Dass Touristen nerven, ist nicht neu. Schon vor über 2000 Jahren klagte Seneca darüber, wie sehr der Badeort Baiae nahe Neapel durch betrunkene, umher torkelnde Ausflügler verunstaltet werde. Der Schriftsteller Stendhal wiederum befand 1826: "Florenz ist nichts Besseres als ein Museum voller Touristen."
Seit geraumer Zeit wird heutzutage auch der am "Authentischen" interessierte Individualtourist zum Problem. Die neuen Ferienunterkünfte wie sie über Online-Portale wie AirBnB oder Wimdu offeriert werden, bieten Wohnen tief im Herzen der Städte.
Like a local!
Nicht da, wo man die meisten Hotels findet, in den zentralen Sightseeing-Lagen, die von den Bewohnern höchstens auf dem Weg ins Büro gekreuzt werden. Wohnen bei echten Menschen im echten Viertel in echten Wohnungen, so die Botschaft.

Die Kulturgeografin Eva Riempp weist darauf hin, dass durch solche Zusatzeinnahmen gerade sozial schwächere Bewohner ihre Wohnungen in guten Stadtquartieren weiter halten können. Ein durchaus wünschenswerter Effekt.
Denn damit verhindern die Online-Mitwohnzentralen gerade jene innerstädtischen Prozesse, die kritisiert werden: Dass Alteingesessene durch Besserverdienende aus ihren Kiezen verdrängt werden, weil sich Miet- und Immobilienpreise verteuert haben.
Von der Luftmatratze zum globalen Monopol
Doch was dem Gründungsmythos von AirBnB zufolge mit zwei klammen Studenten angefangen hatte, die in ihrem Appartement in San Francisco selbst Luftmatratzen an Gäste vermieteten, hat sich innerhalb von gut zehn Jahren zum übermächtigen Übernachtungsimperium entwickelt. Mit Schattenseiten.
Ursprünglich war La Barceloneta ein sehr armes Viertel Barcelonas mit hoher Kriminalitätsrate, direkt am Meer mit einem langen Sandstrand gelegen. Noch heute wohnen dort eher die "einfachen Leute", obwohl das Viertel durch Sanierung und Renovierung aufgewertet wurde.
In La Barceloneta versammelten sich im vergangenen Jahr Anwohner am Stadtstrand und hinderten Touristen daran im Wasser zu baden. Sie trugen Transparente, auf denen stand "La Barceloneta no es ven" -Barceloneta steht nicht zum Verkauf - oder "Ahora quieren nuestras casas" – Jetzt wollen sie unsere Wohnungen - oder auch "We don’t want tourists in our buildings." - "Wir wollen keine Touristen in unseren Häusern."
Proteste gegen Vermittlungsportale
Proteste gibt es auch in Palma de Mallorca, in Venedig, in Dubrovnik. In Amsterdam hat sich eine Bürgerinitiative gegründet, die illegal vermieteten Wohnraum aufzuspüren versucht. Im Zentrum des Protests stehen immer wieder – AirBnB und andere kleinere Online-Vermittlungsportale.

Und damit auch – der Individualtourist, der sich doch eigentlich als Avantgarde der Reisenden empfindet. "Living like a local". Leben wie ein Einheimischer. Aber die Einheimischen wollen die wildfremden Menschen nicht, die plötzlich in ihren Wohnhäusern herumlaufen und sich schlimmstenfalls auch noch schlecht benehmen.
Vor allem aber klagen die Bewohner über die schleichende Veränderung ihrer Stadtquartiere. Dass alteingesessene Läden durch Bars und Restaurants verdrängt werden. Dass bezahlbarer Wohnraum immer knapper wird, weil die Immobilienpreise explodieren.
Zweckentfremdung von Stadtwohnungen
Schlagzeilen machen die Runde, dass Investoren ganze Häuser aufkaufen, um sie über AirBnB zu vermieten. Tourismusforscher sind sich einig darüber, dass die Zahl derer steigt, die Wohnungen eigens deshalb erwerben, um sie als Ferienwohnungen zu vermieten.
Etliche Städte reagieren mittlerweile auf diese Zweckentfremdung von Wohnraum. In Palma de Mallorca dürfen seit 1. Juli 2018 Privatwohnungen überhaupt nicht mehr an Touristen vermietet werden. Barcelona vergibt in der Altstadt keine neuen Lizenzen mehr für AirBnB – und auch nicht für Hotels. Amsterdam beschränkt die Vermietung von Zweitwohnungen zur Zeit auf 60 Tage im Jahr.
In Berlin müssen sich Gastgeber registrieren lassen. Zudem wird die Vermietung von ganzen Wohnungen auf 90 Tage im Jahr beschränkt. Tourismusexperte Prof. Andreas Kagermeier von der Uni Trier begrüßt solche Maßnahmen ausdrücklich. Doch die "Bösen" sind nicht nur die Online-Portale. Kagermeier und viele andere Städte- und Tourismusforscher machen auch eine verfehlte Politik verantwortlich für die Verknappung des Wohnraums.
Kontingente für Orte
Zudem sind es oft nicht nur die Touristen, die städtischen Wohnraum verknappen und verteuern. Oft befinden sich die Ferienwohnungen in angesagten Szene-Quartieren, in denen die Gentrifizierung, also die Aufwertung des Viertels, ohnehin im Gange ist.

Stadtforscher denken über eine bessere Lenkung der Touristenmassen durch Ticketkontingentierungen, Touristenabgaben und die Erhebung von – möglicherweise teuren – Eintrittsgebühren für markante städtische Bereiche nach.
Im Parque Güell, einem der bekanntesten Sehenswürdigkeiten in Barcelona wird bereits praktiziert, was auch für den Markusplatz in Venedig zur Diskussion steht: Der Zugang ist gebührenpflichtig, es werden nur 400 Besucher pro halbe Stunde zugelassen.
Am wirkungsvollsten wäre wohl der – nicht wirklich ernst gemeinte - Vorschlag des spanischen Tourismusforschers Antonio Paolo Russo. Wenn man nämlich die Städte und ihre Bewohner wirklich schützen wolle, müsse man die Touristen allesamt nach Benidorm und in ähnliche Urlauberhochburgen schicken. Dort könnten sie morgens ihre Handtücher über die Liegestühle breiten und – bis auf einen kurzen Altstadtausflug mit dem Shuttlebus – in der eigens für sie errichteten Infrastruktur bleiben.