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SWR2 Wissen | Porträt zum 150. Geburtstag

Rosa Luxemburg und der humane Sozialismus

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Michael Reitz
Michael Reitz (Foto: Michael Reitz)
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Ulrike Barwanietz
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

Rosa Luxemburg, geboren am 5. März 1871, war eine der unbequemsten Vertreterinnen der Arbeiterbewegung. Ohne Wahlen, Presse- und Versammlungsfreiheit war Sozialismus für sie undenkbar. Im Januar 1919 wurde sie von Freikorps-Soldaten ermordet.

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"Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden."

Die junge Rosa Luxemburg: Interesse an Sprachen und Politik

Dieses Zitat stammt von einer der scharfsinnigsten und mutigsten Frauen der deutschen Geschichte: Rosa Luxemburg. Die Herkunft dieser sozialistischen Politikerin, die berühmt war für ihre Kampfeslust und gefürchtet wegen ihrer scharfen Zunge, ist gutbürgerlich. Rozalia Luxemburg wird am 5. März 1871 im polnischen Zamość als letztes von fünf Kindern eines wohlhabenden jüdischen Holzhändlers geboren.

Auf dem Warschauer Mädchengymnasium ist Rosa Luxemburg bald die beste Schülerin. Sie lernt spielend leicht, vor allem Fremdsprachen: Deutsch, Französisch und Englisch. Aber auch politische Schriften interessieren sie schon als junges Mädchen.

Texte von Friedrich Engels und Karl Marx nimmt sie begeistert auf, zumal alles, was nach Rebellion riecht, im besetzten Polen auf fruchtbaren Boden fällt. Immer häufiger bringt sie die Lehrer mit messerscharfen Argumenten in Verlegenheit.

Rosa Luxemburg (1871 - 1919; Porträt um 1900) (Foto: IMAGO, IMAGO / Leemage)
Rosa Luxemburg (Porträt um 1900)

Kleine Frau auf Obstkiste

Bereits als Sechzehnjährige schließt sie sich einer von der russischen Obrigkeit verbotenen sozialistischen Gruppe an, die sich "Zweites Proletariat" nennt. Deshalb muss sie nach dem Abitur vor der zaristischen Polizei fliehen. Mit finanzieller Unterstützung ihres Vaters reist sie in die Schweiz.

Landwehrkanal (Foto: SWR, dontshow -)
Erst 1971 erschienen ihre Schriften in der DDR, am Landwehrkanal hängt heute eine Gedenktafel

Die junge Frau wird schnell bekannt in der europäischen Sozialdemokratie. Auf Kongressen geht sie keinem Streit aus dem Weg, hat vor Autoritäten nicht die geringste Angst und verfügt über enormes rhetorisches Talent. Oft muss sich die kleinwüchsige Frau bei ihren Reden auf einen Stuhl oder eine Obstkiste stellen, damit sie überhaupt vom Publikum gesehen wird.

Die deutsche Sozialdemokratie zerfällt Anfang des 20. Jahrhunderts in zwei verfeindete Lager. Auf der einen Seite die, die eine Revolution zumindest theoretisch nicht ausschließen und an der Alleinherrschaft der arbeitenden Klasse festhalten – im marxistischen Jargon an der "Diktatur des Proletariats".

Proletariat und Revisionismus

Auf der anderen Seite die sogenannten Revisionisten, die das erkämpfen wollen, was uns heute als Sozialstaat selbstverständlich erscheint: keine Revolution, sondern schrittweise Reformen, die das kapitalistische System nicht grundsätzlich infrage stellen. Rosa Luxemburg hat ihren eigenen Kopf. Sie lehnt die reformistische Position ebenso ab wie eine Revolution, die über Leichen geht, erzählt ihr Biograf Ernst Piper.

Am 18.1.1969 in Westberlin. Anlass der Demonstration ist der 50. Jahrestag der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture-alliance / Reportdienste -)
Am 18.1.1969 in Westberlin. Anlass der Demonstration ist der 50. Jahrestag der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht

Sie lässt sich nicht unterkriegen, vor allem, als die deutschen Sozialdemokraten ihre historisch gesehen größte Anpassungssünde begehen: Sie geben ihre Zustimmung zu den sogenannten Kriegskrediten und machen es dem deutschen Kaiser im August 1914 möglich, den Ersten Weltkrieg zu beginnen.

Unmittelbar danach gründet Rosa Luxemburg mit einigen Genossen die parteiinterne Opposition "Gruppe Internationale". In ihr sammeln sich die Kriegsgegner der SPD. Unter anderem der einzige Abgeordnete der Partei, der gegen die Kriegskredite gestimmt hatte: Karl Liebknecht.

Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht geben "Spartakus" heraus

Die Gruppe wird später unter dem Namen ihrer Zeitschrift "Spartakus" bekannt, die Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg gemeinsam herausgeben. Ab Februar 1915 verbüßt sie ihre Haftstrafe. Als sie nach einem Jahr entlassen wird, stehen auf der Straße vor dem Gefängnis mehrere Tausend Menschen, die ihr zujubeln.

Bereits drei Monate nach ihrer Entlassung steckt man Rosa Luxemburg erneut ins Zuchthaus, diesmal für zweieinhalb Jahre. Zynisch nennt die Justiz diese Strafe "Schutzhaft". Die kleinwüchsige Frau ist zur ernsten Bedrohung des deutschen Militarismus geworden.

Rosa Luxemburg (Fotografie um 19071908) (Foto: IMAGO, IMAGO / Leemage)
"Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden." Das Zitat stammt von einer der scharfsinnigsten und mutigsten Frauen der deutschen Geschichte: Rosa Luxemburg (Fotografie um 1907/1908)

Im Zuchthaus verfasst Rosa Luxemburg Aufsätze, die Freunde herausschmuggeln und illegal publizieren. Darunter auch eine Broschüre, in der sie scharf mit der SPD abrechnet. Sie ist nach ihrer Auffassung zu einer staatstragenden Partei geworden, die ab Oktober 1918 auch an der Regierung beteiligt ist. Zuvor hatten die deutschen Sozialdemokraten alle Kriegsgegner aus der Partei ausgeschlossen.

Erst ab 1971 in der DDR veröffentlicht

Am 15. Januar 1919 wird Rosa Luxemburg mit Karl Liebknecht und Wilhelm Pieck, dem späteren Präsidenten der DDR, verhaftet. Man verschleppt sie in das Hauptquartier der Schützendivision in der Nähe des Bahnhofs Zoo. Nach einer kurzen Befragung zerren die Soldaten Karl Liebknecht in ein Auto und misshandeln ihn schwer, bevor sie ihn im Tiergarten erschießen.

Wilhelm Pieck kommt mit dem Leben davon, weil er die Verstecke seiner noch nicht verhafteten Genossen verrät. Als Rosa Luxemburg das Gebäude verlässt, erwartet sie dort ein Soldat, der ihr mit dem Gewehrkolben den Kopf einschlägt. Ihre Leiche wirft man von einer Brücke aus in den nahegelegenen Landwehrkanal.

Erst 1971 erschienen ihre Schriften in der DDR. Am Landwehrkanal hängt heute eine Gedenktafel.

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