Studieninhalte
Die Wirtschaftswissenschaft ist in den vergangenen Jahrzehnten zur einflussreichsten Sozialwissenschaft überhaupt geworden. Denn ökonomische Zusammenhänge sind für viele Lebensbereiche zentral:
- Warum machen manche Unternehmen hohe Gewinne, während andere Bankrott gehen?
- Wieso verdienen einige Manager jedes Jahr Millionenbeträge, während andere Arbeitnehmer von ihrem Lohn kaum leben können?
- Warum sind manche Volkswirtschaften insgesamt wohlhabend, während andere seit Jahrzehnten in der Armutsfalle stecken?
- Sollte der Staat die Steuern für Reiche und Unternehmen erhöhen und mehr Investitionen in Bildung und Infrastruktur tätigen?
- Sollte ein Unternehmen seine Produktion ins Ausland verlagern, wenn die Steuern erhöht und staatliche Regulierungen wie Kündigungsschutz oder Mindestlöhne verschärft werden?
Mit diesen und vielen anderen Fragen beschäftigen sich die Wirtschaftswissenschaften.

Wirtschaftswissenschaften in der Krise?
Obwohl die Finanzkrise die schwerste Erschütterung der Weltwirtschaft seit dem Zweiten Weltkrieg mit sich brachte, war sie von kaum einem Ökonomen oder einer Ökonomin vorhergesehen worden. Viele Beobachter sprechen sogar von einer "Krise der Wirtschaftswissenschaften", weil diese bisher keine effektiven Konzepte zur Lösung einer Reihe von drängenden Problemen formulieren konnten. Hierzu gehören neben den sich häufenden Finanzkrisen auch die Zunahme der Einkommens- und Vermögensungleichheit in vielen Ländern und die ökologische Krise.

Neue Denkansätze gesucht!
Allerdings sollte man aus dieser "Krise der Wirtschaftswissenschaften" nicht den Schluss ziehen, dass sich ein Studium er Ökonomie nicht lohnt. Im Gegenteil: Talentierte junge Menschen mit innovativen ökonomischen Denkansätzen werden dringend benötigt, um die großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit in den Griff zu bekommen.
Betriebswirtschaftslehre (BWL) ...?
Abiturienten, die sich für die Ökonomie interessieren, sollten zunächst die beiden klassischen Studiengänge BWL und VWL in Betracht ziehen. Sie werden an den meisten wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten angeboten.
Betriebswirtschaftslehre heißt im Englischen auch "business administration", es geht also um die Gestaltung von Prozessen innerhalb von Unternehmen. Ein Studium der BWL bietet sich für alle an, die später in einem Unternehmen arbeiten oder sich selbstständig machen möchten. Im BWL-Studium geht es z.B. um die folgenden Fragen:
- Wie kann ein Unternehmen seine Kosten und seine Preise so gestalten, dass es möglichst hohe Gewinne erzielt?
- Welche Steuern muss ein Unternehmen zahlen?
- Wie kann ein Unternehmen seine Investitionen über Kredite von Banken oder über andere Wege finanzieren?
- Wie können die Produkte eines Unternehmens durch erfolgreiches Marketing beworben werden?
- Wie kann das Management die Entscheidungsstrukturen innerhalb eines Unternehmens optimal gestalten?
- Wie kann ein Unternehmen seiner sozialen Verantwortung für Mitarbeiter und Umwelt gerecht werden, bzw. wie können demokratische Strukturen in Unternehmen gestärkt werden?

... oder lieber Volkswirtschaftslehre (VWL)?
In der Volkswirtschaftslehre (Englisch: economics) geht es weniger um einzelne Unternehmen, sondern um die Wirtschaft als Ganzes. Es gilt, die Funktionsweise der Wirtschaft zu verstehen und Handlungsempfehlungen für die Wirtschaftspolitik zu formulieren:
- Warum kommt es immer wieder zu Wirtschafts- und Finanzkrisen? Sollte die Europäische Zentralbank die Zinsen senken oder erhöhen?
- Sollten die Staaten ihre Ausgaben senken mit dem Ziel, die Staatsverschuldung zu reduzieren? Oder sollten sie im Gegenteil mit höheren Ausgaben versuchen, die Arbeitslosigkeit zu senken?
- Ist es gesamtgesellschaftlich sinnvoll, andere Staaten für die Bewahrung ihrer natürlichen Ressourcen (wie z.B. Urwälder) finanziell zu entschädigen?
- Zerstört ein Mindestlohn Arbeitsplätze, weil die Unternehmen gering qualifizierte Arbeitnehmer entlassen werden, wenn sie durch den Mindestlohn zu teuer werden? Oder ist ein Mindestlohn hilfreich, um die Ungleichheit der Einkommen zu reduzieren und die Kaufkraft der Arbeitnehmer zu stärken, was wiederum den Unternehmen zu Gute kommt, deren Produkte die Arbeitnehmer kaufen sollen?
Begabungen und Interessen
- großes Interesse an Mathematik und Statistik
- Interesse an weiteren Sozialwissenschaftlichen, aber auch philosophischen, historischen und naturwissenschaftlichen Fächern

Der Ökonom John Maynard Keynes beschrieb den idealen Ökonomen so:
Ehrlicherweise muss man aber sagen, dass die Realität in vielen BWL- und VWL-Studiengängen heutzutage weniger vielseitig und ganzheitlich aussieht. Selbst in der Forschung sehen viele wirtschaftswissenschaftliche Arbeiten eher aus wie Beiträge zur angewandten Mathematik als zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung.
Wer aber die Augen offen hält, kann Studienangebote finden, in denen nicht nur gerechnet wird, sondern wirtschaftswissenschaftliche Inhalte mit anderen Fächern wie Soziologie und Politikwissenschaften, Philosophie und Geschichte, oder auch Psychologie und Biologie kombiniert werden. Denn auch außerhalb der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten beschäftigen sich viele Wissenschaftler auf sehr anregende Weise mit ökonomischen Fragestellungen.
Im Bereich der VWL gibt es mittlerweile an einigen Universitäten die Möglichkeit, volkswirtschaftliche Inhalte mit anderen sozial- oder geisteswissenschaftlichen Fächern wie Politikwissenschaften oder Philosophie zu kombinieren und dafür geringere BWL-Anteile als in einem klassischen VWL-Studium in Kauf zu nehmen. Solche Studiengänge heißen beispielsweise "Politik und Wirtschaft", "Wirtschaft und Philosophie", "Politische Ökonomik" oder "Sozialökonomie". An vielen Universitäten gibt es auch interdisziplinäre Studiengänge "Sozialwissenschaften", entweder als klassische Bachelor- und Master-Studiengänge oder als Teil von Lehramtsstudiengängen.
Es ist wichtig, sich vor der Entscheidung für einen Studiengang zu informieren, welche Schwerpunkte am jeweiligen Studienort angeboten werden.
Kritik am Fach und Reformbewegungen
Seit 2007 haben die internationalen Finanzkrisen in vielen Ländern dramatische gesellschaftliche Konsequenzen wie die Zunahme von Armut oder den wachsenden Zulauf für extremistische politische Parteien zur Folge. Und immer mehr Studierende kritisieren, dass sie im Studium der VWL zu wenig über die gesellschaftliche Relevanz von volkswirtschaftlichen Zusammenhängen lernen.

Weiteren Anlass zur Kritik gibt, dass das wirtschaftswissenschaftliche Studium häufig weltanschaulich einseitig ausgerichtet ist und vor allem marktliberale Sichtweisen gelehrt werden.
Vor diesem Hintergrund hat sich in den letzten Jahren eine Bewegung etabliert, die sich für mehr Ideenvielfalt in den Wirtschaftswissenschaften und mehr Austausch mit anderen Sozialwissenschaften einsetzt. Nicht nur Studierende tragen diese Forderungen, sondern zunehmend auch Ökonomie-Nobelpreisträger und renommierte internationale Organisationen wie der Internationale Währungsfonds (IWF), die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) oder das privat finanzierte Institute for New Economic Thinking (INET).
Weitere Informationen über die Studierendenbewegung in Deutschland gibt es auf der Webseite des Netzwerks Plurale Ökonomik.
Mehr zum Themenbereich "Neues ökonomisches Denken" erfährt man beim Forschungsinstitut für gesellschaftliche Weiterentwicklung.