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Finnland – Das Bildungs-Musterland?

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AUTOR/IN
Hans W. Giessen
ONLINEFASSUNG
Ralf Caspary
Susanne Paluch

Bei der neuen PISA-Studie landete Finnland wieder ganz vorne. Etwas schwächer zwar als die Jahre zuvor, aber immer noch auf sehr hohem Niveau. Warum ist das finnische Schulsystem so erfolgreich? Der Medienwissenschaftler und Kenner des finnischen Schulsystems Hans W. Giessen gibt Antworten.

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Wenig soziale Unterschiede

Die Konzeption des finnischen Bildungssystems hatte nicht zum Ziel, „Bildungs-Musterknabe“ zu werden, sondern das Schulsystem wollte soziale Unterschiede unter den Schüler*innen reduzieren – wie es den finnischen nationalen Werten entspricht.

Mögliche Qualitätseinbußen wurden dabei in Kauf genommen, eingetreten sind sie aber nicht. Denn gerade die nationalen Werte sind es, die finnische Schüler so ernsthaft lernen lassen.

In Finnland soll beim Lernen der Mensch im Mittelpunkt stehen. (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa -)
In Finnland soll beim Lernen der Mensch im Mittelpunkt stehen.

"Sisu" und das finnische Wertesystem

Wie könnte man das finnische Wertesystem beschreiben?

Die Finnen selbst haben dafür ein eigenes Wort, das als unübersetzbar gilt: "Sisu". "Sisu" ist eine angeblich nur den Finnen eigene mentale Eigenschaft. Üblicherweise ist ein Bündel von Werten damit gemeint, beispielsweise "Ausdauer" oder "Beharrlichkeit". Als kulturelles Konzept ist "Sisu" identitätsstiftend.

Mit dem Begriff "Sisu" wird das Bestehen angesichts einer schwierigen Geschichte erklärt, beispielsweise der Erfolg der Finnen gegen Stalins Sowjetarmee im Winterkrieg.

Der Begriff greift aber auch im Sport, beispielsweise beim Nationalsport, dem Eishockey.

Finnische und schwedische U18-Eishockey-Spieler (Foto: IMAGO, Copyright: JOSEFINExLOFTENIUS)
Finnische und schwedische U18-Eishockey-Spieler

Besonderheiten des finnischen Systems

Das finnische Schulsystem sieht gemeinsames Lernen von Klasse 1 bis 9 ohne äußere Leistungsdifferenzierung vor. Dem geht eine gute vorschulische Bildung in kleinen Gruppen voraus.

Erzieher sind akademisch ausgebildet, und beide Berufe – sowohl der des Erziehers als auch der des Lehrers – genießen hohes Sozialprestige. In der Konsequenz werden sie von den besten Studierenden ergriffen.

Lehrer und Schulen agieren weitestgehend selbstständig. Sie verantworten selbst, welche Lehr-Methoden und Lehr-Mittel sie anwenden.

Der Unterricht muss aber garantieren, dass zentralstaatlich festgelegte Inhalte erfolgreich vermittelt werden können.

Weitere Besonderheit im finnischen Schulsystem: Lehrer arbeiten in Teams mit allgemeinen Pädagogen, Sonderpädagogen, Sozialarbeitern, Psychologen und Schulassistenten. Das heißt: Schüler*innen werden optimal bei ihren Lernschritten unterstützt und gefördert.

Englisch-Unterricht in Finnland (Foto: IMAGO, imago 54340974)
Englisch-Unterricht in einer Schule im finnischen Turku

Fast zwangsläufig hat sich aus diesen Rahmenbedingungen eine Kultur eigenverantwortlichen, individualisierten und durchaus erfolgreichen Lernens entwickelt.

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