Der Hitzeinsel-Effekt
Schon heute lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten - im Jahr 2050 werden es mehr als zwei Drittel sein. Durch dichte Bebauung wird ein Hitzeinsel-Effekt verursacht, so dass die Luft kaum zirkulieren kann - denn Oberflächen wie Glas reflektieren das Sonnenlicht und Beton- und Asphaltflächen speichern die Wärme. Auch Autoabgase und die Abwärme von Klimaanlagen tragen zur Aufheizung bei. Deswegen ist es in Städten einige Grad wärmer als in ihrem Umland.
Lösungsansätze
Weltweit entwerfen Architekten grüne Gebäude – mit Pflanzen an Fassaden, auf Terrassen, Balkonen und Dächern. Denn eine begrünte Fassade reduziert die Hitze, die ins Gebäude abgegeben wird. Pflanzen sind der natürlichste Schutz vor Sonneneinstrahlung. Außerdem produzieren Pflanzen viel Sauerstoff.
Singapur als grünes Vorbild
Singapur ist dicht bebaut, Hochhäuser prägen das Stadtbild. Mehr als fünfeinhalb Millionen Menschen leben hier auf einer Fläche knapp so groß wie Hamburg. Singapur ist weltweit führend in der Begrünung von Gebäuden. In der Monsunzeit ist die Luftfeuchtigkeit ist besonders hoch.
Die Architekten Wong Mun Summ und Richard Hassell planen Bürogebäude, Hotels und Wohnhäuser anders als die üblichen, weltweit verbreiteten Beton-, Stahl- und Glaskästen. Die Gebäude haben zum Beispiel Öffnungen in den Fassaden, die sich oft über mehrere Stockwerke erstrecken.

Stadt in einem Garten
„In dem Versuch, möglichst Menschen gerechte hochverdichtete Räume zu schaffen, ist es für uns sehr wichtig, dass man den Menschen auch in den Städten das Grün wiedergibt“, sagt Schirin Taraz-Breinholt. Die deutsche Architektin arbeitet im Büro von Summ und Hassell.
Eines ihrer Projekte ist das Parkroyal Hotel. Pflanzen ranken an den Fassaden. In luftiger Höhe liegen geschwungene, begrünte Großbalkone, die an die terrassierten Reisfelder Südostasiens erinnern. Palmen stehen dort neben Büschen und kleinen Bäumen in Pflanzkübeln.

Singapur versteht sich als „Stadt in einem Garten“. Pflanzen sollen möglichst in jedes Gebäude integriert werden. Mit dem Bauen in die Höhe wächst auch das Grün mit in die Höhe. Es gibt hier auch viel „horizontales“ Grün. Neun Prozent der Landfläche Singapurs wurde für Parks und Naturreservate freigehalten. Nach und nach werden diese Gebiete miteinander verbunden, damit die Leute überall in der Stadt im Grünen spazieren gehen, joggen und Fahrrad fahren können.
Singapur ist die grünste Stadt Asiens – und hat ein ehrgeiziges Ziel: die grünste Stadt der Welt zu werden.
Stuttgart ringt nach besserer Luft
Stuttgarter Sommer können unerträglich heiß sein. 620.000 Menschen leben in der Landeshauptstadt Baden-Württembergs, im gesamten Ballungsraum sind es an die 2,7 Millionen. Zehntausende pendeln täglich mit dem Auto in die Stadt. Die Luft ist mit Stickstoffdioxid und Feinstaub stark belastet. Der Jahresmittelwert für Stickstoffdioxid ist hier fast doppelt so hoch wie der EU-Grenzwert zulässt. Auch in dieser Stadt im gemäßigten Mitteleuropa ist der Hitzeinsel-Effekt deutlich spürbar.
Zwangsbegrünung mit positiven Effekten?
In der Landesbauordnung für Baden-Württemberg sind seit März 2015 Begrünungen bei Neubauten vorgeschrieben, wenn das Grundstück keinen Garten hat. Alle Flachdächer mit einer Neigung bis zu 10° müssen – unabhängig von ihrer Größe – begrünt werden. Und so wirkt die Stuttgarter Dachlandschaft, von den vielen Hügeln und Türmen um den Talkessel herum betrachtet, überraschend grün: Alle Neubauten des riesigen Klinikums Stuttgart haben bepflanzte Dächer, die erst wenige Jahre alten Malls wie Milaneo und Gerber und alle neueren Büro- und Industriegebäude.
Mit dieser Architektur habe man zwar nicht die Möglichkeit, "die Welt zu retten, aber wenigstens effizient und effektiv gegenzusteuern", sagt Christine Lemaitre, Vorstand der Gesellschaft für nachhaltiges Bauen. Außerdem ginge es auch um Biodiversität. „Gerade durch die steigenden Temperaturen werden wir immer mehr auch das Moskito-Thema bei uns auch haben. Und wenn wir da gar keine Vögel, Fledermäuse oder sonst was mehr haben, die da auch ein bisschen regulierend eingreifen, dann werden wir damit natürlich auch wieder andere Probleme generieren".
Neue Projekte
Am Rotebühlplatz entsteht ein siebengeschossiger Neubau, zwischen der denkmalgeschützten Calwer Passage und der verkehrsreichen Theodor-Heuss-Straße. Jedes Geschoss wird umlaufend begrünt mit immergrünen und laubabwerfenden Pflanzen aus der Region, die den wechselnden Temperaturen standhalten – hohe Plusgrade im Sommer und Frost im Winter. Auf einem Teil des Dachs ist ein kleiner Wald vorgesehen. Die Begrünung gestaltet der Architekt Christoph Ingenhoven. Stuttgarts erstes Gebäude mit grüner Fassade wird in einer Gegend mit Verkehrslärm und hoher Feinstaubbelastung gebaut.