Impfzentren in Spanien: manche sind 24 Stunden geöffnet
Matthias hat nicht lange überlegt, als er die Möglichkeit bekam, sich impfen zu lassen. Die Stadt Madrid hat die Impfreihenfolge im Spätsommer praktisch aufgegeben. Jeder, der möchte, bekommt die Impfung. In zwei Impfzentren sogar ohne Termin. 24 Stunden am Tag.
Vor einem der beiden Zentren steht Student Matthias nun mit Pflaster am Oberarm. Er nennt die Corona-Impfung eine Bürgerpflicht:
"Es ist wichtig, dass sich möglichst viele impfen lassen. So können wir etwas dafür tun, dass die Inzidenz wieder sinkt und wir unser altes Leben zurückbekommen. Außerdem soll die Impfung ja das Immunsystem stärken."
Geimpftes Personal: 98 Prozent im Krankenhaus, 90 Prozent in der Altenpflege
Auch für Rosa Gómez ist es selbstverständlich, sich impfen zu lassen. Sie arbeitet als Krankenschwester in einem Gesundheitszentrum südlich von Madrid. Alle ihrer 90 Kollegen seien geimpft, erzählt sie. Quote 100 Prozent.
Dass es tatsächlich Beschäftigte in Gesundheitsberufen gibt, die sich gegen die Corona-Impfung aussprechen, kann Rosa Gómez kaum glauben. Als sie hört, dass in manchen deutschen Altenheimen die Impfquote der Mitarbeiter unter 50 Prozent liegt, versteinert sich ihre Miene. In Spanien sind 98 Prozent des Krankenhauspersonals vollständig geimpft und etwa 90 Prozent der Altenpflegerinnen und -pfleger. Sie waren es, die den dramatischen Beginn der Pandemie hautnah miterleben mussten: die völlig überfüllten Kliniken in Spanien und die Altenheime, in denen reihenweise alte Menschen starben.
Das Viertel von Rosa Gómez war besonders hart getroffen. Der Süden von Madrid hatte zeitweise die höchsten Inzidenzzahlen von ganz Spanien.
"Es war schrecklich. Diese Hilflosigkeit, diese Verletzlichkeit, der wir im Gesundheitszentrum ausgesetzt waren. Es fehlten Masken, es fehlte Schutzkleidung. Uns war klar, dass der einzige Ausweg aus diesem Drama die Impfung ist, damit wir uns wieder mit anderen treffen können und sicher im Alltag fühlen. Und an unseren Arbeitsplätzen. Und genau so kam es auch."
Unkompliziert: Spanier bekamen Impftermin lange unaufgefordert aufs Handy
Wie Spanierinnen und Spanier haben sich in Scharen impfen lassen. Rund 80 Prozent der über Zwölfjährigen haben den vollständigen Impfschutz. Der Madrid Soziologe Josep Lobera forscht zum Fortschritt der spanischen Impfkampagne. Für ihn ist klar: Die straff organisierte Vergabe von Impfterminen hat zum Erfolg beigetragen. Niemand musste sich selbständig um seine Impfung bemühen. Bis die Priorisierung vor Kurzem fiel, bekamen jeder Spanier und jede Spanierin einen Terminvorschlag per SMS aufs Handy geschickt.
"Die Menschen haben einfach den Erfolg dieses vergleichsweise strengen Verfahrens miterlebt. In ihrer Altersgruppe. Gleichaltrige Freunde oder Nachbarn bekamen etwa zur gleichen Zeit einen Termin und ließen sich impfen. Da wollte kaum jemand außen vor bleiben. Viele fühlten auch eine gesellschaftliche Verantwortung."
Gruppendynamik und Solidarität sorgen für hohe Impfquoten
In Spanien hat die Familie einen hohen Stellenwert. Man verbringt viel Zeit miteinander, Jüngere hätten sich in der Pflicht gesehen, sich impfen zu lassen, um eine geringere Gefahr für ältere Familien mit die da zu sein, so der Soziologieprofessor. Es gehe einfach um Solidarität, sagt der Madrider Präventivmediziner José Jonay Ojeda:
"Für die meisten Menschen in Spanien ist klar, dass der Schutz ihrer Familie und der Freunde genauso wichtig ist wie der Schutz von ihnen selbst. Nur so kann die Gesellschaft funktionieren. In dieser Pandemie hat auch die Mund-zu-Mund-Propaganda funktioniert. Viele Menschen haben sich untereinander erzählt, dass sie geimpft sind. Das hat eine Art Gruppendynamik ausgelöst."
Spanien boostert: niemand muss sich selbst um einen Termin bemühen
Jetzt boostert Spanien fleißig. Der Anteil der Menschen, die schon die dritte Impfung bekommen haben, war in den vergangenen Tagen höher als in Deutschland. Auch hier läuft die Terminvergabe wieder straff organisiert. Die Gesundheitsbehörden verteilen Termine, niemand muss sich selbst darum kümmern.
Krankenschwester Rosa Gómez erzählt, dass in ihrem Gesundheitszentrum im Süden von Madrid so gut wie niemand den Booster-Termin nicht wahrnimmt. Alle kämen für den eigenen Schutz und den ihrer Mitmenschen.
"Wenn wir ihnen die Spritze verpassen, lächeln fast alle Patienten und bedanken sich bei uns für die Impfung."