SWR2 Wissen: Geschichte der Liebe (1/3)

Liebe bei den alten Griechen und Römern

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Johanna Juni
Johanna Juni (Foto: Chris Weiß)
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Anton Benz
Candy Sauer

In der Antike wurden Ehen meist arrangiert. Sex und Leidenschaft fanden zumindest Männer jenseits der Familie. Gab es also schon Romantik, wie wir sie am Valentinstag inszenieren?

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Erfolgreiche Ehen: Heute und damals

Heutzutage heißt eine erfolgreiche Ehe für uns meistens: Liebe bis ans Lebensende. Aber das war nicht immer so. In der Antike diente die Ehe vor allem der Vermögensvermehrung und dem gesellschaftlichen Aufstieg. Trotzdem spielte die Romantik eine Rolle, nur nicht unbedingt in der Ehe. Auch weil man Angst vor der unbändigen Kraft der Liebe hatte.

Ehe in der Antike: Erbe sichern und soziale Netzwerke ausbauen

Wenn wir von der Antike sprechen, meinen wir damit das antike Griechenland und Rom. In beiden Regionen waren Ehen vor allem eines: arrangiert. Im antiken Griechenland diente das Arrangement hauptsächlich den Interessen der Eltern. Mit der Ehe konnten die Erben festgelegt werden, um so den Vermögenstransfer in die nächste Generation sicherzustellen.

Neben dem Erhalt oder der Vermehrung von Besitzverhältnissen hatte die Ehe in Rom noch eine andere gesellschaftliche Funktion. Durch die Eheschließung konnten soziale Netzwerke ausgeweitet oder gefestigt werden. Damit konnten Eheleute ihren gesellschaftlichen Einfluss ausweiten.

Die Aldobrandinische Hochzeit: Römisches Freskogemälde einer Hochzeit. In der Mitte sitzt verschleiert die Braut. Rechts daneben sitzt der wartende Bräutigam. (Foto: IMAGO, IMAGO / Leemage)
Die Aldobrandinische Hochzeit: Römisches Freskogemälde einer Hochzeit. In der Mitte sitzt verschleiert die Braut. Rechts daneben sitzt der wartende Bräutigam.

Was bedeutete „Liebe“ in der Antike?

Romantik, wie wir sie kennen, hatte in solchen Konstellationen keinen Platz. Die Ehe wurde als ein Vertrag wechselseitiger Verpflichtung verstanden. Besonders interessant dabei ist, dass auch die alten Griechen das Wort „Liebe“ im Zusammenhang mit der Ehe verwendeten.

Auf Grabsteinen findet man Inschriften wie zum Beispiel:

„Hier ruht eine Frau, die ihren Mann liebte, der sie auch liebte.“

Das hat allerdings eine völlig andere Bedeutung als heute. Wenn sich Ehepartner im antiken Griechenland liebten, bedeutete das ein funktionierendes Geben und Nehmen. Sich zu lieben hieß, die wechselseitigen Verpflichtungen zu erfüllen.

Liebe beim Symposium: geselliges Trinken für Männer und Prostituierte

Das bedeutet nicht, dass es die Liebe, im heutigen Sinn, damals überhaupt nicht gab. Sie fand allerdings außerhalb der Ehe statt. Typisch für die damalige Zeit in Griechenland und Rom waren sogenannte Symposien. Die hatten jedoch nichts mit einer wissenschaftlichen Tagung zu tun. Übersetzt heißt Symposium in etwa: gemeinsames geselliges Trinken.

Eigentlich müsste es aber heißen: gemeinsames geselliges Trinken für (verheiratete) Männer und Prostituierte. Denn verheiratete Frauen hatten auf solchen Symposien nichts zu suchen. Auf Weinkrügen der damaligen Zeit sind Symposien ein beliebtes Motiv. Oft sieht man darauf nackte Männer und Frauen in verschiedenen Positionen beim Liebesspiel.

Eine Hetäre tanzt während eines Symposiums.  Griechisches Trinkgefäß, 490 bis 480 v. Chr. (Foto: IMAGO, IMAGO / United Archives International)
Eine Hetäre tanzt während eines Symposiums. Griechisches Trinkgefäß, 490 bis 480 v. Chr.

Hetären: mehr als Prostituierte

Dabei ging es nicht nur um das einmalige Stillen von Gelüsten. Wer es sich leisten konnte, beschäftigte eine Hetäre, eine Art Edelprostituierte. Mit dieser verband einen Mann mehr als nur eine sexuelle Beziehung. Gewöhnlich finanzierte er ihr eine eigene Wohnung und sorgte für sie. Dabei war die Hetäre oft auch intelligente Gesprächspartnerin und reizende Tanzpartnerin.

Hetären hatten nicht selten großen Einfluss auf ihre Gönner. Von Thaïs, der Hetäre Alexanders des Großen, erzählt man die Geschichte, dass der griechische Herrscher auf ihr Zureden hin das Niederbrennen des persischen Palastes veranlasste.

Romantische Beziehungen: ein Ausnahmephänomen

Eine nachbarschaftliche Bekanntschaft, eine verbotene Liebe, der Liebestod, um nach dem Leben lieben zu können! – Sie denken an Romeo und Julia? Diese urromantische Geschichte stammt nicht von Shakespeare, sondern hat ihren Ursprung in der Antike: Vor über 2000 Jahren erdachte der römische Dichter Ovid die tragische Liebesgeschichte um Pyramus und Thisbe. Auch in der Antike gab es also eine Sehnsucht nach Romantik.

Tatsächlich finden sich diese Vorstellungen hauptsächlich in der Kunst wieder. Romantische Beziehungen waren sowohl im alten Rom als auch in Griechenland eine Seltenheit.

Eros: Gott der Liebe, Sohn des Chaos

Ein möglicher Grund dafür war auch die Angst vor der unbändigen Macht der Liebe. Eros, der griechische Gott der Liebe und Sohn des Chaos, galt als „bittersüß“ und „gliederlösend“. Vor ihm gingen selbst die stärksten Männer in die Knie. Die griechische Dichterin Sappho schreibt über die Gefühle, die Eros entfacht:

"Ganz gebrochen ist die Zunge, fein ist augenblicks unter die Haut ein Feuer mir gelaufen, und mit den Augen seh‘ ich nichts, es dröhnen die Ohren, herab rinnt kalter Schweiß an mir, ein Zittern hält ganz gepackt mich."

Allerdings war die Angst vor der Macht der Liebe wohl nicht der einzige Grund dafür, dass romantische Gefühle bei der Eheschließung kaum eine Rolle spielten. Bei der Entscheidung, Ehen zu arrangieren, überwog die Angst vor finanzieller Armut oder sozialem Abstieg.

SWR 2021 / 2022

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