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Kurt Cobain – Mythos des Grunge Rock

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Matthias Kugler
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Ulrike Barwanietz
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

Am 5. April 2019 gedenken "Grunge"-Fans aus aller Welt ihres Idols Kurt Cobain. Der Anlass: der 25. Todestag des legendären Frontmanns der Band Nirvana, der sich im Alter von 27 Jahren das Leben nahm.

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Kurt Donald Cobain wird am 20. Februar 1967 in der Kleinstadt Aberdeen im US-Bundesstaat Washington im äußersten Nordwesten der USA geboren. Sein Vater Donald ist KFZ-Mechaniker, seine Mutter Wendy arbeitet als Kellnerin. Die ersten Jahre seiner Kindheit sind glücklich, unspektakulär. Der kleine Kurt malt gerne, hört sich Platten von den Beatles oder den Monkees an und streift durch die dichten Wälder der Umgebung.

Als Neunjähriger wird bei ihm ADHS diagnostiziert, Kurt muss Ritalin nehmen, um seine Hyperaktivität in den Griff zu bekommen. Große Probleme bereitet ihm auch die Scheidung seiner Eltern. Kurt zieht sich zurück, entwickelt Schuldgefühle und wird hin und her geschoben zwischen den beiden Elternteilen. Schließlich entscheidet er sich für seinen Vater, weil er mit dem neuen Lebensgefährten seiner Mutter nicht auskommt. Als auch der Vater eine neue Partnerin heiratet, die zwei Kinder mit in die Ehe bringt, verschlechtert sich auch das Verhältnis zu ihm.

Kurt Cobain fühlt sich nirgendwo zu Hause

Musik wird für Kurt Cobain zum Ventil für seine Wut, seine Frustration und seine schwankende Gefühlswelt als Teenager. Zu seinem 14. Geburtstag wird er von seinem Onkel Chuck vor die Wahl gestellt: Entweder er bekommt ein Fahrrad oder eine gebrauchte Gitarre. Kurt entscheidet sich für die Gitarre und bringt sich seine ersten Akkorde bei. Obwohl er Rechtshänder ist, hält er sie links herum, was seinen Spielstil nachhaltig prägen sollte.

In der Schule lernt er den Bassisten Krist Novoselic kennen, mit dem er 1987 Nirvana gründen wird. Schon zu Schulzeiten spielen sie gemeinsam in mehreren kurzlebigen Bands. Kurt Cobain beschäftigt sich mit Punk- und Indie-Rock und sieht endlich einen Ausweg aus dem öden, spießigen Kleinstadtleben und seinem Außenseiterdasein.

Zwischenzeitlich lebt er bei seinen Großeltern, bei einem seiner Onkel oder bei den Eltern eines Freundes. In vier Jahren wohnt er bei zehn verschiedenen Familien - nirgendwo fühlt er sich zuhause. Mit 18 bricht er die Schule ab und zieht nach Olympia, in die Hauptstadt des Staates Washington, spielt aber weiter mit Novoselic in einer Band.

Nirvana prägen ein neues Genre

Mit Krist Novoselic am Bass und Drummer Chad Channing nehmen Nirvana 1989 ihr Debüt-Album "Bleach" beim kleinen Indie-label Sub Pop aus Seattle auf. Es wird nicht mehr als ein Achtungserfolg, mit ihrer Musik halten sie sich kaum über Wasser. Erst als Dave Grohl ein Jahr später als neuer Schlagzeuger in die Band kommt, geht es aufwärts.

Sie unterschreiben einen Plattenvertrag beim großen Major Label Geffen und veröffentlichen am 24. September 1991 ihr zweites Album "Nevermind". Ein Werk, das die Rockmusik nachhaltig verändern sollte und auch das Leben der Musiker auf den Kopf stellte.

"Grunge" als Genre basiert auf sehr simplen Elementen: aggressive Gitarren, einfache Strukturen und ein leicht zu identifizierender Sound irgendwo zwischen Punk und Heavy Metal. Zugleich war "Grunge" eine Art kreative Selbstreflektion, eine Verzweiflung an der Gegenwart, eine postindustrielle Melancholie, die sich durch die Art der Musik, der Texte, der Kleidung und der Ablehnung gängiger Werte und des Mainstreams ausdrückte. Das alles passte perfekt in die Metropole Seattle.

Das letzte Konzert in München – und dann der Suizid

Die musikalischen Einflüsse der Band reichten von den Beatles über Led Zeppelin, AC/DC, The Stooges, Queen, Kiss, The Clash, The Sex Pistols, Velvet Underground bis zu den Pixies. Von denen übernahm Kurt Cobain die Struktur der "sanften Strophe und des harten Refrains". Der Erfolg von "Nevermind" verhilft auch zahlreichen anderen Bands aus der Seattle-Szene wie Soundgarden, Pearl Jam oder Alice in Chains zu einer internationalen Karriere.

Alternative Rock ist plötzlich salonfähig, Nirvana werden zum Aushängeschild, Kurt Cobain zu einer Ikone. Er selbst hasst diese Rolle, will einfach nur Musik machen. Der Erfolg steht in völligem Kontrast zu seinen Wurzeln im Underground. Er fühlt sich von den Medien verfolgt, wehrt sich gegen die Fan-Hysterie um ihn und versinkt immer mehr in einer Welt aus Drogenmissbrauch, Depression und Einsamkeit. Dazu kommen chronische Magenprobleme. Ärzte finden keine Ursache dafür, was eine gezielte Behandlung unmöglich macht. Er selbst sprach von seiner Krankheit daher als "Cobain’s Disease", die Cobainsche Krankheit.

Am 1. März 1994 geben Nirvana ein Konzert in München. Es sollte ihr letztes sein. Von dort aus ging die Tour weiter nach Rom. Hier wurde Kurt Cobain am 4. März komatös in ein Krankenhaus eingeliefert. Möglicherweise ein Suizidversuch durch Einnahme von Beruhigungsmitteln. Sein Umfeld und seine Frau Courtney Love drängten ihn daraufhin zu einem Drogenentzug im kalifornischen Marina del Rey.

Kurt Cobain: unsterblich in der Hall of Fame

Am 1. April floh Cobain von dort und tauchte unter. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Band bereits aufgelöst, was Dave Grohl und Krist Novoselić aber erst Jahre später bestätigten. Am 5. April 1994 nahm sich Cobain in seinem Haus in Seattle das Leben. Gefunden wurde er erst drei Tage später von einem Elektriker.

Es ist besser in Flammen aufzugehen, als langsam zu verglühen.
(Neil Young-Zitat im Abschiedsbrief von Kurt Cobain)

Am 10. April 2014, 20 Jahre nach seinem Tod, wurden Kurt Cobain und Nirvana in die "Rock'n'Roll Hall of Fame" aufgenommen. Die Laudatio hielt Michael Stipe, Sänger und Frontmann von R.E.M., neben Nirvana eine der bedeutendsten US-Alternative-Rock-Bands.

Kurt Cobain verehrte Michael Stipe, Michael Stipe verehrte Kurt Cobain. Sie waren enge Freund, und Stipe ist sogar der Paten-Onkel von Kurts Tochter Frances. Neben all dem, was Kurt Cobain und Nirvana für die Musikwelt geleistet hatten und was sie für viele Jugendliche auf der ganzen Welt bedeuteten, war die Essenz all dessen, was Kurt Cobain ausmachte, für Michael Stipe am Ende dessen Stimme. Diese Stimme, die er, wie viele, so sehr vermissen.

Mythos Nirvana: Das Lebensgefühl der Jugend

Gesellschaftspolitisch werden Kurt Cobains Botschaften weiterleben, ist sich Ex-Nirvana-Manager Danny Goldberg sicher:
Seit seinem Tod vor 25 Jahren haben sich so viele Dinge verändert. Damals gab es z.B. kein Internet, kein Musik-Streaming und kein GPS. Aber was sich nicht verändert hat, ist die innere Welt eines Teenagers: wie es ist einsam zu sein, sozial geächtet, wie es sich anfühlt missverstanden zu sein oder nicht respektiert zu werden. Deshalb ist seine Musik auch zeitlos und deshalb sieht man immer noch junge Menschen in Nirvana-T-Shirts, die noch gar nicht geboren waren, als er starb.

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