Die Petition als solche ist nicht erst eine Errungenschaft der Demokratie. Bereits im Mittelalter gab es die sogenannte Bittschrift. Damals eher ein Instrument absolutistischer Herrscher zur Image-Pflege und Revoltenprävention, ist sie heute als Form der Bürgerbeteiligung fest in unserer Demokratie verankert: in Form von Bürgerbeauftragten und Petitionsausschüssen. Zugleich wird das Petitionsverfahren von verschiedenen Seiten kritisiert: Es hapere an seiner Bürgernähe, Transparenz und Wirkung.
Petition ist nicht gleich Petition
Wenn Menschen mit der Politik ein Problem haben – zum Beispiel mit dem Schulsystem, mit der Abholzung des Hambacher Forsts, mit Kopftüchern oder dem Abwasserkanal vor ihrem Haus – dann können sie eine Petition starten, um mit ihrer Unterschrift die Politik zum Handeln zu bewegen.
Die bekannteste Form der Petition sind sicherlich Online-Petitionen. Mehrere Plattformen im Netz bieten sie an, u.a. "Campact.de" oder "Change.org". Doch eine Online-Petition allein bringt tatsächlich erstmal – gar nichts. Unabhängig davon, wie viele Menschen unterschreiben. Denn wer sicher sein will, dass das eigene Anliegen von der Politik diskutiert wird, muss es über den offiziellen Weg einreichen, also zum Beispiel beim Bundestag oder bei einem Landtag. Die private Plattform „Open Petition" leitet Petitionen unter bestimmten Bedingungen an die zuständige Stelle weiter – andere tun das nicht.
Manch einen hat dies überraschend getroffen, so zum Beispiel Ulrich May, der eine Online-Kampagne für den Erhalt einer Skulptur im Kreis Lörrach gestartet und Unterschriften gesammelt hatte. Erst kurz vor knapp erfuhr er im Gespräch mit dem Büro des Petitionsausschusses, dass die Online-Petition allein nichts bewirken könne. Beate Böhlen, Vorsitzende des Petitionsausschusses in Baden-Württemberg, sieht da noch Handlungsbedarf: „Da müssen wir, auch zusammen mit den Online-Petitionsplattformen nochmal mehr in die Offensive gehen, um das klarzustellen. Ich halte auch beides für richtig, eine Petition auf einer Online-Petitionsplattform einzustellen, aber sie dann auch an den Landtag oder Bundestag einzureichen.“
Mangelnde Öffentlichkeit?
Plattformen für Online-Petitionen sind für eine erfolgreiche Petition nahezu unerlässlich, denn sie bekommen oft beachtliche Beteiligungszahlen – allerdings unabhängig davon, wie seriös die Petition ist. So wurden für die Petition ‚Markus Lanz – raus aus meinem Rundfunkbeitrag‘ 235.000 Stimmen generiert.
Zugleich verfolgen sie ihre eigenen Ziele. „Open Petition“ beispielsweise gehört zu 49% zur Kampagnenorganisation Campact. Diese bezeichnet sich selbst als parteipolitisch unabhängig. Aber der Verein will nach eigenen Angaben sozialen, ökologischen und demokratischen Fortschritt vorantreiben – hat also durchaus eine bestimmte Agenda. Sollte eine Plattform aber nicht möglichst neutral sein? Im besten Fall demokratisch legitimiert – wie ein Parlament? Warum also fristet das Original, die Parlamentspetition, noch immer ein Schattendasein und wird vergleichsweise wenig genutzt?
Mangelnde Transparenz?
Hat man eine Parlamentspetition offiziell eingereicht, muss man sich oft in Geduld üben: Die Verhandlungen der Petitionsausschüsse sind nicht öffentlich. Auch erfährt man hinterher nicht viel darüber, wie genau eine Entscheidung zustande gekommen ist. Barbara Schleicher-Rothmund, Bürgerbeauftrage des Landes Rheinland-Pfalz, sieht dafür zwei gute Argumente - Anonymität des Bürgers und Sachlichkeit der Debatte:
„Die Leute wenden sich ja an uns auch in der Gewissheit, dass das Ganze nicht öffentlich wird. […] Zum anderen ist es aber auch so, dass im Petitionsausschuss sehr, sehr entlang der Sache diskutiert wird. Und würden Sie es jetzt öffentlich machen, würden Sie unter Umständen einen Raum schaffen, dass man es dann politisch diskutieren kann. Und damit wäre das kostbare Gut Petitionsrecht in seiner Vollständigkeit angegriffen.“
Das sieht Markus Linden, Politikwissenschaftler an der Uni Trier, anders. In Rheinland-Pfalz gäbe es ja die Möglichkeit, öffentliche Petitionen an den Landtag mit zu zeichnen. Über eine Online-Plattform könnten Bürger mit einem Klick angeben, dass sie das Anliegen eines anderen unterstützen. Wer sich so am Diskurs beteilige, wolle doch auch die Diskussion im Ausschuss mitbekommen.
Mangelnde Bürgernähe?
Sarah Händel von der Nichtregierungsorganisation „Mehr Demokratie“ sieht das ähnlich. Sie kritisiert zudem die Tatsache, dass in Baden-Württemberg derzeit ausschließlich Einzelpetitionen, also von einer einzelnen Person eingereichte Anliegen, zulässig sind:
„Im besten Falle wär‘s so, dass man eben, wenn man eine Relevanzschwelle überschreitet, also vielleicht 10.000 Unterschriften hier in Baden-Württemberg, […] dann auch ein konkretes Recht bekommt, zum Beispiel eine öffentliche Anhörung im Petitionsausschuss. […] Und da ist es ganz wichtig, dass öffentlich diskutiert wird, dass die Petenten auch selber anwesend sein dürfen und auch ein Diskussionsteilnehmer sind, dass nicht nur über sie geredet wird, sondern wirklich ein Austausch stattfindet. Und dann ist natürlich auch ganz wichtig, dass eben dadurch erst die Medienberichterstattung stattfinden kann.“
Natürlich gibt es auch positive Aspekte am Format Einzelpetition. Uwe Lehmann aus Flonheim zum Beispiel hatte sich aus persönlichen Gründen für die Beerdigung eines Freundes in seiner Heimat eingesetzt - was nach einem vermittelnden Gespräch mit der Bürgerbeauftragten auch bewilligt wurde: "Dieses Ohnmachtsgefühl, das Gefühl, hier geht’s nicht weiter und man tritt auf der Stelle und hier wird eine Entscheidung getroffen über einen Menschen hinweg – in irgendeiner Form: Das hat sich in Wohlgefallen aufgelöst." Kritiker finden diese Form der Petition jedoch nicht für alle Arten von Anliegen geeignet, die Bürger vorbringen.
Eine Chance für die Demokratie
Markus Linden sieht in einer Anpassung der Petitionsverfahren eine Chance, unsere Demokratie zu stärken: „Ich bin dann Fan des Petitionswesens, wenn das Petitionswesen das Parlament stärkt. Denn das Parlament ist eine Institution, die viele für überkommen halten. Die aber in der Demokratie eine geniale Erfindung ist. Weil dort widerstreitende Interessen aufeinandertreffen auf einer öffentlichen Bühne, die für alle gleich ist.“