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Grüne Geldanlagen – Wie nachhaltig sind sie wirklich?

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Stephanie Eichler
Stephanie Eichler (Foto: Stephanie Eichler)
ONLINEFASSUNG
Ulrike Barwanietz
Candy Sauer

Drei von vier Sparenden in Deutschland investieren bereits in nachhaltige Geldanlagen. Doch welche Geldanlagen sind wirklich grün und sozial?

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Nachhaltigkeit: Geld in klimafreundliche und soziale Unternehmen investieren

Immer mehr Deutsche möchten ihr Geld in klimafreundliche, soziale und faire Unternehmen investieren; das zeigen Umfragen. Wo die Nachfrage steigt, steigt auch das Angebot, entsprechend boomt dieser Markt seit Jahren. Banken und andere Fondsvermittler überbieten sich darin, ihre Produkte als nachhaltig anzupreisen.

Vorsicht Greenwashing: "grünes" Label allein reicht nicht

Doch längst nicht alle Geldanlagen, die als umweltfreundlich oder sozial gerecht angeboten werden, sind es auch. Eine erste Orientierung sollen die Namenszusätze der Geldanlagen geben. Sie nennen sich "grün", "sustainable“, "fair" oder "ethisch". Weit verbreitet ist auch das Kürzel "ESG". Es steht für Environment, also Umwelt, Social für sozial und Governance, gemeint ist damit gute Unternehmensführung.

Doch bei all diesen Anlagen ist es dennoch möglich, dass die Sparer in Unternehmen investieren, die den Klimawandel anheizen oder Menschenrechte missachten. Bei einem nachhaltigen Fond können zum Beispiel Firmen beteiligt sein, die ihren Umsatz im Kohlesektor erzielen. Solche Informationen findet man oft erst im Kleingedruckten.

Welche Banken sind wirklich nachhaltig?

Die Initiative "Fair Finance International" ist ein weltweites Netzwerk zivilgesellschaftlicher Organisationen. Der Zusammenschluss analysiert regelmäßig die Kredit- und Anlagepolitik von Banken. Im März 2023 wurde die GLS zur fairsten und nachhaltigsten Bank Deutschlands gekürt. Die Ethik-Bank, die KD Bank und die Triodos Bank sind mit auf den oberen Plätzen gelandet.

Einer der Gründe dafür ist, dass bei all diesen Banken nur solche Unternehmen Geld bekommen, die bestimmte Geschäftsbereiche konsequent ausschließen:

  • Rüstungsbereich
  • Atomenergie
  • Spirituosen
  • Tabak
  • Gen- oder Saatgutmanipulation
  • Biopestizidherstellung.

Wer prüft die Angaben der großen Banken?

Der gemeinnützige Verein Facing Finance, der sich für einen verantwortungsbewussten Umgang mit Geld engagiert, verfolgt das Ziel, Anlagen aufzuspüren, die sich als grün bezeichnen, aber gar nicht so grün sind – auch "Greenwashing" genannt. Die Mitarbeitenden überprüfen regelmäßig die vier größten Fondsgesellschaften Deutschlands:

  • Union Investment
  • DekaBank – das ist das Wertpapierhaus der Sparkassen-Finanzgruppe
  • DWS – die gehört zur Deutschen Bank
  • Allianz.

Von den 1782 bei diesen Banken als nachhaltig verkauften Fonds sind nur 150 ökologisch und sozial unbelastet – das hat der Verein herausgefunden. Bei über 90 Prozent der angeblich nachhaltigen Fonds fließt ein Anteil in nicht-nachhaltige Branchen, zum Beispiel in Mineralölkonzerne. Denn es gibt bisher schlicht keine bindende Definition von Nachhaltigkeit bei Geldanlagen.

Der Verein Facing Finance bietet über sein Partnerprojekt Faire Fonds die Möglichkeit an, Fonds in einer hierfür angelegten Datenbank prüfen zu lassen.

EU-Taxonomie für klare Informationen bei Geldanlagen

Seit August 2022 müssen Bankberater ihre Kunden fragen, ob sie nachhaltig investieren möchten. So steht es in der EU-Richtlinie MIFID II, die Finanzmärkte robuster und transparenter machen soll. Schließlich will die EU bis 2050 und Deutschland sogar bis 2045 klimaneutral sein. Um das zu garantieren, mischt sich jetzt die EU-Kommission ein mit einer EU-Taxonomie. Diese definiert, welche Wirtschaftstätigkeiten als ökologisch nachhaltig angesehen werden.

Dies soll einen einheitlichen Mindeststandard für nachhaltige Geldanlagen schaffen, erklärt die Wirtschaftswissenschaftlerin Monika Gehde-Trapp:

"... man könnte sich das wie eine Ampel vorstellen. Da sind die grauen Fonds. Das sind klassische Fonds, die haben keine Nachhaltigkeitsziele. Dann gibt es die Artikel-8-Fonds, das sind hellgrüne Fonds. Die haben bei der Investition, bei der Anlageentscheidung auch ökologische und soziale Merkmale und Aspekte einer guten Unternehmensführung im Blick. Hier geht es aber eben auch um die finanzielle Performance, um die finanziellen Ergebnisse. Und dann sind die Artikel-9-Fonds, das sind sozusagen die dunkelgrünen Fonds. Die haben ganz explizit Nachhaltigkeit als Ziel."

Die Unternehmen dieser Fonds müssen eine messbare Wirkung in Bezug auf den Klimaschutz erzielen oder die Anpassung an den Klimawandel. Insgesamt gelten sechs Umweltziele:

  1. Klimaschutz
  2. Klimawandelanpassung
  3. Nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen
  4. Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft
  5. Vermeidung von Umweltverschmutzung
  6. Schutz von Ökosystemen und Biodiversität

Erweiterung der Taxonomie um Altersarmut und Unternehmensführung in Vorbereitung

Im Lauf des Jahres 2023 soll die Taxonomie nachgeschärft werden, um auch Ziele zu berücksichtigen, die die soziale Gerechtigkeit fördern, also zum Beispiel Altersarmut verhindern und eine gute Unternehmensführung gewährleisten, etwa Transparenz und Respekt in der Unternehmenskommunikation.

EU-Taxonomie wirkt: Fondsanbieter korrigieren ihre Angaben

Seit 1. Januar 2023 ist die Taxonomie in Kraft. Die Ratingagentur Morningstar gibt an, dass allein im dritten Quartal 2022 Vermögensverwalter wie die Deka oder die DWS 41 Fonds von dunkelgrün auf hellgrün heruntergestuft haben. Einerseits heißt das: Vorher wurde getrickst. Andererseits ist es auch ein gutes Zeichen: Die EU-Taxonomie scheint zu wirken und dazu beizutragen, dass Fondsanbieter nun endlich verlässliche Angaben machen. Doch wer auf Nummer Sicher gehen will, legt sein Geld in den Fonds der kleineren Umwelt- oder ethischen Banken an.

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