Bei manchen Meldungen scheint es, als hätten wir nach zweieinhalb Jahren Pandemie nichts gelernt. Einer Studie zufolge geht jeder zehnte Corona-Infizierte zur Arbeit – trotz eines positiven Tests. Häufigster Grund: Sie wollen ihre Kolleg*innen nicht überlasten. SWR2-Redakteur Uwe Bettendorf kommentiert.
Aus Rücksicht trotz Krankheit zur Arbeit?
Ich gebe es zu: Auch ich gehöre zu den Menschen, die ihren Arzt bei einer Krankschreibung erst mal fragen: „Wie? Fünf Tage zu Hause bleiben? So lange? Muss das wirklich sein?“ Es ist bei mir die weit verbreitete Mischung aus Pflichtbewusstsein und dem Wissen, dass die Arbeit liegen bleiben muss, wenn jetzt noch einer ausfällt.
Und so kommt es, dass eben viele doch zur Arbeit gehen, auch wenn sie laut ärztlichem Rat eigentlich kürzer treten sollten. Weil ihnen klar ist, dass sonst Aufträge nicht mehr bearbeitet werden können, schwer belastete Kolleginnen und Kollegen Überstunden schieben müssen oder Patienten und Patientinnen nicht mehr ausreichend versorgt werden können.
Am häufigsten gehen Berufstätige übrigens trotz Rückenschmerzen und Allergien zur Arbeit. Das ist aus meiner Sicht in Ordnung, solange sich die Beschäftigten selbst fit genug fühlen und sich nicht wegen Personalmangels oder Angst vor Kündigungen zur Arbeit schleppen.
„Wer sich nicht auskuriert, riskiert schwerwiegende Erkrankungen“
Höchst problematisch aber ist es, wenn Menschen mit ansteckenden Infektionen ins Büro, zum Kunden oder in die Werkshalle kommen. Damit schaden sie nicht nur anderen, sondern auch sich selbst. Wer sich nicht in Ruhe auskuriert, riskiert schwerwiegende Erkrankungen an Herz und anderen lebenswichtigen Organen.
Absolut unverantwortlich aber ist es, wenn Berufstätige trotz positiven Corona-Tests zur Arbeit gehen. Das sind laut Umfrage immerhin neun Prozent, eine erschreckend hohe Zahl.
Selbst wenn die Präsenz gut gemeint ist und Betroffene den Eindruck haben, dass leichte oder gar keine Symptome kein Grund sind, sich zu Hause auszukurieren: Infizierte sind eine Gefahr für andere, die sich bei ihnen anstecken und heftig erkranken können. Damit ist niemandem gedient, weder den Kolleginnen und Kollegen noch dem Arbeitgeber.
„An einer neuen Corona-Welle kann keiner Interesse haben“
Umso wichtiger ist es, dass Führungskräfte ihren Mitarbeitenden trotz Personalmangels klar machen, dass sie bei einer Corona-Infektion zu Hause bleiben müssen. Im eigenen Interesse, mal ganz abgesehen davon, dass das auch in der neuen Arbeitsschutzverordnung steht, die seit Anfang des Monats gilt.
Wo immer möglich tragen Homeoffice-Angebote dazu bei, dass Betroffene wieder arbeiten können, sobald sie sich gesund fühlen. Problematisch aber bleibt aus meiner Sicht die Regelung, dass Infizierte die Isolation nach fünf Tagen selbst beenden können, wenn sie 48 Stunden symptomfrei sind.
Sicherer wäre es, wenn Betroffene sich generell weiterhin frei-testen müssten, um die Gefahr einer Ansteckung zu minimieren. Denn auch wenn Arbeitgeber immer wieder lautstark fordern, dass es an der Zeit sei, die „Panikecke“ zu verlassen: An einer neuerlichen Corona-Welle, die große Lücken in die Belegschaft reißt, kann keiner Interesse haben.
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