Ghosting - Wenn der Partner plötzlich - ohne Vorankündigung - verschwindet (Foto: Colourbox, Foto: Colourbox.de -)

Wenn der Partner verschwindet

Das Phänomen Ghosting

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AUTOR/IN
Ann-Kristin Pott
ONLINEFASSUNG
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

Es ist ein Trendbegriff für eine sehr schmerzhafte Trennung: Ghosting, wenn der Partner ohne Vorwarnung einfach spurlos aus dem Leben verschwindet. Was bedeutet das für Verlassenen? Und gibt es Erklärungen für dieses Phänomen?

Katja und ihr Verlobter waren 2 ½ Jahre zusammen und sogar verlobt. Katja hat die Beziehung als sehr harmonisch empfunden und es gab zunächst keine Anzeichen dafür, dass in der Beziehung etwas nicht stimmt. Trotz einem Jahr Fernbeziehung, halten die beiden den Kontakt - bis sich ihr Verlobter plötzlich nicht mehr meldet.

Als er sich nicht mehr gemeldet hat, hab ich mich hingesetzt und immer versucht, ihn telefonisch zu erreichen, die Nummer unterdrückt, über eine Freundin angerufen, da ist er auch nicht dran gegangen. Ich kam mir ziemlich hilflos vor, wie ein Dolch im Rücken von jemanden, dem man vertraut hat, von dem man das nie gedacht hätte. Also ich hab angefangen zu zittern, ich hab auch richtig geweint. Ich hab gedacht, wieso macht jetzt dieser Mensch sowas, dem ich am meisten vertraut habe. Mit dem ich alles geteilt habe, mit dem ich über alles reden konnte, warum gerade er und dann die nächsten Wochen hab ich gemerkt, dass ich mich getäuscht haben muss, dass Menschen sich verstellen können.

Soziale Ängste als Ursache

Katja kennt bis heute nicht den Grund für die Trennung, ihr Verlobter hat sich nie mehr bei ihr gemeldet. Ein plötzlicher Kontaktabbruch wie dieser, ganz ohne Vorwarnung, wird "Ghosting" genannt. Jeder Kontaktversuch des Verlassenen wird ignoriert oder abgeblockt. Der "Ghost" trifft ohne Rücksicht auf den anderen die Entscheidung, die Beziehung wortlos zu beenden. Für die Verlassenen bedeutet das Ungewissheit und Sorge. Stefan Marmann ist psychologischer Psychotherapeut in Düsseldorf und betont, dass "Ghosting" ein alltagssprachlicher Begriff ist, der in einem klinischen Sinne nicht genutzt wird. Marmann vermutet, dass soziale Ängste eine Ursache für das Verhalten des "Ghosts" sein können.

Stefan Marmann: D.h. das sind Befürchtungen von anderen Menschen abgelehnt zu werden, minderwertig betrachtet zu werden, kritisiert und abgelehnt zu werden und das sind natürlich Ängste, die zunehmen können, je näher man sich kommt. Weil durch die soziale Nähe eben auch ein erhöhtes Risiko entsteht, von dem anderen verletzt zu werden. Jetzt ist es aber so, dass soziale Ängste auch nicht als besonders attraktiv wahrgenommen werden. Deshalb werden sie versteckt solange es geht. Aber mit der Intimität ist dieses Versteckspiel irgendwann nicht mehr möglich und dann bleibt eben nur noch die Flucht, wenn man sich von den sozialen Ängsten überfordert fühlt.

Erschöpfter Mann hält seine Hand vor die Augen (Foto: Getty Images, Thinkstock -)
Psychologen vermuten soziale Ängste als Hauptursache für "Ghosting"

Schmerzhafte Ungewissheit

Mit der Flucht aus der Beziehung, entzieht sich auch der Ghost auch jeglicher Konfrontation. Der Verlassene wird mit dem Verlust allein gelassen. Als sich ihr Verlobter nicht mehr meldet, bricht für Katja eine Welt zusammen. Sie konnte nicht mehr schlafen, kaum noch essen... Warten, keine Antwort zu bekommen und nicht zu wissen, was mit dem Partner ist: das war das Schlimmste überhaupt. Und nicht klar zu machen, wie der Lauf der Dinge ist und einfach da zu stehen und zu warten und verzweifelt zu sein und sich zu fragen, was ist denn jetzt überhaupt passiert und einfach alleine zu sein und zu weinen und überhaupt nicht zu wissen. Man geht durch Himmel und Hölle zugleich und weiß überhaupt nicht mehr weiter.

Für "Ghosting"-Opfer ist die Ungewissheit besonders schmerzhaft. Die ersten Tage, in denen man sich sorgt, sich Gedanken darüber macht, was der Person passiert sein könnte und dann die Frage: Was habe ich falsch gemacht? Die Betroffenen sind zuerst überrascht, dann folgt Frustration und Aggression. Auch Katja bei Katja:

Ich kann‘s überhaupt nicht nachvollziehen, es kann sein, dass er für sich Probleme gesehen hat, die ich nicht gesehen habe. Aber da hätte man drüber reden können. Ich kann jetzt natürlich sagen, ich weiß nicht, was für ein Mensch er war. Ich dachte immer, ich würde ihn kennen, aber jetzt kann ich sagen, ich hab ihn nicht gekannt und das ist das, was mich am Anfang so traurig gemacht hat. Wo ich gedacht hab, wem hab ich da überhaupt vertraut, mit wem wollte ich überhaupt eine Ehe eingehen? Also zwei eineinhalb Jahre waren plötzlich wie vom Erdboden verschluckt, wie wenn wir das gar nicht erlebt hätten. Am Anfang war ich traurig und danach wütend. Und diese Wut hat einem gut getan, weil das dann natürlich auch die Phase des Vergessens war. Und jetzt denke ich so darüber, dass ich mir vorstelle, dieser Mensch hat nie existiert, oder den Menschen hab ich nie gekannt.

Psychologische Hilfe für "Gosting"-Opfer und den "Ghost"

Viele Betroffene suchen die Schuld aber auch bei sich selbst, weil sie keinen anderen Anhaltspunkt finden. Hoffnungslosigkeit und Selbstzweifel können bei den "Ghosting"-Opfern oft zu Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen führen. Stefan Marmann rät den Betroffen sich im Notfall an einen Psychologen zu wenden. Das gilt übrigens auch für den "Ghost": Es gibt seelische Erkrankungen, zum Beispiel die sozialen Ängste, aber zum Beispiel auch Formen der ängstlichen Depression oder Persönlichkeitsstörungen, die Ursachen eines solchen Verhaltens sein können. Das kann man mittlerweile sehr erfolgreich auch psychotherapeutisch behandeln; setzt aber voraus, dass es bei einem Patienten auch eine entsprechende Therapiemotivation gibt, d.h. das man etwas an diesem Problemverhalten verändern will.

Betroffene, die von einem Ghost verlassen wurden, reagieren auf diese "Ghosting"-Erfahrung ganz unterschiedlich: Für die einen handelt es sich um eine Lebenserfahrung, an der sie gewachsen sind. Für andere führt das Erlebnis zu einer Belastung, die sie im weiteren Beziehungsverhalten einschränkt und beeinträchtigt. Deswegen ist es wichtig, über die Probleme zu sprechen oder professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Katja hat sich gegen eine Psychotherapie entschieden. Ihr haben Ablenkung und Gespräche mit Freunden und der Familie geholfen. Inzwischen hat sie mit dem Ghost ihres Exverlobten abgeschlossen und einen neuen Partner gefunden. Trotzdem ist sie auch heute noch manchmal verunsichert:

Also man hat negative Erfahrungen gemacht und fragt sich in der neuen Beziehung, wenn der Partner negativ reagiert, vergleicht man manchmal auch leider automatisch und stellt sich die Frage: Kann man dem Menschen jetzt überhaupt noch vertrauen? Oder wird er sich genauso verhalten wie damals mein Expartner?

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Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)