Einbildung oder Tatsache?

Schlafstörungen bei Vollmond

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Alicia Rust
Ralf Kölbel
ONLINEFASSUNG
Ulrike Barwanietz

"Hab heute schlecht geschlafen ... Vollmond". Viele Menschen sind davon überzeugt, dass der Mond ihren Schlaf stört. Vor allem, wenn er auch noch so groß am Himmel erscheint wie jetzt beim "Supermond". Oder ist das alles Einbildung?

"Supermond?"

Gleich vorweg: Der Ausdruck "Supermond" ist eine Erfindung von Journalisten.

Und beim Thema Schlaflosigkeit bei Vollmond gibt es auch in der Wissenschaft keine klare Meinung. Für die einen ist das alles Humbug, für andere hingegen scheint es klar, dass der Vollmond – der nachweislich einen Einfluss auf Ebbe und Flut hat - auch Auswirkungen auf unseren Schlaf haben kann.

Und wieder andere verweisen auf jüngere Studien, wonach eine vermeintliche Schlaflosigkeit oft nur geträumt ist.

Führt Vollmond zu Schlafstörungen?

Ursprünglich wollte der Basler Chronobiologe Prof. Christian Cajochen den Mythos des Vollmonds entzaubern. Doch in seiner Mondstudie im Jahre 2013 stellten er und sein 14-köpfiges Team von der Universitären Psychiatrischen Klinik Basel überrascht fest, dass sich der Melatonin-Spiegel im Speichel seiner Probanden während der Vollmondphasen verändert hatte. Gleichzeitig schliefen die Probanden im Durchschnitt rund 20 Minuten kürzer.

Leider konnte Cajochen dabei nur auf Messwerte von 33 Probanden im Schlaflabor zurückgreifen. Nicht ausreichend, um die These in Stein zu meißeln, meinten Kritiker. Ein Jahr darauf widerlegte eine neue Studie des Max Planck Institutes für Psychiatrie mit 319 Probanden Cajochens These.

Inzwischen gibt es eine jüngere Studie, welche die Mondtheorie doch wieder zu bestätigen scheint. Hier, im Schlaflabor der Berliner Charité wussten die Probanden nicht, genau wie im Schweizer Schlaflabor, ob es draußen hell oder dunkel war, ob Vollmond war oder nicht. Dennoch ist die Befundlage nicht eindeutig. Erst recht nicht, ob der Vollmond-Effekt - wenn es ihn in der Gesamtbevölkerung überhaupt gibt, lediglich auf die helleren Nächte zurückzuführen ist oder ob noch etwas anderes eine Rolle spielt.

Denkbar ist auch, dass allein schon die Erwartung, in einer Vollmondnacht schlecht zu schlafen, zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeihung werden kann. Schlafforscher raten sensiblen Schläfern generell dazu, auch die Schlafzimmer zu Hause abzudunkeln, eine Durchschnittstemperatur von rund 18 Grad einzuhalten.

Schlafforschung veraltet

Was die Erforschung der Vollmond-Theorie betrifft, mangele es zur Zeit nicht nur am Geld, sondern auch an exakten Messinstrumenten. Schlafforscher Prof. Ingo Fietze von der Berliner Charité betrachtet die Vollmond-Debatte eher nüchtern. Denn im Labor wird der Schlaf immer noch genauso wie vor 60, 70 Jahren gemessen. Und zwar mit kleinen Elektroden auf dem Kopf, die jedoch nur ganz wenig Hirntätigkeit an der Oberfläche messen können und nicht das gesamte Gehirn erfassen können.

großer Vollmond am Nachthimmel (Foto: SWR, SWR -)
Wie wirkt sich der Vollmond auf den Schlaf aus?

Stress als Hauptauslöser für Schlafstörungen

Rund ein Drittel aller Menschen in Deutschland leiden inzwischen unter chronischen Schlafstörungen. Die Zahlen nehmen weiter zu und betreffen zudem immer mehr junge Menschen. Wer nicht ausreichend zur Ruhe kommt, ist am Tag weniger leistungsfähig, wird häufiger krank. Doch was sind die Ursachen dafür?

Der Hauptauslöser ist Stress: Die 24-Stunden-Gesellschaft, Schicht-Arbeit, sowie familiäre und soziale Probleme können Schlafprobleme verursachen. Hinzu kommen Drogen und Alkohol. Auslöser kann auch eine Narkose sein, die später Schlafprobleme verursacht. Längst ist die Schlaflosigkeit keine Frage des Alters mehr. Die Schlaflosen werden immer jünger.

Auf der Tastatur schlafen

Chronische Übermüdung ist auch ein Problem am Arbeitsplatz. Der Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums der Charité plädiert für die Mittagsruhe, denn wenn wir nachts immer kürzer schlafen, dann müssen wir am Tag die Möglichkeit haben, Schlaf nachzuholen. Das bedeutet nicht, den zehnten Kaffee zu trinken oder die zwanzigste Zigarette zu rauchen, sondern sich für fünf bis dreißig Minuten hinzulegen und auch mal einzuschlafen. Dies kann man als Nickerchen oder Power Naps bezeichnen.

In Japan durchaus üblich, kommt dieser Vorschlag in Deutschland weniger gut an. Hier traut man sich eher nicht, den Kopf mal kurz auf die Tastatur zu legen und zehn Minuten zu schlafen, denn dann schaut der Kollege komisch, oder der Chef kommt vorbei und rügt oder kündigt.

Die Entscheidungsträger, also die Verantwortlichen von Betrieben, Bereichsleiter oder Direktoren müssten das anders propagieren und zulassen. Es sollte zur Kultur der Arbeitswelt gehören, dass man sich lieber mal 10 Minuten hinlegt, als zu viel Kaffee zu trinken, so der Leiter der Charité.

Angesichts der zahlreichen Ursachen für die Volkskrankheit Schlafmangel, sind dies nur einzelne Teile des Puzzles. Schlafmediziner bleiben jedoch zuversichtlich, dass wir dem Thema Schlaf in Zukunft bewusster begegnen werden.

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