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Ein Dorf auf dem Mond? – Zukunftsprojekte der Raumfahrt

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Dirk Lorenzen
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Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)

Die Mondforschung boomt. NASA und ESA bauen gerade das Orion-Raumschiff, um zunächst eine kleine Raumstation in der Mondumlaufbahn zu bringen. In spätestens zehn Jahren sollen wieder Menschen auf dem Mond landen. Dabei ist es ein großer Traum eine Mondsiedlung zu installieren.

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Die Idee vom Moon Village also einer Siedlung auf dem Mond hat Jan Wörner, der Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA, in Umlauf gebracht. Für ESA-Chef Jan Wörner besteht der größte Vorteil des Mondes in der geringen Entfernung zur Erde:

Das unterscheidet den Mond zum Beispiel vom Mars, der bis zu vierhundert Millionen Kilometer entfernt ist. Die Frage ist nicht mehr, ob der Mond 50 Jahre nach Apollo wieder zum Reiseziel wird, sondern nur noch, wann das geschieht. Anfang 2019 landete die chinesische Forschungssonde Change4 auf der Rückseite des Mondes. Aufgeschreckt von der Meisterleistung Chinas beeilt sich die US-Regierung ihre Mondprojekte erheblich zu beschleunigen.

NASA und ESA bauen gemeinsam am Raumschiff Orion

In gut zwei Jahren soll es einen Testflug des NASA-Raumschiffes Orion zum Mond nur mit Puppen an Bord geben. Etwa 2023 könnten erstmals Menschen mit Orion zumindest um den Mond herumfliegen. Während des Fluges bildet das europäische Service-Modul ein Gespann mit der amerikanischen Orion-Kapsel, in der sich die Besatzung aufhält.

Zum ersten Mal besorgt sich die NASA unverzichtbare Teile eines Raumschiffs im Ausland. So wird Europa bei den nächsten Flügen zum Mond eine große Rolle spielen, freut sich David Parker, ESA-Direktor für Weltraumerkundung:

Wir wollen dann eine Art Basiscamp für den Mond bauen, das Lunar Gateway. Es soll aus einigen Modulen bestehen, die um den Mond kreisen und ein Zwischenschritt für die Landung sind. Derzeit ist eine Kapsel in Planung, die die Menschen runter auf die Oberfläche bringt.

Der Mond ist auch für Privatunternehmen ein Traumziel

Der Rummel um den Mond hat auch die private Wirtschaft erfasst. So baut Elon Musk vom Unternehmen SpaceX an der Big Falcon Rocket, die ein Raumschiff mit Dutzenden Passagieren um den Mond herum fliegen soll – und das angeblich schon im Jahr 2023.

Und Jeff Bezos, milliardenschwerer Gründer des Raumfahrtunternehmens „Blue Origin“, präsentierte kürzlich mit viel Tamtam das Modell seines Raumschiffs „Blue Moon“, das irgendwann mal zum Mond aufbrechen soll. Doch dies sind vage Vorhaben, die bisher nur in schönen Animationen existieren – Technik, Finanzierung und Zeitplan sind mehr als offen.

Berliner Firma entwickelt schlaue Mondfahrzeuge

Das Berliner Unternehmen PTScientists hat als einziges Unternehmen in Europa ein Mondlandegerät entwickelt. Sie nennen es Alina. An dem Mondlandegerät sind auch die Europäischen Raumfahrtorganisation ESA und dem Raumfahrt-Konzern ArianeGroup beteiligt. Geschäftsführer Robert Böhme und sein Team sehen sich als Dienstleister für den Mondflug. Denn Alina soll zwei Mondrover auf der Mondoberfläche absetzen, die PTScientists ebenfalls bis auf den letzten Zentimeter mit Ausrüstung vollgestopft haben.

Da haben wir Hardware drin wie zum Beispiel einen Laser, der kann Mondgestein schmelzen. Das ist ziemlich cool. Ganz viele verschiedene Experimente verstecken sich quasi überall am Raumschiff oder in den Fahrzeugen.

Alina soll Privatfirmen den Weg zum Mond bahnen

Geht alles glatt, dann könnte Alina die Mondforschung revolutionieren. Bisher war die Erkundung des Erdtrabanten großen, hunderte Millionen Euro teuren Missionen vorbehalten. Staatliche Agenturen flogen zum Mond, aber nicht Privatfirmen und schon gar nicht ein Forschungsinstitut, wie etwa das Laserzentrum in Hannover, das nun mit Hilfe von Alina und der Mondrover die Zusammensetzung des Mondbodens untersuchen will.

Außerdem soll Alina das Problem mit der schlechten Datenübertragung vom Mond zur Erde endlich lösen.

Wir haben ganz große Antennen drangebaut, denn wir haben mit Nokia Bell Labs und Vodafone zusammen eine LTE-Lösung entwickelt. Wenn das Raumschiff gelandet ist, können wir auf dem Mond eine Basisstation aufbauen. Das ist kein Witz. Das ist ganz ernst gemeint. Das heißt, sobald Alina da oben gelandet ist, könnte man da mit seinem Handy hingehen, das einschalten und nach Hause telefonieren.

Mit der Mondfähre Alina soll auch die Datenübertragung zur Erde gesichert werden

Kunden, die auf dem Mond wissenschaftliche Messungen oder Fotos machen wollen, brauchen sich dann um den Transport der Daten keine Sorgen mehr zu machen. Alles was auf der Erde über ein Smartphone zu verschicken ist, lässt sich künftig auch vom Mond aus mitteilen.

Nach aktueller Planung wird sich Alina in zwei Jahren mit einer Ariane-6 auf die Reise machen. Ziel des ersten Fluges wird die Taurus-Littrow-Region auf dem Mond sein, wo 1972 die letzte Apollo-Mission gelandet ist.

Die Mondoberfläche - hier will die ESA gerne eine lunare Siedlung bauen. (Foto: Colourbox, Foto: Colourbox.de -)
Die Mondoberfläche - hier will die ESA gerne eine lunare Siedlung bauen.

Alina soll nachsehen, wie die Überreste von Apollo auf dem Mond überlebt haben

Bis heute ist völlig unklar, wie sich Klebeband, Kunststoffteile, Aluminiumbleche et cetera an der Apollo-Landestelle nach fast einem halben Jahrhundert Herumstehen auf dem Mond verändert haben. Alina wird nachsehen, wie kosmische Strahlung und die zwischen plus und minus 150 Grad Celsius schwankenden Temperaturen dem Material zusetzen. Das sind unverzichtbare Informationen für den Bau eines Monddorfes.

Mondtrainingsanlage, Monddorf (Foto: Colourbox, Foto: Colourbox.de -)
Die Trainingsanlage für Astronauten in Köln. Hier kann auch für das Leben in einem Monddorf trainiert werden.

Der beste Standort für ein Monddorf wäre auf einem der Mondpole

Wo diese Trabantensiedlung auf dem Mond am besten entstehen soll, hat sich Ralf Jaumann überlegt. Er leitet die Abteilung für Planeten-Geologie beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin-Adlershof.

Dass Ralf Jaumann und seine Kollegen in aller Welt über die Chemie des Mondes so gut Bescheid wissen, verdanken sie den Apollo-Missionen der Amerikaner und den sowjetischen Luna-Sonden. Insgesamt zehnmal wurde Material vom Mond zur Erde gebracht. Vor wenigen Wochen holte China mit der Sonde Chang'e 5 erstmals seit 1976 Mondgestein auf die Erde. Dessen Analyse fängt gerade erst an, aber die Forscher hätten gern viel mehr und vor allem anderes Material von besonders interessanten Stellen.

Jaumann muss vor allem die klimatischen Bedingungen beachten. Fast überall auf dem Mond folgen auf zwei Wochen intensive Sonnenstrahlung zwei Wochen bitterkalte Nacht. Einzig die Mondpole trifft das Sonnenlicht nur streifend, deshalb sind sie eigentlich ideale Orte für ein Monddorf.

Wenn ich dort einen hohen Berg habe, wird der immer beschienen. Ganz egal, ob ich 14 Tage Tag oder Nacht habe. Diese hohen Berge gibt es, weil es auch die tiefen Einschlagkrater gibt. Die Krater haben Ränder. Diese Ränder sind teilweise 3000 bis 4000 Meter hoch. Dort scheint immer die Sonne. Das ist genau die Gegend, wo man hin will. Da muss man sich nur hinsetzen und Sonnenkollektoren aufstellen.

Auf den Gipfeln des „ewigen Lichts“, wie die Forscher diese Bergspitzen nennen, wäre die Stromversorgung kein Problem und es würde nicht zu kalt – und dank tief stehender Sonne wohl auch nicht ganz so heiß wie sonst auf dem Mond. Der ideale Standort für ein Moon Village.

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