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Hecken – Unterschätzte Klimaretter und Biotope

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Richard Fuchs
Richard Fuchs (Foto: Richard Fuchs / privat)
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Ulrike Barwanietz
Candy Sauer

In Hecken sehen viele nur Gestrüpp. Dabei sind die wilden Gewächse gut für Klima, Artenschutz und Landwirtschaft – und ihre Früchte schmecken auch.

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Forschungsprojekt CarboHedge: Hecken als Langzeit-Speicher für Kohlenstoff

Mit dem Projekt „CarboHedge“ betritt das Braunschweiger Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, Neuland. Denn bei der wissenschaftlichen Erhebung der Treibhausgasemissionen, die jedes Jahr aus der Landwirtschaft kommen, waren Feld-Hecken bislang weiße, linienförmige Flecken, von denen niemand so genau sagen konnte, wie sie sich eigentlich auf die Klimabilanz auswirken.

Doch das vermeintlich wertlose Gestrüpp einer Hecke ist gar nicht wertlos, sondern hat enormes Potenzial als Langzeit-Speicher für Kohlenstoff. Zusätzlichen Kohlenstoff speichere eine Hecke auch in Form von Humus im Boden – und sogar im weit verzweigten Wurzelgeflecht der Hecke selbst, so die Braunschweiger Forscher.

Axel Don am Trocknungsschrank für Bodenproben. Der stellvertretende Institutsleiter des Thünen-Instituts für Agrarklimaschutz leitet das Projekt CarboHedge – eine Wort-Schöpfung, die für die Hecke als Kohlenstoffspeicher steht. (Foto: SWR, Richard Fuchs)
Axel Don am Trocknungsschrank für Bodenproben. Der stellvertretende Institutsleiter des Thünen-Instituts für Agrarklimaschutz leitet das Projekt CarboHedge – eine Wort-Schöpfung, die für die Hecke als Kohlenstoffspeicher steht. Richard Fuchs

Tote Wurzeln der Hecke helfen beim Klimaschutz

Eine weitere wichtige Erkenntnis des Projektes, das im Zeitraum Juni 2019 bis Mai 2023 läuft, sei bisher gewesen, dass ein erheblicher Teil der Wurzeln unter Hecken schon tot sei – und dass gerade das für den Klimaschutz besonders wertvoll ist. Wird eine Hecke regelmäßig geschnitten, was sie vital hält, stirbt immer ein Teil der Wurzelbiomasse ab. Und diese abgestorbenen Wurzeln würden dann zu kohlenstoffreichem Humus umgewandelt. Für den Klimaschutz ein enormer Gewinn.

Probe des Braunschweiger Projekts "CarboHedge": Heckenwurzeln speichern enorm viel Kohlenstoff (Foto: SWR, Richard Fuchs)
Probe des Braunschweiger Projekts "CarboHedge": Heckenwurzeln speichern enorm viel Kohlenstoff Richard Fuchs

Verein setzt sich für Schutz und Nutzung von Wildhecken ein

Wieder mehr Hecken sehen: Das möchte auch Alexandra Werdes. Zusammen mit Gleichgesinnten hat sie 2020 in Hamburg den Verein „Heckenretter e.V.“ gegründet. Ihr Ziel: Sie wollen erreichen, dass Wildhecken wieder mehr wertgeschätzt werden – auch durch regionale Wertschöpfungskreisläufe. Also Hecken schützen, indem man sie nutzt.

Heckenretterin Alexandra Werdes auf einer selbstbepflanzten Hecke mit Erdwall (Foto: SWR, Richard Fuchs)
Heckenretterin Alexandra Werdes auf einer selbstbepflanzten Hecke mit Erdwall Richard Fuchs

Holunder, Schlehe, Hagebutte: Eis am Stiel mit "Hecken-Geschmack"

2019 begann Alexandra Werdes, das erste Eis am Stiel aus Wildfrüchten von Hecken in den Verkauf zu bringen. Inzwischen gibt es die Geschmacksrichtungen Holunder, Schlehe, Hagebutte und Brombeere. Im Herbst bietet sie Punsch mit Holunder-Geschmack an. Eis und Punsch-Sirup gibt’s bislang an ausgewählten Stellen rund um Hamburg zu kaufen. Der Name: Tofte.

Die Heckenretter möchten auch Firmen gewinnen, die ihren unvermeidbaren Teil an CO2-Emissionen kompensieren wollen – und das durch das Anpflanzen neuer Hecken bewerkstelligen können. Dabei lehre einen die Arbeit mit Hecken Geduld und Demut. Oder, wie es Alexandra Werdes ausdrückt: Sie schenke einem Zeit.

Hecken bieten dauerhaften Schutz für gefährdete Arten

Hecken, die viele Jahrzehnte oder im besten Fall für immer an einem Feldrand stehen, sind dabei die Königsklasse des Biotop- und Artenschutzes. Denn sie bieten dauerhaften Schutz für gefährdete Tier- und Pflanzenarten – unabhängig davon, ob auf den Feldern gepflügt oder angepflanzt wird. Dem Landwirtschaftsbetrieb nehmen diese dauerhaften Strukturen aber die Flexibilität, jährlich neu über die Bewirtschaftung zu entscheiden. Und das macht Hecken erst mal unattraktiv.

Eine Naturhecke mit heimischen Gehölzen wie Schlehe, Weißdorn, Hainbuche und Haselsträuchern unweit des Thünen-Instituts in Braunschweig (Foto: SWR, Richard Fuchs)
Eine Naturhecke mit heimischen Gehölzen wie Schlehe, Weißdorn, Hainbuche und Haselsträuchern unweit des Thünen-Instituts in Braunschweig Richard Fuchs

Carbon Farming – Kohlenstoff-Landwirtschaft

Hecken-Forscher sehen deshalb die zentrale Aufgabe darin, das Neupflanzen von Hecken zu einem attraktiven und langfristig ausgerichteten Geschäftsmodell zu machen. Ein Ansatz dafür wäre die sogenannte Kohlenstoff-Landwirtschaft, im englischen Fachbegriff, „Carbon Farming“ genannt. Und wird das Restholz der Hecken in Hackschnitzelanlagen verfeuert, verbessert sich die Klimabilanz sogar.

Hecken: 400 Jahre alte Erfindung des Menschen

Dass Hecken eine gut 400 Jahre alte Erfindung des Menschen sind, ist noch viel zu wenig bekannt. Dass sie zum festen Bestandteil unserer Agrar- und Kulturlandschaft gehören, weil sie Nutzen stiften, wird immer noch zu häufig übersehen. Und so ist es kaum verwunderlich, dass auch die vielfältigen Funktionen von Hecken für

  • Artenvielfalt,
  • fürs Mikroklima und
  • für den aktiven Klimaschutz

unterschätzt wurden. Mehr Hecken pflanzen, erscheint da wie das Gebot der Stunde.

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Landwirtschaft: aktuelle Beiträge

Ökologie Hecken – Unterschätzte Klimaretter und Biotope

In Hecken sehen viele nur Gestrüpp. Dabei sind die wilden Gewächse gut für Klima, Artenschutz und Landwirtschaft – und ihre Früchte schmecken auch. Von Richard Fuchs. (SWR 2021)

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Landwirtschaft Wissens-Doku: So läuft die Arbeit nach Demeter-Kriterien

Die Bio-Marke Demeter wirbt mit den strengsten Richtlinien beim Tierschutz und beim Einsatz von Düngemitteln. Aber was steckt wirklich hinter dem Siegel? Reporter Frank Seibert geht auf Spurensuche im Demeter-Kosmos. Die Doku läuft heute im Ersten:
https://www.ardmediathek.de/video/ard-wissen/frank-seibert-auf-dem-demeter-hof-oder-recherche-dreiteiler-zur-anthroposophie/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL2FyZC13aXNzZW4vMjAyMy0wMy0xM18yMi01MC1NRVo

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Landwirtschaft Veraltete Geschlechterrollen in der Landwirtschaft sollen sich ändern

Benachteiligung von Frauen in der Landwirtschaft – ein bisher kaum hinterfragtes Problem. 90 Prozent aller Betriebe in Deutschland werden von Männern geleitet. Das soll sich zukünftig z.B. durch mehr Aufklärung ändern.

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Rohstoffe Unternehmen wollen in den Tiefsee-Bergbau einsteigen

Das weltweite Interesse am Abbau von Metallen in der Tiefsee nimmt zu – doch Regeln dafür fehlen bislang. Einige Unternehmen drängen darauf, Bergbauvorhaben in der Tiefsee zu starten. Forscher*innen warnen aber, dass der Abbau große – und wenig erforschte – Risiken mit sich bringt.

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Leben Von Artenschutz und Wohnungsbau - Wie eine Kröte die Politik beschäftigt

2.000 Wohnungen, Schulen, Kitas, Möbelmarkt – so stellen sich Planer die Zukunft auf einem alten Berliner Bahnhofsareal vor - wäre da nicht die Kreuzkröte. Von Ernst-Ludwig von Aster

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