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Meerwasseraquarien – Brutale Geschäfte mit bunten Fischen

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Peter Jaeggi
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Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)

Aquarienfische sind beliebt - besonders die bunten Meeresfische mit ihren faszinierenden Mustern. Doch hinter dem schönen Äußeren steckt oft großes Tierleid. 99 Prozent der marinen Zierfische werden wild gefangen, je nach Art sterben bis zu 80 Prozent von ihnen auf dem Weg ins Aquarium. Einige Arten sind bereits vom Aussterben bedroht.

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Der Banggai-Kardinalbarsch ist bei Meerwasser-Aquarienbesitzern sehr beliebt. Der kleine Fisch ist nur fünf Zentimeter lang, schwarz-weiß gestreift und schillert manchmal, je nachdem wie das Licht einfällt, hellblau in den Flossen. Er lebt in Zentral-Sulawesi, Indonesien, rund um die Insel Banggai in den azurblauen Buchten des indischen Ozeans. Hier wird der Banggai-Kardinalbarsch wild gefangen.

Ein indonesischer Fischer muss pro Monat etwa zweihundert dieser Fische fangen, um sein Auskommen zu sichern. Mittlerweile ist der Banggai-Kardinalbarsch vom Aussterben bedroht. 1994 wurde er für die Aquarianer entdeckt. Seither sind mehr als neunzig Prozent dieser Tiere verschwunden. Deshalb hat ihn die Weltnaturschutzunion IUCN auf die Rote Liste gesetzt und als «stark gefährdet» eingestuft. Sie fordert, dass Bangai-Fische nicht mehr wild gefangen, sondern stattdessen nur noch gezüchtet werden sollen.

Den Fisch zu züchten ist möglich, erklärt Alejandro Vagelli, Meeresbiologie-Professor und Direktor des Zentrums für Meeres-Wissenschaften an der Universität New Jersey. Nur macht es kaum jemand, denn die Zucht lohnt sich nicht. Der Banggai hat nämlich eine lange Brutzeit und produziert wenige Nachkommen. Das ist aufwändig. Deshalb ist ein wild gefangener Banggai deutlich billiger als ein gezüchteter.

80 Prozent der Meeresfische sterben auf dem Weg ins Aquarium

Bereits beim Fang verletzen sich viele Tiere im Netz und werden sofort - noch auf dem Boot - vom Fänger aussortiert. Die restlichen werden verladen und gelangen über viele Zwischenstationen und Händler zu uns. Die Fische aus fernen Ozeanen sind oft Wochen unterwegs, bis sie bei uns ankommen.

Während des Transportes werden die bunten Fische in der Regel sehr eng zusammengepfercht. Meist in Plastiksäcken voll Wasser: ein Paradies für Bakterien. Dazu kommt der Stress für die Tiere, eingequetscht in fremder Umgebung. Schätzungen der Welternährungsorganisation FAO und des Umweltprogrammes UNEP der Vereinigten Nationen ergeben, dass bis zu achtzig Prozent der marinen Zierfische vom Fang über den Transport bis ins Aquarium sterben.

Wie dem Banggai-Kardinalfisch geht es fast allen tropischen Meeresfischen, die für Aquarien-Besitzer interessant sind. Sie werden zu 99% aus Korallenriffen und deren Umgebung weggefangen.

Nur etwa 25 tropische Meereszierfische werden auch kommerziell gezüchtet - nämlich jene, deren Zucht anspruchlos zu organisieren ist und die viele Nachfahren und damit ein ordentlichen Umsatz bringen. Dazu gehört der Clownfisch. Seit er durch den Disney-Kinohit "Findet Nemo" berühmt wurde, ist diese Art weltweit besonders gefragt. Doch die Zucht des Clownfischs ist für die Tiere ziemlich trostlos.

Verantwortung der großen Schau-Aquarien

Meeresfische wie der Clownfisch oder der Banggai-Kardinalbarsch leben nicht nur in Aquarien von Privathaushalten, Spitälern, Arztpraxen, Restaurants und Zoos, sondern auch in Großaquarien. Laut einer amerikanischen Untersuchung gibt es an die tausend Groß-Aquarien weltweit. Geschätzte 450 Millionen Besucher bringen einen Milliardenumsatz. Und es werden immer mehr Riesen-Aquarien gebaut.

Im südhessischen Pfungstadt ist die «Shark City» geplant, laut Planern das größte Hai-Aquarium Europas. Der Zoologische Garten Basel wollte bis 2024 ein sogenanntes «Ozeanium» bauen. Doch der Traum vom Ozeanium in Basel ist vorläufig geplatzt. In einer Volksabstimmung stimmten mehr als die Hälfte der Baslerinnen und Basler gegen das umstrittene Projekt. Der Zoo gibt jedoch noch nicht auf und sucht nach neuen Wegen. Im Ozeanium sollen einst mehr Tiere leben, als bisher im Zoo.

Auch in den Großaquarien schwimmen überwiegend Wildfänge

Vera Weber und ihre Stiftung, die Fondation Weber haben sich den Kampf gegen große Besucheraquarien auf die Fahnen geschrieben. Sie halten das Modell von Ozeanium, Sea Life & Co für überholt und setzen auf eine tierschutzgerechte und attraktive Alternative: ein riesiges virtuelles Ozeanium, das mit modernsten digitalen Technologien arbeitet. Dort könnten wir die Fische in ihrem natürlichen Lebensraum sehen und erleben. So als tauchten wir selbst im Meer. Das Projekt nennt sich: "Vision Nemo". Der Haken: Es muss erst noch entwickelt werden.

Produktion 2017 / 2019

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