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Das Ende des Bargelds?

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Beate Krol
Beate Krol (Foto: SWR, privat)
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Ulrike Barwanietz & Ralf Kölbel

Ökonomen wollen das Bargeld abschaffen: Es sei umständlich und begünstige Geldwäsche. Doch Widerstand regt sich gegen das Ende von Münzen und Scheinen.

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Um das Bargeld ist ein Kampf entbrannt – der "War on Cash". Er tobt weltweit und gilt einem Gut, das die Menschheit seit gut 2.500 Jahren begleitet.
Die Menschen sollen digital bezahlen – ausschließlich. Das ist das Ziel der Bargeldgegner. Um es zu erreichen, ziehen sie alle Register. Angefangen von ausgeklügelten Marketingstrategien über Auftrags-Studien bis hin zu Bargeldentwertungen. Auf der anderen Seite stehen die Bargeldbefürworter.
Doch wer den "War on Cash" gewinnt, liegt letztendlich bei den Bürgern. Fragen sie Bargeld nach, gibt es Bargeld. Bezahlen sie nur noch digital, verschwindet es. In Deutschland werden noch 80 Prozent aller Bezahlvorgänge bar getätigt.

Bare Münze

Bis vor kurzem galt es in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft als ausgemacht, dass Deutschland die letzte verbliebene Bargeldbastion im Euroraum sei, die die Bargeldgegner noch einnehmen müssen. Doch weit gefehlt.
Die Menschen in Österreich, Portugal, Spanien, Italien und Griechenland greifen noch öfter zu Münzen und Scheinen als die Deutschen. Spitzenreiter unter den Bargeldzahlern sind die Bürger Maltas – dort werden nicht 80 Prozent der Geschäfte, sondern 92 Prozent bar abgewickelt.

Automaten für die Kollekte

Und Schweden? Dort kann es in manchen Kneipen schon heute passieren, dass Bargeld nicht akzeptiert wird. Auch in vielen Kirchen wurden für die Kollekte Automaten aufgestellt, bei denen man per Karte bezahlt. Und trotzdem hängen die Schweden stärker am Bargeld als vermutet.
Das digitale Bezahlen läuft in Schweden über Karten, Smartphones und das Internet. Aber nicht alle können damit umgehen – das gilt insbesondere für alte Menschen und Kinder. Auch ist das digitale Bezahlen außerhalb der Städte oft schwierig. Und dann ist da noch die steigende Kriminalität.

Schwedischer Automat mit Visa Karte (Foto: SWR, SWR -)
In Schweden findet mittlerweile der überwiegende Teil des Zahlungsverkehrs bargeldlos statt.

Lukrativ für Banken

In Schweden liegt die Anzahl der Identitätsdiebstähle weit über dem europäischen Durchschnitt. Im Darknet kann man für umgerechnet gerade mal 25 Euro eine gestohlene Kreditkarte kaufen.
In Schweden haben sich darum die Banken und Zahlungsdienstleister bereits in Stellung gebracht. Ihr Argument: Das System lasse sich nicht mehr zurückdrehen, das digitale Bezahlen sei zu weit fortgeschritten. In Wirklichkeit ist die Branche wohl eher an Einnahmen interessiert, denn das digitale Bezahlen ist ein lukratives Geschäft – auch weil dabei so viele Daten anfallen.

Noch mehr Daten hergeben

Daten von Kunden, die sich dann ihrerseits zu Geld machen lassen, sagt Friedemann Ebelt von Digitalcourage. Die Zahlungsdaten sind die letzten Puzzlesteine, die zum gläsernen Bürger und Konsumenten noch fehlen. Das macht sie besonders kostbar. Sich gegen den Missbrauch von Bezahldaten zu wehren, ist kaum möglich, kritisiert Friedemann Ebelt. Auch die sogenannte "Nearfield Communication", bei der man das Smartphone nur noch vor einen Sensor halten muss, haben Hacker auf einem Kongress schon demonstrationsweise geknackt.

Bezahlen mit dem Smartphone per NFC (Foto: Colourbox, Foto: Colourbox.de -)
Das Bezahlen mit Smartphone über die sogenannte Near Field Communication (NFC) ist nicht hundertprozentig sicher.

Kein Schutz durch die Unternehmen

Über diese Sicherheitsrisiken schweigen sich die Unternehmen aus. Sie betonen stattdessen, wie fantastisch ein Leben ohne Bargeld sei.
Bargeld ist unbequem - hinter Barzahlern bilden sich lange Warteschlangen - digitales Bezahlen macht frei: Mit solchen Botschaften wird eine bargeldlose Welt in den Köpfen der Menschen positiv besetzt, um so die Wahrnehmung im Sinne der Zahlungsdienstleister zu beeinflussen. Diese Methode nennt sich "Framing", Rahmung.

Riesiger Markt in Entwicklungsländern

Die Citibank schätzt, dass man in den Schwellen- und Entwicklungsländern 35 Milliarden Dollar an Transaktionsgebühren verdienen könnte. Und zwar dann, wenn es gelingt, das Bargeld zu verdrängen und die Menschen zum digitalen Bezahlen zu bringen. Das ist mehr, als Visa und MasterCard heute in den USA einnehmen – dem bislang größten Markt für bargeldloses Zahlen. Dazu kommen die Einnahmen durch die Nutzung der Daten. Milliarden von Profilen, die ohne lästige Datenschutzgesetze erstellt, verknüpft und beworben werden können. Bargeld steht diesen Gewinnen im Weg.

Ein Sicherheitsschloss vor einer Matrix. (Foto: Getty Images, Thinkstock -)
Welche Daten bleiben noch sicher unter Verschluss?

Macht Barzahlen freier?

Neben diesen rein ökonomischen Gründen, gibt es möglicherweise noch geopolitische Gründe. Denn etliche der Schwellen- und Entwicklungsländer sind für die USA strategisch wichtig. Das Berliner Startup barzahlen.de hat ein System entwickelt, mit dem man auch im Internet bar bezahlen kann. Der Kauf läuft ab wie gewohnt, nur dass man beim Bezahlen nicht seine Kreditkarten- oder Kontonummer eingibt, sondern einen Barcode anfordert.

Expansion der harten Währung

Damit geht man zu einem örtlichen Partnergeschäft von barzahlen.de und löst dort den Code mit Bargeld aus. Das Geschäft bestätigt dem Online-Shop die Zahlung und es kommt zur Lieferung. Mehr als 100.000 Online-Shops und erste große Drogerie- und Supermarktketten haben sich seit der Gründung von barzahlen.de im Jahr 2011 dem Barcode-System angeschlossen. Auch Wohnungsgesellschaften und Energieunternehmen sind dabei.

Nur noch digital oder digital und bar?

Für Achim Bönsch und sein Team stellt sich die Welt daher ganz anders dar als für die Konkurrenz aus dem Lager der Bargeldgegner. Das Unternehmen expandiert gerade nach Österreich, Italien, Griechenland und in die Schweiz.
Noch ist offen, wer den Krieg ums Bargeld gewinnt. Sicher ist: Es geht um mehr als um die Art des Zahlungsmittels. Es geht um Kontrolle und Sicherheit, es geht um Macht – und um sehr viel Geld, das sich mit digitalem Bezahlen verdienen lässt.

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