14.10.1931

NSDAP schwadroniert über "Lebensraum"

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Von Maximilian Schönherr

In der 54. Sitzung wird Brünings Regierungserklärung vom Vortag diskutiert.

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Breitscheid unterstützt die Notverordnungen

Der SPD-Abgeordnete Rudolf Breitscheid unterstützt die Notverordnungen der Regierung im Wesentlichen, weil sie sich gegen den Bürgerkrieg und die Auflösung der Demokratie richteten. Er kritisiert aber auch, dass sie zu Lasten der Arbeiterklasse gingen.

Die Tonaufnahme von Breitscheids langer Rede bricht sehr früh ab, nämlich an der Stelle, wo er erklärt, wie sich die Opposition von rechts im Jahr 1931 geändert habe.

Wilhelm Frick spricht von "Lebensraum" und "Kriegsschuldlüge"

Wilhelm Frick von der NSDAP führt in seiner Rede das Wort "Lebensraum" ein, den "Lebensraum für seine bei einer artgemäßen Führung des Reiches sich von selbst ergebende wachsende Volkskraft". Darin steckt bereits der Keim von Hitlers späterer Eroberungs- und Ausrottungspolitik. Frick lehnt alles Kompromisshafte seiner Vorredner ab. Mehrfach nutzt er das Wort der "Kriegsschuldlüge" und spricht der Regierung Brüning das Misstrauen aus. Die Notverordnungen nennt er "Terrormaßnahmen". Wenig später, kurz vor Ende seiner Rede, ist der Mitschnitt dieses Teils der Sitzung zu Ende. Wir hören insbesondere nicht, wie nach dem stürmischen Beifall der NSDAP-Fraktion diese – wie schon mehrfach zuvor – unter "Heil Hitler!"-Rufen den Saal verlässt.

Reichsfinanzminister verteidigt die Unterstützung deutscher Großbanken

Es folgen Ausschnitte aus den Reden von Ernst Oberfohren (DNVP), Josef Joos (Zentrum) und des Reichsfinanzministers Hermann Dietrich. Dietrich verteidigt die Unterstützung der deutschen Großbanken durch die Regierung und nimmt dann Stellung zu dem ehemaligen Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht. Schacht hatte in einer außerparlamentarischen Rede in Bad Harzburg drei Tage zuvor vom Bankrott der Weimarer Republik gesprochen. Seine Rede war von der Telegraphen-Union in einer entschärften Version verbreitet worden, was der Regierung wiederum den Vorwurf einbrachte, es mit der Wahrheit nicht so ernst zu nehmen. Die Rechtfertigung ist nicht im Audio-Material enthalten.

Die Redner:

Rudolf Breitscheid (SPD)
Wilhelm Frick (NSDAP)
Ernst Oberfohren (DNVP)
Josef Joos (Zentrum)
Hermann Dietrich (Reichsfinanzminister, DDP)

Länge: 27 Minuten

Aufnahmen: Der Reichstag vor Hitler

13.6.1930 Parlamentsdebatten im Rundfunk?

13.6.1930 | Sollen Reichstagsdebatten im Rundfunk übertragen werden? Darüber gingen die Meinungen 1930 auseinander. Reichstagspräsident Paul Löbe (SPD) hat eine klare Haltung: Ja!

5.2.1931 Haushalt des Deutschen Reichs wird verhandelt

5.2.1931 | Reichskanzler Heinrich Brüning (Zentrum) spricht über die darniederliegende Landwirtschaft im Osten des Reichs. Er pocht darauf, die Reparaturleistungen an die Siegermächte des Ersten Weltkriegs zu begleichen. Joseph Goebbels (NSDAP) wirft dem Brüning-Kabinett Versagen vor.

6.2.1931 Tumulte und Streit um "Katholikenhetze"

6.2.1931 | Der Abgeordnete Josef Joos (Zentrum) greift den Domprediger Bruno Doehring (Deutschnationale Volkspartei) an, weil er gegen Katholiken hetze und der Zentrumspartei Linkslastigkeit vorwerfe. Nach Tumulten und dem Ausschluss mehrerer Abgeordneter durch Reichstagspräsident Paul Löbe (SPD) fährt Joos fort. Er fordert eine politische Kultur, die keine "Zerstörungsinstinkte" beim Mob auf der Straße wecke, sondern ihre Arbeit tue.

9.2.1931 Die NSDAP droht und verlässt das Parlament

9.2.1931 | Der Nationalsozialist Franz Stöhr erklärt den Vertretern des Zentrums: "Es kommt der Tag, und er kommt sehr bald, an dem Ihnen für Ihr schamloses Verhalten die Quittung ausgestellt werden wird, die Sie verdienen!" Die NSDAP-Abgeordneten stehen auf, rufen "Heil!" und verlassen, das Horst-Wessel-Lied singend, den Saal. Die kommunistische Fraktion fängt dann auch an zu skandieren, nämlich "Prolet erwache!"

10.2.1931 Reichsaußenminister Julius Curtius beklagt erdrückende Reparationsleistungen

10.2.1931 | Curtius berichtet von der Tagung des Völkerbunds in Genf. Deutschland sei dort "national", also selbstbewusst aufgetreten, auch wenn die Reparationsleistungen erdrückend seien.

5.3.1931 Reichsinnenminister Joseph Wirth bestreitet "Bürgerkrieg" und problematisiert die Rundfunkfreiheit

5.3.1931 | Das Parlament tagt ohne NSDAP weiter. Reichsinnenminister Joseph Wirth weist das „Gerede vom Bürgerkrieg“ zurück. Er spricht auch den Rundfunk an. Solle man ihn als politisches Instrument einsetzen? Wenn ja, würde er, Wirth, die Zensur am liebsten selbst in der Hand haben.

6.3.1931 Julius Moses (SPD) warnt vor wachsendem Elend in der Bevölkerung

6.3.1931 | Der SPD-Abgeordnete und Arzt Julius Moses beschwört die Abgeordneten, das Elend der Bevölkerung ernst zu nehmen. Er warnt vor "Verschmutzung und Verlausung".

13.10.1931 Regierungserklärung zur Not in Deutschland

Reichskanzler Heinrich Brüning gibt eine Regierungserklärung ab. Die Not in Deutschland habe eine lähmende Wirkung auf den internationalen Handel.

14.10.1931 NSDAP schwadroniert über "Lebensraum"

Wilhelm Frick fordert für das deutsche Volk "Lebensraum für seine bei einer artgemäßen Führung des Reiches sich von selbst ergebende wachsende Volkskraft" und spricht mehrfach von "Kriegsschuldlüge".

15.10.1931 DVP setzt sich für die Interessen der Beamten ein

Laut Eduard Dingeldey (DVP) sind den Beamten die einschneidenden Gehaltskürzungen nicht vermittelbar. Ursache der Belastung seien die Reparationszahlungen an die Siegermächte des Ersten Weltkriegs.

16.10.1931 Reichskanzler Brüning geht auf Adolf Hitler zu

16.10.1931 | In seiner Rede über die Notverordnungen schlägt Heinrich Brüning milde Töne an. Er dankt allen Fraktionen für die "Vornehmheit", die sie ihm bei aller Kritik entgegengebracht hätte – auch dem "Führer", der dem Parlament gar nicht angehört.

23.2.1932 Goebbels keift gegen Hindenburg

Die Neuwahl des Reichspräsidenten steht an. Joseph Goebbels (NSDAP) beschreibt Hindenburg als Witzfigur und rechnet mit der Regierung ab. Goebbels wird des Saals verwiesen.

24.2.1932 Eugen Bolz spricht im Reichstag

24.2.1932 | Eugen Bolz (1881 - 1945) saß ab 1920 für die Zentrumspartei im Berliner Reichstag. Dort spricht er 1932 über die aktuelle Krise. 1940 schloss er sich dem zivilen Widerstand um Carl Friedrich Goerdeler an.

24.2.1932 Rudolf Breitscheid wettert gegen "Mein Kampf"

24.2.1932 | Im Zentrum der Debatte steht die Rede des SPD-Abgeordneten Rudolf Breitscheid. Er setzt sich mit Adolf Hitlers Buch "Mein Kampf" auseinander und zeichnet eine düstere Zukunft für die parlamentarische Demokratie. Der SPD-Mann kritisiert auch die KPD, weil sie ihren Hauptfeind in den Sozialdemokraten sähe statt in den Nationalsozialisten.

25.2.1932 Brüning stellt sich gegen Hitler

Brüning betont, dass er nicht zur Verfügung stünde, kämen die Nationalsozialisten an die Macht. Er unterstützt die Wiederwahl Paul von Hindenburgs zum Reichspräsidenten.

Parlamentsdebatten 1931 bis 1933 Der Reichstag vor Hitler

Die Weimarer Republik war die erste parlamentarische Demokratie in Deutschland. In bisher unveröffentlichten Tonaufnahmen der Parlamentsdebatten wird ihr Scheitern erfahrbar.

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Von Maximilian Schönherr