SWR2 Wissen

Singles – Braucht der Mensch einen Partner?

Stand
AUTOR/IN
Johanne Burkhardt
Johanne Burkhardt  (Foto: Johanne Burkhardt )
ONLINEFASSUNG
Ulrike Barwanietz
Candy Sauer

Besonders Single-Frauen begegnen vielen Vorurteilen. Dabei sind viele zufrieden mit ihrem Single-Leben. Viele Menschen können gut alleine leben – feste Kontakte braucht es aber.

Audio herunterladen (26,4 MB | MP3)

In fast jedem zweiten Haushalt in Deutschland wohnt eine Person allein. Manche sind bewusst Single, für andere ist es ein Zustand auf Zeit. Doch Singles begegnen in der Öffentlichkeit immer wieder Vorurteilen. Denn andere schätzen Singles als weniger glücklich und zufrieden ein als die Singles sich selbst fühlen – laut einer Studie des Sozialpsychologen Tobias Greitemeyer von der Universität Salzburg.

Auf vielen Single-Frauen lastet die Erwartung, einen Partner zu finden

Die Journalistin Katja Kullmann hat in ihrem Buch "Die Singuläre Frau" mit diesen Stereotypen und mit der Single-Industrie abgerechnet. Im Gespräch mit SWR2 Tandem formuliert sie es so:

"Es gibt X Möglichkeiten, Dating-Apps, Speeddating, alles Mögliche, einen Partner oder Partnerin zu suchen, aber doch sehr viele Leute, die diese Suche gar nicht betreiben, sondern sich anders eingerichtet haben. Mit ausufernden Freundes- und Bekanntenkreisen, indem sie sich in ihrer Nachbarschaft anders einbringen. Indem sie andere Zwischenmenschlichkeiten genießen jenseits der romantischen Zweisamkeit."

Single-Frauen mit Kinderwunsch verspüren dennoch häufig den Druck, einen Partner zu finden, laut Lisa Fischbach, Psychologin und Forschungsleiterin bei der Online-Partnerbörse ElitePartner. Gerade im Alter zwischen 30 und 39 leiden Single-Frauen mit am stärksten am Alleinsein, laut Fischbach. Auch bei Männern ist laut Fischbach die Single-Zufriedenheit zwischen 30 und 50 niedriger.

Die Hälfte der Singles ist laut Studie zufrieden

Doch die Ergebnisse von Fischbachs Studie zeichnen auch ein weiteres Bild: Denn insgesamt ist zwar eine Hälfte eher unzufrieden mit dem Single-Sein, die andere aber ist zufrieden.

In wissenschaftlichen Studien über Singles wird oft nur das untersucht, was den Singles vermeintlich fehlt, aber nicht das, was sie auch so haben (Foto: IMAGO, IMAGO / YAY Images)
In wissenschaftlichen Studien über Singles wird oft nur das untersucht, was den Singles vermeintlich fehlt, aber nicht das, was sie auch so haben

Dass Lisa Fischbach in ihrer Forschung auch auf die positiven Seiten des Single-Seins blickt, ist eher die Ausnahme. Denn auch in der Wissenschaft schlägt sich der defizitäre Blick auf Singles nieder. Bis heute hat sich daran kaum etwas verändert: Untersucht wird oft nur das, was den Singles fehlt, aber nicht das, was sie auch unabhängig von einer Partnerschaft an Beziehungen haben.

Singles investieren in Freundschaften und Bekanntschaften

Um zufrieden als Single zu leben, muss in andere tiefe Beziehungen investiert werden. Frauen fällt das in der Regel leichter, beobachtet Psychologin Lisa Fischbach. Doch nicht etwa, weil Frauen eine natürliche Begabung dafür haben, betont der Soziologe Stefan Hradil. Vielmehr haben sie das Sich-Kümmern gelernt. Das zeigt sich auch im Arbeitsleben, so werden etwa Care-Berufe häufiger von Frauen ausgeübt.

Natürlich gilt das nicht für alle. So hat die US-Psychologin Bella DePaulo in einer Studie gezeigt, dass Singles unabhängig vom Geschlecht generell weitere Freundes- und Bekanntenkreise haben. Denn tiefe Bindungen sind für jeden Menschen wichtig. Und sie sind auch außerhalb von romantischen Beziehungen möglich: In der Familie, zwischen guten Freunden oder vertrauten Kolleginnen. Außerdem seien Menschen mit Partner nach der ersten euphorischen Verliebtheitsphase meist genauso glücklich, wie sie es bereits als Single waren – laut der Studie von Bella DePaulo.

Pandemie verändert unsere Beziehungen

Das Leben zeigt mittlerweile längst: Menschen übernehmen auch außerhalb von Ehe und Partnerschaft Verantwortung füreinander. In der Corona-Pandemie wurde das besonders deutlich: Nachbarn, die füreinander einkaufen gehen. Freundinnen, die sich die Kinderbetreuung teilen.

Die Pandemie hat unsere Beziehungen untereinander verändert und erweitert (Foto: IMAGO, IMAGO / Panthermedia)
Die Pandemie hat unsere Beziehungen untereinander verändert und erweitert

Aus diesem Grund fordern Organisationen und Parteien, allen voran die FDP, dass es neben der Ehe eine juristisch abgesicherte Lebensform für Menschen geben soll, die diese Verbindlichkeit absichert. Die sogenannte Verantwortungsgemeinschaft.

Verantwortungsgemeinschaft als Zukunftsmodell?

Befürworter der Verantwortungsgemeinschaft wünschen sich auch für Nicht-Verheiratete, die füreinander sorgen, mehr Rechte. Die Pflichten erfüllen sie in der Regel bereits füreinander. Zwar können auch Nicht-Verheirateten Verträge miteinander schließen, die das Zusammenleben regeln, sagt Familienanwältin Eva Becker. Das gilt allerdings nicht für Angelegenheiten außerhalb des Familienrechts, wie etwa einer Mitversicherung oder einer Witwenrente.

Ob als Single und alleinlebend, mit der guten Freundin Wohnung und Alltag teilend oder als zwei alleinerziehende Väter unter einem Dach lebend: Menschen ohne festen Liebespartner brauchen andere feste Beziehungen. Während sich einige weiterhin nach einer Liebesbeziehung sehnen, ist das Single-Sein oft besser als sein Ruf. Single-Phasen sind sogar gut: Sie geben einem die Zeit, sich auf die eigene Person und Bedürfnisse zu konzentrieren.

SWR 2022

Singles

Diskussion Single, ledig, zufrieden – Kann man alleine glücklich sein?

Doris Maull diskutiert mit
Jana Crämer, Podcasterin und Autorin
Sarah Diehl, Publizistin und Kulturwissenschaftlerin
Dr. Janosch Schobin, Soziologe, Uni Kassel

SWR2 Forum SWR2

Allein, aber nicht einsam Zufrieden leben ohne Partner

Manche glauben nicht mehr an die große Liebe - und finden das Alleinleben auch gar nicht so schlecht. Eigentlich sogar richtig gut. Wie Marlene oder Nils.  

SWR2 Leben SWR2

Katja Kullmann

Gespräch Singulär – Katja Kullmann mit einer radikalen Neubewertung der Frau ohne Begleitung

In manchen Großstädten ist fast jede zweite Frau Single und weit entfernt davon, sich als “Alte Jungfer” zu fühlen. Dennoch sitzt der defizitäre Blick tief. Katja Kullmann, selbst singulär, wirbt für eine souveräne Einsamkeit. 

SWR2 Tandem SWR2

Partnerschaft und Liebe

Psychologie Partnerwahl – Wen wir suchen und wen wir bekommen

Frauen suchen Status, Männer jugendliche Schönheit. So simpel funktioniert das Dating damals wie heute. Für eine dauerhafte Liebesbeziehung aber ist die Ähnlichkeit des Paares entscheidend.

SWR2 Wissen SWR2

Psychologie Freunde fürs Leben – Wie wir sie finden und warum wir sie brauchen

Mit fünf Freunden kommen wir gut durchs Leben. Denn Anzahl und Qualität unserer Freundschaften beeinflussen unser psychisches und körperliches Wohlbefinden sowie unsere Gesundheit.

SWR2 Wissen SWR2

Geschichte der Liebe (3/3) Romantische Liebe von den 68ern bis zum Online-Dating

Die 1968er stellen Kleinfamilie und Ehe gehörig infrage. Heute gibt es die Ehe für alle, Polyamorie und Co-Parenting. Wieso hat sich die romantische Liebe so drastisch verändert?

SWR2 Wissen SWR2

Liebe Sexualität im Alter – Das Begehren bleibt

In einer Gesellschaft, die Sex offen bis an die Schmerzgrenze präsentiert, wird es eigentümlich still, wenn es um alte Menschen geht. Doch auch sie wollen und haben Sex.

SWR2 Wissen SWR2

Einsamkeit

Gesellschaft Pflegeheime in der Pandemie – Isolation und Einsamkeit

Menschen in Altenheimen sollen vor Corona geschützt werden, doch das hat teils gravierende Folgen: Einsamkeit und Depression, körperlicher Abbau. Vielen fehlt die soziale Teilhabe.

SWR2 Wissen SWR2