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Todesurteil wegen Brandstiftung – DDR-Strafprozess gegen Walter Praedel 1961

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Maximilian Schönherr
Gábor Paál
Gábor Paál (Foto: SWR, Oliver Reuther)

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Walter Praedel war 50 Jahre alt, als er im Oktober 1961 eine Scheune im Dorf seiner Schwägerin anzündete. Niemand kam ums Leben. Im Dezember 1961 wurde ihm der Prozess gemacht. Im Januar 1962 starb er in Leipzig unter dem Fallbeil.

Foto von Walter Praedel Ende der 1920er-Jahre, aus der MfS-Akte (Foto: Maximilian Schönherr)
Foto von Walter Praedel Ende der 1920er-Jahre, aus der MfS-Akte

Walter Praedel war ein einfacher Mann. Er arbeitete bei der Feuerwehr, als Wald- und Erntearbeiter und zuletzt als Ofenbauer beim VEB Schamottewerk in Bad Freienwalde/Oder. Seine Kollegen und Verwandten mochten ihn. Vor dem Bau der Berliner Mauer reiste er ab und zu aus dem Osten der DDR nach Westberlin, besuchte Verwandte und nahm einige Male an Treffen der Pommerschen Landsmannschaft teil, einer erzkonservativen Vereinigung, die die Grenzen von 1945 wieder herstellen wollte. Hier entstand sein Vorbehalt gegen die DDR. Weiter trug dazu bei, dass er regelmäßig spätnachmittags den Westberliner Rundfunksender RIAS hörte. Als das Stalldach seiner Schwägerin trotz mehrerer Versprechen von der LPG nicht repariert wurde, schlug Praedels Aversion in Hass um.

Vorwurf: Ex-Wehrmachtssoldat, der West-Radio und Willy-Brandt-Rede hört

Am 16. August 1961 hörte Praedel, wie viele DDR-Bürger, die Rede des Berliner Bürgermeisters und späteren Bundeskanzlers Willy Brandt zum Mauerbau: „Wir wissen, welcher Hass, welche Bitterkeit, welche Verzweiflung heute und in diesen Tagen in ihren Herzen wohnt. Wir wissen, dass nur die Panzer sie zurückhalten, ihrer Empörung freien Lauf zu lassen!“

Ab da wollte Walter Praedel die DDR schädigen, und er suchte sich dafür einen Tag mit günstigem Wind und ohne Zeugen aus, den 12. Jahrestag der DDR am 7. Oktober 1961. Zwei Scheunen mit Heu brannten nieder, bevor die Feuerwehr anrückte und die beiden Viehställe vor dem Überschlagen der Flammen schützte. Praedels Alibi, er sei auf der Toilette gewesen, war schnell widerlegt. Er kam noch am selben Tag in U-Haft.

Im Zentrum des Strafprozesses am 20. Dezember 1961 im Bezirksgericht Frankfurt/Oder stand etwas ganz anderes: Praedel hatte als Soldat der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg an einem Erschießungskommando gegen sowjetische Zivilisten teilgenommen. Dafür war er von einem Sowjet-Gericht zu Zwangsarbeit verurteilt, 1955 jedoch begnadigt worden. Der Umstand, dass er dennoch einen Hass auf die Sowjetunion und die DDR entwickelte, führte für Richter Walter Ziegler zur Diversion, also der schweren Schädigung der DDR.

Todesurteil nach einem Verhandlungstag

Abgesegnet von der Justizministerin Hilde Benjamin und vom Minister für Staatssicherheit Erich Mielke erging nach einem Verhandlungstag das Todesurteil.

Das SWR2 Archivradio präsentiert den Prozessmitschnitt ungekürzt.

Prozess gegen Walter Praedel: Originalaufnahmen

20.12.1961 DDR-Strafprozess gegen Walter Praedel 1961 (1/4)

20.12.1961 | 1/4 | Walter Praedel war 50 Jahre alt, als er im Oktober 1961 eine Scheune im Dorf seiner Schwägerin anzündete. Niemand kam ums Leben. Am 20. Dezember 1961 wurde ihm der Prozess gemacht. Im Januar 1962 starb er in Leipzig unter dem Fallbeil.

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