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Die Szene der "Klimaleugner"

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Lena Puttfarcken
Lena Puttfarcken (Foto: Lena Puttfarcken / privat)
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Gábor Paál
Gábor Paál (Foto: SWR, Oliver Reuther)

Die Leugner der Klimakrise sind gut organisiert. Donald Trump hört auf sie, die AfD ebenfalls. Doch wer steckt wirklich dahinter?

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Kaum eine Frage beantwortet die Wissenschaft so eindeutig mit Ja wie die nach dem menschengemachten Klimawandel.

Unsicherheit wird nur durch sogenannte „Klimaskeptiker“ gestreut, die sich als besorgte Wahrheitssucher inszenieren. Tatsächlich sind sie in Deutschland gut organisiert. Und sie nehmen Einfluss auf Politik und Wirtschaft – über wirtschaftsliberale Verbände oder in öffentlichen Anhörungen, bei denen sie in Landtagen und im Bundestag sprechen.

Klimaleugner, Klimawandelleugner, Klimaforschungsleugner?

Vorweg: Es ist gar nicht leicht, einen passenden Begriff für die Ideologie zu finden.

Meist – auch im Titel dieser Sendung – werden ihre Vertreter als Klimaleugner bezeichnet, auch wenn der Begriff wörtlich genommen nicht stimmt. Niemand bestreitet ja, dass es "ein Klima gibt". Also lieber "Klimawandelleugner"? Auch das trifft es nicht ganz. Zwar haben die Akteure früher bestritten, dass sich das Klima derzeit überhaupt wandelt. Inzwischen sind sie dazu übergegangen, lediglich den menschlichen Anteil in Abrede zu stellen.

Klimaaktivistin Greta Thunberg (Foto: Reuters, Reuters)
Hassfigur der Szene: Greta Thunberg schrieb zu Halloween auf Instagram, für Klimaleugner müsse sie sich gar nicht verkleiden, um erschreckend zu wirken.

"Leugner eines menschlichen Anteils am aktuellen Klimawandel" wäre die korrekte Bezeichnung. Aber das ist sehr sperrig.

Im internationalen Diskurs hat sich inzwischen der Begriff „Climate Science Deniers“ durchgesetzt – eben: Klimaforschungsleugner. Auch hier lässt sich einwenden, dass ja niemand bestreitet, dass das Klima wissenschaftlich erforscht wird. Aber dazu gehört eben auch, dass diese Klimaforschung wissenschaftlich anerkannte Ergebnisse liefert. Wer den wissenschaftlichen Konsens über den menschengemachten Klimawandel dagegen in Abrede stellt, spricht der Klimaforschung somit ihre Wissenschaftlichkeit ab – und leugnet sie in diesem Sinne eben doch. Wir verwenden in der Sendung deshalb die Begriffe "Klimaleugner" und "Klimaforschungsleugner" synonym.

Wer sind die wichtigsten Akteure?

AfD und WerteUnion

"Das Klima wandelt sich, solange die Erde existiert", steht im Grundsatzprogramm der AfD. Soll heißen: Der aktuelle Klimawandel sei etwas Natürliches, nichts Außergewöhnliches – eine Behauptung, der die Klimaforschung widerspricht.

Von allen rechtspopulistisch bis rechtsextremen Parteien in Europa hat sich die AfD in diesem Punkt ungewöhnlich stark gegen Klimaschutz positioniert. Zu diesem Ergebnis kommt Aexander Carius vom Berliner Beratungsinstitut adelphi, das die Programme rechtspopulistischer Parteien in Europa verglichen hat. Die meisten interessieren sich demnach nicht besonders für Klimaschutz, einige streiten den menschengemachten Klimawandel komplett ab. "Im Vergleich aller rechtspopulistischer Parteien in Europa ist die AfD schon die radikalste Partei wenn es darum geht, den menschengemachten Klimawandel überhaupt in Zweifel zu ziehen und sich sehr systematisch gegen klimapolitische Maßnahmen zu wenden.“

Tatsächlich heißt es im Grundsatzprogramm der AfD auch: "Die Wahrnehmung des CO2 nur als Schadstoff werden wir beenden und alle Alleingänge Deutschlands zum Reduzieren der CO2-Emissionen unterlassen."

Auch die sogenannte WerteUnion, die sich als Anwalt des konservativen Markenkerns innerhalb von CDU/CSU versteht, sieht in ihrem "Klimamanifest 2020" die Sonne, nicht den Menschen als Ursache des Klimawandels – eine These, die längst als widerlegt gilt.

Zuletzt gab es allerdings auch innerhalb der AfD kritische Stimmen zum bestehenden Kurs.

Warum positioniert sich die AfD gegen Klimaschutz?

Wissenschaftliche Erkenntnisse kennen keine Parteipolitik. Deshalb liegt die Frage nahe, warum die AfD als Partei sich so radikal gegen die Erkenntnisse der Forschung positioniert und lediglich Außenseiter-Positionen zur Kenntnis nimmt.

"Die AfD kann sich dadurch profilieren, nachdem das Thema Flüchtlinge nicht mehr zur Profilierung so ohne Weiteres dient", meint der Politikwissenschaftler Achim Brunnengräber von der FU Berlin. Er beruft sich auf partei-interne Strategiediskussionen, die darauf hinauslaufen, dieses Thema – nach Euro-Kritik und Migration – als drittes Alleinstellungsmerkmal zu nutzen.

Doch warum fällt diese Strategie bei einem Teil der Bevölkerung auf fruchtbaren Boden? Weil sie Argumente liefert, sich gegen einen Umbau der Wirtschaft, und damit auch des eigenen Konsumverhaltens zu stellen, meint der australische Psychologe Stephan Lewandowsky von der Universität Bristol.

Diese Leute machen sich Sorgen, wie sich Klimaschutz auf die Wirtschaft auswirkt. Sie machen sich Sorgen über Steuern, über den Kohlepreis. Ein Ausweg ist: einfach zu behaupten, dass die Klimawissenschaftler Teil einer Verschwörung sind.

Doch die AfD hat das Klimaleugnertum nicht erfunden.

Ein Wahlplakat der AfD zur Europawahl hängt an einer Laterne und unterstützt den Diesel (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance/dpa-Zentralbild)
Die AfD kämpft im Europawahlkampf für den Diesel

EIKE

Der bekannteste Klimaleugner-Organisation in Deutschland ist EIKE. EIKE steht für Europäisches Institut für Klima und Energie. Ein wissenschaftliches Institut ist es aber nicht. Niemand forscht dort, es gibt kein Institutsgebäude, das "Institut" ist formal ein Verein mit einer Internetseite und einem Briefkasten in Jena. Dort lebt auch der Vorsitzende, Holger Thuß. Thuß ist Verleger und war mal CDU-Kommununalpolitiker.

Was die Internet-Seite von EIKE auch verrät: EIKE finanziert sich ausschließlich über private Spenden. Was EIKE nicht verrät: Wer die Spender sind. Bekannt ist aber, dass EIKE-Chef Thuß 2004 auch die europäische Tochter der US-Lobby-Organisation CFACT gegründet hat, die wiederum jahrelang vom US-Öl-Konzern Exxon unterstützt wurde. CFACT und EIKE hatten jahrelang dieselbe Postfachadresse. Auf der Internetseite von EIKE wird ein sogenannter Fachbeirat erwähnt, bestehend aus einer Reihe von Akademikern, von denen die allermeisten im Ruhestand und keine ausgewiesenen Klimatologen sind.

Gegründet wurde EIKE 2007, also viele Jahre vor der AfD. EIKE-Mitglieder verbreiten ihre Behauptungen auf Vorträgen und immer wieder auch vor dem Bundestag und in Landesparlamenten. EIKE und die AfD stehen heute in einem engen Austausch. Der Vizepräsident von EIKE, Michael Limburg, ist AfD-Mitglied und hat die Partei bei ihrem Programm beraten.

Das Heartland-Institut

In den USA ist die Klimaleugner-Lobby mächtiger. Eine wichtige Adresse dort ist das Heartland Institute. Es unterstützte US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf und erhält Industrie-Spenden in Millionenhöhe, um Zweifel gegen wissenschaftliche Erkenntnisse zu säen.

Dieses Heartland Institute hat EIKE geholfen, den Klimawandel auch in Deutschland anzuzweifeln. Das hat der Rechercheverbund Correctiv gemeinsam mit dem ZDF im Februar 2020 aufgedeckt.

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