Eine Schülerin schreibt etwas an die Tafel (Foto: Getty Images, Thinkstock -)

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Gerechte Schule: Wie können benachteiligte Schüler besser gefördert werden?

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Gespräch mit Anne Christine Holtmann. Online: Susanne Paluch.

Warum Kinder aus sozial schwachen Familien schlechtere Bildungschancen haben als Kinder privilegierter Schichten, hat die Sozialwissenschaftlerin Anne Christine Holtmann erforscht. Im Gespräch berichtet sie über ihre überraschenden Ergebnisse.

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Anne Christine Holtmann nahm die Schulsysteme von über 35 Ländern unter die Lupe. Sie interessierte sich besonders für Finnland und die USA, zwei Antipoden: In Finnland ist die Schule sozial sehr heterogen, in den USA ist es genau umgekehrt. Was sind die Folgen dieser Heterogenität und Homogenität?

Das Gespräch mit Anne Christine Holtmann auf einen Blick:

"Ich wollte herausfinden, ob hohe Ungleichheit eher an den Schulen oder an den Familien hängt. Dazu habe ich mir angeschaut, was die Kinder in den Sommerferien lernen und was sie im Schuljahr lernen. Denn in den Sommerferien sind Schulen geschlossen, d.h. es gibt keinen großen Einfluss der Schulen.

Man sieht, dass die Kluft in den Kompetenzen zwischen Kindern verschiedener sozialer Herkunft während der Sommerferien in den USA stark ansteigt und in Finnland deutlich weniger. Und da in dieser Zeit ja der Haupteinfluss-Faktor die Familien sind, schließe ich daraus, dass die Ungleichheit zwischen Familien in den USA viel größer ist und dass das ein Faktor ist, warum dort die Bildungschancen auch ungleich höher sind als in Finnland.

In einem zweiten Schritt wollte ich herausfinden, was innerhalb eines Schuljahres passiert, also wenn der Einfluss der Schulen dazukommt. Und es ist interessant: In Finnland holen Kinder aus benachteiligten Familien im Schuljahr stark auf.

In den USA wächst die Kluft in den Kompetenzen dagegen weiter, langsamer als in den Ferien, aber trotzdem wächst sie weiter. Das zeigt, dass auch die Schule einen Einfluss darauf haben, dass die Chancengleichheit in Finnland höher ist." (Anne Christine Holtmann)

"Das finnische Schulsystem beruht auf dem Prinzip der sozialen Heterogenität, die Klassen sind sozial stark durchmischt. Und das führt letztlich dazu,

  • dass benachteiligte Schüler nicht schlechter werden, sondern mit der Zeit immer besser. Sie haben eben Kontakt mit engagierten Lehren und Kindern aus anderen Schichten, von denen sie viel lernen können.
  • Die guten Schüler werden in diesem System nicht schlechter, sondern auch besser."

(Anne Christine Holtmann)

"Ich würde in zwei Bereichen etwas ändern: im Bereich der Familien und im Bereich der Schulen.

Man kann die Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen gebildeteren und weniger gebildeten beeinflussen: durch Sozialpolitik, durch Steuern, durch Mindestlöhne, durch Beschäftigungschancen für Geringqualifizierte.

Der zweite Bereich sind Schulen. Ich denke, dass gerade für benachteiligte Schüler Schulen besonders zentral sind. Ich glaube, das erklärt auch, warum die soziale Durchmischung gerade für diese Schüler so wichtig ist, weil es ihnen neue Chancen eröffnet, vielleicht kann man sogar sagen, es kann ihnen neue Lern-Welten eröffnen." (Anne Christine Holtmann)

Anne Christine Holtmann (Foto: SWR, Wissenschaftszentrum für Sozialforschung Berlin - David Ausserhofer)
Die Sozialwissenschaftlerin Dr. Anne Christine Holtmann hat zum Thema "Why are children from disadvantaged families left behind? (Warum Kinder benachteiligter Familie zurückgelassen werden) promoviert und dafür den renommierten Studienpreis der
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Gespräch mit Anne Christine Holtmann. Online: Susanne Paluch.