Eine Sisyphus-Aufgabe
Der Philosoph Christoph Quarch, selbst Vater, spricht von einer Sisyphus-Aufgabe. „Wie kommen wir mit dieser Digitalisierung des Lebens und der Welt unserer Kinder zurecht?“, fragt sich Quarch. Und antwortet zugleich, dass es keine fertigen Rezepte für diese Fragen und Probleme gebe. Stattdessen ist sehr Vieles offen, bei der Frage wie man Kinder am besten medial erzieht.
Für Eltern ein besonders großer Spagat
Ein Kind verantwortungsvoll bei der Medienerfahrung zu begleiten. Das ist für Eltern ein besonders großer Spagat. Mütter und Väter lernen viele mediale Dinge selbst erst neu. Erliegen dem großen Angebot und der Vielfalt. Haben den Anspruch oder auch den Druck, mitzuhalten. Außerdem müssen sie kenntnisreich und souverän genug sein, um sich bewusst gegen etwas zu entscheiden. Eltern erleben selbst den Reiz und die Faszination der technischen Spielereien und des Vernetzt-Seins mit der Welt.
Kinder brauchen Vorbilder
Da scheint es fast unmöglich, den Kindern eine klare Richtschnur und gleichzeitig ausreichend Freiheiten zu geben. Vielleicht aber hilft gerade dann eine Besinnung auf die ganz grundsätzliche erzieherische Haltung: gemeinsam den Familienalltag leben. Dazu Kinderarzt Remo Largo: „Was das Kind braucht, ist das Vorbild.“
Was ist das richtige Maß?
Die Kinder auch medial auf ihre Weise wachsen und reifen zu lassen und ihnen dabei Hilfestellung geben – und ein Vorbild sein. Was ist dabei das richtige Maß? Wie, wann, wie oft und wie lange sollen Kinder Medien nutzen. Was gewinnen sie dadurch, was schadet ihnen eher. Wie reagieren sie körperlich. Wie beeinflusst es ihr soziales Miteinander. Das sind alles Themen, die Eltern wie Kinder gleichermaßen etwas angehen. Denn die technischen Geräte sind in ihren Familienalltag eingedrungen.
Richtiges Verhältnis zwischen analog und digital
Wichtig ist das richtige Verhältnis zwischen analog und digital. Sind ihre Kinder im Vorschulalter, folgen Eltern meist der kindlichen Neugier und ergänzen den Forschergeist vielleicht medial. Drehen auf der Wiese ein kleines Schneckenvideo und schauen sich mit dem Nachwuchs auf dem Schoß am Computer an, wie sich die Larve eines Marienkäfers entpuppt. Haben die Kinder die digitale Welt dann für sich entdeckt, befürchten Eltern oft, dass ihnen das Medienthema aus der Hand gleitet.
Kinder verlieren sich in digitalen Medien
Sie sehen, wie ihre Kinder in die Welt der Apps und Online Videos hineinwachsen. Wie sie Spaß am Virtuellen haben – und sich darin auch schnell verlieren. Kinder können kaum einschätzen, wie viel Zeit vergangen ist, während sie ambitioniert an einem Display bunte Klötze von A nach B verschieben. Viele Familien suchen daher nach Tipps und Verhaltensregeln, und das Thema beherrscht die Elternabende in Kindergärten und Schulen.

Unterschiedliche Meinungen und Positionen
Kinder sollten in die reale wie in die virtuelle Welt hineinwachsen, sagt die Pädagogin Caroline Frey. Spätestens ab diesem Punk gehen die Meinungen und Positionen weit auseinander, unter Eltern wie unter Fachleuten. Das Nutzen digitaler Medien sei eine Kulturtechnik, argumentieren die einen. Die Kinder würden davon profitieren. Das Lernen werde vielseitiger, interessanter und effektive. Der Aktionsrat Bildung, ein Gremium mit renommierten Bildungsforschern, warnt sogar, man müsse Schülerinnen und Schüler vor einem „digitalen Analphabetismus“ bewahren, vor allem die Schwächeren würden sonst zusätzlich ausgegrenzt und abgehängt.
„Digitale Demenz“
Der Neurowissenschaftler Manfred Spitzer hingegen geht davon aus, dass Heranwachsende an den Geräten eine „digitale Demenz“ entwickeln. Und Psychotherapeuten geben zu bedenken, sie sähen in ihren Praxen zu viele Kinder mit „zu viel Medienkonsum“ – mit Konzentrationsschwächen, Hyperaktivität, Fettleibigkeit oder Sprachentwicklungsstörungen als Folge, quer durch alle Schichten. Solche Gegenüberstellungen sind beliebig fortsetzbar.
Je nach Alter die Mediennutzung anpassen
99 Prozent der 12-19-jährigen besitzen laut der aktuellen Jugend-Information-(Multi-)Media-Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Süd-West ein Smartphone oder Handy. Das bedeutet, die Mädchen und Jungen können jederzeit online sein. Smartphones sind seit exakt zehn Jahren auf dem Markt. Und Eltern haben nicht selten das Gefühl, ihre Kinder mit diesem Gerät endgültig in die virtuelle Welt verabschiedet zu haben.

Zwei Stunden täglich im Netz seien für Zwölfjährige normal, so ein Richtwert der Medieninitiative „Schau hin!“ des Bundesfamilienministeriums. Kinder bis fünf Jahren sollten nicht täglich digitale Spiele spielen und nicht länger als eine halbe Stunde am Tag vor einem Bildschirm verbringen. Sechsjährige können mit einer Stunde online pro Tag einsteigen, und ab etwa zehn Jahren können Kinder sich auch zunehmend selbstständig ihre Medienzeit einteilen, für Fernsehen, Spiele und Internet.
Keine Verbote sondern Regeln
Thomas Feibel hat in Berlin ein Büro für Kindermedien gegründet und gerade das Buch „Jetzt pack doch mal das Handy weg!“ veröffentlicht. Er rät Eltern keine Verbote sondern Regeln für die Mediennutzung aufzustellen. „Redet mit euren Kindern, stellt Regeln auf. Kümmert euch um die Einhaltung der Regeln. Mit den Kindern auf Augenhöhe reden, nicht von oben nach unten.“ Als nächstes rät Feibel den Eltern dann, gemeinsam mit ihren Kindern zu überlegen, wie sie es in der Familie mit den Medien halten wollen. Denn nicht wenige Kinder sind auch von ihren Eltern genervt, weil diese das Smartphone nicht aus der Hand legen.
Eltern fehlt häufig die Balance
Feibel hat bei seiner Arbeit festgestellt, dass viele Eltern medial selbst noch keine Balance gefunden haben. Sie seien oft gestresst, gehetzt und gereizt und kommen etwa mit der ständigen Erreichbarkeit nicht gut zurecht. Das erkläre die große Unsicherheit.

Gerade hat das deutsche Kinderhilfswerk in einem dringenden Appell darauf hingewiesen, dass die Persönlichkeitsrechte von Kindern massiv verletzt werden, wenn ihre Mütter und Väter Fotos von ihnen in sozialen Netzwerken posten sprich veröffentlichen. Sie machen dies zuhauf, ohne die Kinder zu fragen.
Persönlichkeitsrechte schützen
Die Lehrerin Caroline Frey bat daher auch schon eine Polizistin zum Elternabend, um aufzuklären. Über elterliche Sorgfaltspflichten und Straftatbestände. Eltern hätten oft vergessen, dass sie verantwortlich sind und bleiben, wenn sie ihren Kindern erlauben zum Beispiel WhatsApp zu nutzen. Verantwortlich dafür, was der Nachwuchs verbreitet.