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Sicherheitsdienste – Das Geschäft mit der Angst

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Gerhard Klas

Mehr als 260.000 Beschäftigte zählt die Sicherheitsbranche in Deutschland: Das Geschäft boomt. Aber Beschäftigte klagen über niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen.

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Die Sicherheitsbranche wächst ständig – unter anderem durch die Übernahme ehemaliger öffentlicher Aufgaben. Dazu gehören etwa weite Teile der Luftsicherheit und der Schutz militärischer Liegenschaften. Die meist uniformierten Mitarbeiter sichern Großveranstaltungen, Konzerte, Fußballspiele oder Dorffeste. Man sieht sie im öffentlichen Verkehr, an Bahnhöfen, Flughäfen, in Krankenhäusern, Jobcentern, Ämtern, Flüchtlingsheimen und als Türsteher. Kaum nach außen sichtbar verrichten sie ihre Arbeit außerdem als Kaufhausdetektive und beim Objektschutz – dazu gehören sogar Atomkraftwerke und militärische Einrichtungen.

Rechte Schläger, Granaten und Konkurrenzkampf in der Sicherheitsbranche

Spätestens mit dem Prozessauftakt gegen mehrere Sicherheitskräfte in Burbach im November 2018 hat der Bundesverband der Deutschen Sicherheitswirtschaft BDSW, der größte Arbeitgeberverband der Branche, ein Imageproblem. In dem betreffenden Fall entpuppten sich Sicherheitskräfte, die eigentlich die Bewohner der Aufnahmeeinrichtung Burbach vor Angriffen schützen sollten, als rechte Schläger und Sadisten. Die abschließenden Urteile stehen noch aus.

Auch in anderen Aufnahmeeinrichtungen und Unterkünften kam es zu Gewalttätigkeiten. In einer kalten Januarnacht landete 2016 sogar eine Handgranate vor einem bewohnten Flüchtlingsheim in Villingen-Schwenningen. Kein fremdenfeindlicher Anschlag wie zuerst befürchtet wurde, sondern ein besonders drastischer Fall von Konkurrenzkampf unter Sicherheitsfirmen.

Mindestvoraussetzung: 40 Stunden Unterricht

Zahlreiche Subunternehmer und fragwürdige Geschäftsmethoden kennzeichnen die Branche. Und die Mindestvoraussetzungen für die Ausbildung sind äußerst bescheiden. Jeder Beschäftigte, jede Beschäftigte muss ein sogenanntes Unterrichtungsverfahren von 40 Stunden durchlaufen, den sogenannten "Sitzschein".

Ein Mitarbeiter eines Sicherheitsdiensts bewacht ein Gebäude (Symbolbild) (Foto: dpa Bildfunk, SWR, Jan Woitas / picture alliance / dpa)
Beschäftigte müssen ein Unterrichtungsverfahren von 40 Stunden durchlaufen, den sogenannten "Sitzschein" (Symbolbild)

Tarifverträge werden in der Sicherheitsbranche nicht eingehalten

Andreas Rech ist Gewerkschafts-Sekretär bei Verdi, zuständig für die allgemeinen Wach- und Sicherheitsdienste in NRW. Er hat selbst viele Jahre in der Sicherheitsbranche gearbeitet, unter anderem am Flughafen Düsseldorf. Um mehr Betroffene zu erreichen hat Andreas Rech 2014 das Netzwerk Wach- und Sicherheitsdienste NRW, kurz WASI, aufgebaut. Die Zugriffszahlen auf die Seite sprengen inzwischen die Millionengrenze. Vertraulichkeit wird großgeschrieben.

Die Arbeitsbedingungen sind hart: Oft auf Abruf, häufig ist permanente Rufbereitschaft gefordert. Gewerkschafter Rech erzählt von Fällen, in denen 320 Stunden im Monat gearbeitet wurde. In den meisten Bundesländern gelten allgemeinverbindliche Tarifverträge für die Sicherheitsbranche, auch in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Aber das bedeutet nicht, das sie auch immer und überall eingehalten werden.

Gewerkschaftliches Engagement unter Firmen-Beobachtung

Zu einem der offenen Treffen im Gewerkschaftshaus in Essen lädt Verdi ein, um ganz konkret über die Möglichkeiten von Betriebsratsgründungen bei Stölting Security zu informieren.

Gelsenkirchen, Firmensitz von Stölting, leidet unter Arbeitslosigkeit wie kaum eine andere Stadt im Ruhrgebiet. Arbeitsplätze sind dort eine harte Währung. Seniorchef Hans Mosbacher ist stolz auf das jährlich zweistellige Wachstum. Es resultiere vor allem aus einem „aggressiven Vertrieb“, so Mosbacher. Mitarbeiter jedoch klagen über problematische Arbeitsbedingungen im Unternehmen.

Angestellte bei einer Security-Firma (Foto: SWR)
Der Arbeitgeberverband BDSW möchte ein faktisches Streikverbot für verschiedene Sektoren der Sicherheitsbranche durchsetzen.

Mit einem Betriebsrat könnten die Interessen der Beschäftigten besser geschützt werden. Obwohl mehrere hundert interessierte Rückmeldungen über die Wasi-Internetseite gekommen sind, erscheinen nur knapp zehn Mitarbeiter.

Andreas Rech eröffnet das Treffen. Die anfänglich gute Stimmung schwindet, je länger das Treffen dauert. Wie sich herausstellt, sind drei Stölting-Mitarbeiter gekommen, die nicht Mitglied der Gewerkschaft sind, zwei sind sogar aus der Hauptverwaltung in Gelsenkirchen, gehören zum Management des Unternehmens. Sie wollen offensichtlich beobachten, wer sich hier blicken lässt und was besprochen wird.

Unternehmen verhindert Betriebsratsgründungen

Der nächste Schritt, daran lässt der Gewerkschaftssekretär an diesem Abend dennoch keinen Zweifel, steht fest: Sie wollen bei Stölting Security Betriebsräte gründen. Aber Stölting will nicht kooperieren, um dieses gesetzlich zugesicherte Recht umzusetzen. Mehrere Mitarbeiter, die für gewerkschaftliche Aktivitäten im Betrieb geworben hätten, seien mittlerweile fristlos gekündigt worden, so Rech.

Gesetzgeber plant Regelungen

Auch der Gesetzgeber hat erkannt, dass die Sicherheitsbranche mehr Aufmerksamkeit von Seiten des Staates braucht: Seit 2019 wird ein Bewacherregister aufgebaut, um Beschäftigte der Branche zu erfassen.

Auch ein Sicherheitsdienstleistungsgesetz ist in Vorbereitung. Es soll eigentlich laut Koalitionsvertrag noch vor der Bundestagswahl verabschiedet werden. Doch ob sich dadurch die Situation grundsätzlich verbessert, ist damit noch nicht gesagt.

Der Arbeitgeberverband BDSW will darin ein faktisches Streikverbot für verschiedene Sektoren der Sicherheitsbranche durchsetzen. Das würde der Arbeitgeberwillkür weiteren Spielraum geben, befürchtet Andreas Rech. Der Gewerkschaftssekretär würde am liebsten die in der Branche üblichen sachgrundlosen Befristungen der Arbeitsverhältnisse abschaffen und härtere Sanktionen gegen Arbeitgeber einführen, die Betriebsratsgründungen verhindern. Ein eigener Sicherheitsdienst für die Sicherheitsbranche ist also gefragt.

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