklich die Britannic-Orgel ist, tauchen erst mit ihrer Restaurierung im Jahre 2007 auf, als man einschlägige Einstanzungen findet. Zur Orgel gehören auch mehr als 1.200 gelochte Mutterrollen, mit denen das Instrument einst zum mächtige Spiel gebracht werden konnte. Heute kann man sie endlich hören.

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