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Die Olympischen Spiele 1972 – Münchens Sommertragödie

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Michael Kuhlmann
Der Autor, Musikredakteur und Buch-Rezensent Michael Kuhlmann.  (Foto: SWR)
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Lukas Meyer-Blankenburg, SWR-Fachredaktion Religion, Kirche & Gesellschaft (Foto: SWR, SWR -)
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"Heitere Spiele" nach nationalsozialistischer Diktatur

Nur 27 Jahre nach der Kapitulation von Nazi-Deutschland fanden im September 1972 Olympische Spiele in der Bundesrepublik statt. Die "heiteren Spiele" von München sollten einen bewusst inszenierten Gegensatz zu Hitlers Propaganda-Spielen von Berlin 1936 darstellen – mit moderner Architektur, in entspannter Atmosphäre und weltoffen.

Bereits im April 1971 stellten sich die ersten Hostessen für die Olympischen Spiele 1972 in München vor. Die jungen Frauen aus Japan, Ghana, Indien und Brasilien präsentierten sich mit deutschen Kolleginnen auf dem Oberwiesenfeld und winkten mit dem Maskottchen der Spiele, dem Olympia-Dackel Waldi.  (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance | Lothar Parschauer)
Bereits im April 1971 stellten sich die ersten Hostessen für die Olympischen Spiele 1972 in München vor. Die jungen Frauen aus Japan, Ghana, Indien und Brasilien präsentierten sich mit deutschen Kolleginnen auf dem Oberwiesenfeld und winkten mit dem Maskottchen der Spiele, dem Olympia-Dackel Waldi.

"Sie symbolisierten sozusagen das Angekommensein in der internationalen Staatengemeinschaft – gerade nachdem der Nationalsozialismus die Berliner Olympischen Spiele 1936 abgehalten hatte, um die Welt zum Narren zu halten oder um die wahren Intentionen des Nationalsozialismus zu verbergen, war es ganz wichtig, dass man noch mal Olympische Spiele bekam, die der Welt ein anderes Deutschland zeigen konnten."

München, 5. September 1972: das Attentat der Gruppe "Schwarzer September"

Am elften Tag wurden die Spiele vom Terror überschattet. Palästinenser der Gruppe "Schwarzer September" überfielen das israelische Mannschaftsquartier; ermordeten zwei Israelis und nahmen neun als Geiseln. Für die 8.000 Sportlerinnen und Sportler war unklar, wie und ob es weitergeht. Erst gegen 16 Uhr unterbrach das Internationale Olympische Komitee die Spiele.

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Am Ende ermordeten die Palästinenser alle ihre neun Geiseln, außerdem einen deutschen Polizisten. Das Olympia-Attentat vom 5. September 1972 hat etwas gemein mit den Anschlägen vom 11. September 2001: Fast niemand hatte Terrorismus dieser Dimension zuvor für möglich gehalten.

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"Für mich war es natürlich eine schreckliche Tragödie. Ich fuhr zur Olympiade mit großen Hoffnungen und weit gesteckten Zielen. Es war die erste Olympiade, für die wir uns vorbereitet hatten. Vier Jahre lang haben wir daran gearbeitet. Mein Trainer wurde ermordet – und das ist meine persönliche Tragödie. Mein Trainer Shapira war mir wie ein Vater. Eine Tragödie, die man nicht vergessen kann! Es sind schon zehn Jahre vergangen, aber mir ist, als wäre es gestern gewesen."

Spiele gehen weiter – getrübte Stimmung, dramatische sportliche Ereignisse

Der Organisator der Spiele wollte die Spiele ganz abbrechen, aber "The games must go on!". Diese Worte des IOC-Präsidenten Avery Brundages vom Tag danach sind heute Sportgeschichte. Auch wenn die Spiele weitergingen, sie waren nicht mehr dieselben. Das wussten auch die deutschen Gastgeber. Für sie waren die Münchner Spiele mehr gewesen als nur das größte Sportfest der Welt.

Es waren politisch brisante Spiele. Denn erstmals bei Sommerspielen marschierte eine eigene Mannschaft der DDR ins Stadion. Auch global hatten sich die Trends umgekehrt: Die DDR-Athleten stoßen in die Weltspitze vor und schlugen schlussendlich im Finale sogar die USA, welche 1968 noch mit Abstand die stärkste Nation gewesen war.

Die fünf Olympischen Ringe

Dieses sportliche Ereignis hätte als heitere Spiele den olympischen Geist nachhaltig prägen können – sportlich, mit der besten Unterhaltung, freundlich im Geist, kostengünstig in der Machart und inklusiv im Anspruch. Aber der Terror ist in Erinnerung geblieben.

"Auf der großen schwarzen Anzeigentafel leuchten golden die Olympischen Ringe, steht das Wort "München 1972". Die fünf Olympischen Ringe, die symbolisieren sollen, dass die fünf Erdteile ineinander verschlungen sind. Ohne Rücksicht auf Hautfarbe, Rasse und Religion. Und die hier in München ins Wanken geraten sind."

Archivradio

5.9.1972 Olympia-Attentat (2): Die Nacht am Flughafen Fürstenfeldbruck

5.9.1972 | In der Nacht vom 5. zum 6.9.1972 gelangen die palästinensischen Terroristen die israelischen Geiseln mit zwei Helikoptern des Bundesgrenzschutzes zum Flughafen Fürstenfeldbruck. Dort wartet eine Boeing 727. Bevor Terroristen und Geiseln ins Flugzeug wechseln können, kommt es zu einem Schusswechsel. Am Flughafengelände haben sich tausende von Schaulustigen und etliche Journalisten versammelt. Die Lage ist unübersichtlich. Die Hörfunkprogramme des Südwestfunks haben sich zusammengeschaltet. In dieser Folge hören Sie Beiträge, die abends zwischen 20 Uhr und Mitternacht gelaufen sind, bevor das ARD-Nachtprogramm beginnt. Die Moderatoren Wolfram Kreiker und Franz Meindl bitten zwischendurch um Verständnis, dass sich die Sendung mal zur Tagesschau schaltet, mal ins ZDF, mal zu den Reportern des Bayerischen Rundfunks in München. Dies sei sicherlich verwirrend, aber man versuche nun mal, die neuesten Informationen zu bekommen. Die sind aber teilweise falsch. So klingt es zwischendurch so, als seien die Geiseln in Sicherheit gebracht worden – wie man heute weiß, konnte davon keine Rede sein.

München 1972

München 1972 Der Sommer, der nie endet

Ittai Joseph Tamari verlässt mit seinem Vater am 5. September 1972 München, als Eberhard mit seinem Vater anreist. Ein Treffen 50 Jahre nach dem Terroranschlag. Von Eberhard Reuß

SWR2 Leben SWR2

26.8.1972 Die olympischen Spiele in München beginnen

Die Olympischen Spiele in München sollten ein großes Fest werden, ein Gegenentwurf zu den Propagandaspielen der Nationalsozialisten im Jahr 1936. Sie begannen am 26. August 1972, heute vor 50 Jahren und endeten mit nach dem Überfall der palästinensischen Terrorgruppe Schwarzer September auf israelische Sportler. Elf Israelis starben, ein Polizist und 5 Geiselnehmer.

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Olympische Spiele

25.1.1924 In Chamonix starten die 1. Olympischen Winterspiele

Heute sind Olympische Spiele gigantische Material- und Marketingschlachten. Die Anfänge waren deutlich bescheidener, z.B. bei den ersten Winterspielen in Chamonix.

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19.7.1936 In Barcelona beginnt die Volksolympiade

Die olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin waren eine willkommene Gelegenheit für die Nazis, „ihr“ Deutschland der Welt zu präsentieren. Viele sind auf diese Propaganda hereingefallen, aber andere haben an einer Gegenveranstaltung gearbeitet, die jedoch rasch endete.

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1.8.1936 Die Olympischen Spiele beginnen ohne Gretel Bergmann

Gretel Bergmann wurde 1914 in Laupheim geboren und starb im Alter von 103 Jahren in New York. Sie war eine der besten Hochspringerinnen Deutschlands. Wegen ihrer jüdischen Herkunft durfte sie jedoch nicht an den olympischen Sommerspielen 1936 in Berlin teilnehmen.

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22.11.1956 In Melbourne werden die Olympischen Sommerspiele eröffnet

Olympische Spiele in Australien 1956. Reitwettkämpfe in Stockholm. Eine Nationalhyme für zwei deutsche Mannschaften, blutige Wasserspiele, dies sind die Besonderheiten der Spiele.

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2.10.1968 In Mexiko werden fast 300 Demonstranten erschossen

Kurz vor den Olympischen Spielen 1968 duldete Mexikos Präsident keine Demonstrationen. Militär und Polizei schossen scharf. Das „Massaker von Tlatelolco“ gilt heute als Staatsverbrechen.

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16.10.1968 US-Olympiasieger recken die Black Power-Faust

Die Sprinter Smith und Carlos standen mit gesenktem Kopf und geballter Faust in schwarzem Handschuh auf dem Siegerpodest. Sie protestierten gegen Rassismus in den USA.

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11. September 2001

11. September 2001 9/11 – Als Terror zum Medienevent wurde

11. September 2001: Erstmals erlebt ein weltweites Publikum eine Katastrophe live im Fernsehen. Die Terroranschläge in den USA haben die Medienwelt verändert – in vielerlei Hinsicht.

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11. September 2001 Muslime in den USA – Zwischen Integration und Terror-Verdacht

Noch am Tag der Terroranschläge haben viele Musliminnen und Muslime in den USA eine neue Art der Ablehnung und des Hasses gespürt. 20 Jahre danach sind sie trotz allem im öffentlichen Leben sichtbar.

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