Heidelberger Schloss (Foto: SWR, SWR -)

Warum wir sehenswürdig sind

Was Touristen an Deutschland schätzen

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Dirk Asendorpf
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Meta Wolfsperger
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

SWR2 Wissen. Aus der Reihe: "Das neue Deutschland" (2/9). Von Dirk Asendorpf

Das Reiseziel Deutschland boomt. Die Zahl ausländischer Touristen ist stark gestiegen. Doch Ausländerfeinde und Terroristen gefährden das Image.

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Freundliche Gastgeber in einer offenen Gesellschaft mit viel Kultur und guter Küche – es ist noch gar nicht lange her, dass für Deutschlands Image als Reiseziel das Gegenteil zutraf. "Kalt, teuer und erlebnisarm" – so lautete 1997 die Überschrift in der jährlichen Tourismusanalyse des Hamburger Freizeit-Forschungsinstituts. Heute boomt das Geschäft mit den ausländischen Touristen. Mit über 50 Millionen Gäste-Ankünften im Jahr hat Deutschland Frankreich weit überholt und liegt jetzt knapp hinter Spanien auf Platz zwei der populärsten europäischen Reiseländer.

Rucksacktouristen in Berlin - ein sehr beliebtes Reiseziel (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa -)
Rucksacktouristen in Berlin - ein sehr beliebtes Reiseziel

Bei den 15- bis 24-Jährigen gilt Deutschland sogar als Wunschziel Nummer eins. Vor allem Berlin ist angesagt. Europas Jugend reist im Billigflieger an, zieht mit Rucksack und Rollkoffer durch Kreuzberg und Neukölln, freut sich über eine lebendige Kneipen-, Kunst- und Partyszene – bei vergleichsweise niedrigen Preisen. Der Hauptstadt Berlin folgt München in der Rangfolge der für Touristen beliebtesten Städte. Dort sorgen Ausländer sogar für jede zweite Übernachtung, mehr als irgendwo sonst in Deutschland. Doch auch Deutschlands Natur ist attraktiv, fast ein Viertel aller ausländischen Gäste übernachten in Orten mit weniger als 10.000 Einwohnern.

Miniaturzüge als Touristenattraktion

Jedes Jahr fragt die Deutsche Zentrale für Tourismus zehntausende ausländische Gäste nach ihrer Lieblings-Sehenswürdigkeit. Gewinner im Jahr 2016 war nicht etwa die Heidelberger Altstadt, das Schloss Neuschwanstein oder der Bodensee – sie landeten nur auf den Plätzen zwei, vier und sechs. Platz eins belegte: das Miniatur-Wunderland in Hamburg, die größte Modelleisenbahnanlage der Welt.

Italien ist in der Wunderwelt en miniature vertreten, Skandinavien und Las Vegas. Den Kern bildet aber Deutschland – von der Nordsee bis zu den bayrischen Bergen. Keine heile Welt mit Fachwerkromantik und Trachtentanz ist da zu sehen, sondern ein modernes Industrieland mit Flughafen, Verkehrsunfällen, FKK-Strand und einem Großkonzert mit DJ Bobo.

Amerikateil (Foto: SWR, SWR - Hagen v. Ortloff)
Miniatur pur: Die Lieblings-Sehenswürdigkeit von Touristen im Jahr 2016 war das Miniatur-Wunderland in Hamburg

Zu Gast bei Freunden – das Motto der Fußballweltmeisterschaft 2006 war ein geschickter Versuch der Deutschen Zentrale für Tourismus, das Bild des humorlos-strengen Deutschen zu brechen. Und der Plan ging auf. Unser Land erwies sich als feierfreudig, offen, bunt und locker, selbst das Wetter zeigte sich wochenlang von seiner besten Seite. 1,3 Millionen Fußballfans trugen die Botschaft in alle Welt: Urlaub in Deutschland kann Spaß machen – und ist dabei auch noch vergleichsweise billig.

Asiaten sorgen für guten Umsatz

Billigflieger machen auch Kurztrips erschwinglich, inzwischen mischen sich sogar im garstigen Dezemberwetter gutgelaunte Südeuropäer unter die dick vermummten Besucher norddeutscher Weihnachtsmärkte. Noch sind es vor allem Europäer, die nach Deutschland strömen. Doch ein Viertel aller ausländischen Besucher reist bereits aus Übersee an. Und die Zukunft des globalen Tourismus, darin sind sich die Marktforscher einig, liegt im asiatischen Markt.

Tatsächlich sorgen Chinesen allein mit dem zollfreien Einkauf von Luxusgütern in deutschen Geschäften bereits für eine Milliarde Euro Umsatz im Jahr. Mit großem Vorsprung liegen sie damit vor Touristen aus Russland, der Schweiz und den arabischen Emiraten. Die USA liegen auf der Liste der ausgabefreudigsten Überseetouristen nur auf Platz neun. Chinesische Touristen zücken nicht nur am schnellsten ihre Kreditkarte, sie sind auch am besten über ihr Reiseland informiert.

Ein Pkw nachts auf einer Straße mit hohem Tempo, bildlich verwischt durch lange Belichtungszeit (Foto: SWR, picture-alliance / dpa - Frank Rumpenhorst)
Die vielen deutschen Autobahnen ohne Geschwindigkeitsbegrenzung locken ausländische Touristen an

Eine ganz besondere Attraktion bietet Deutschland Liebhabern schneller Autos. Vor allem für asiatische Touristen ist die Fahrt auf einer leeren Autobahn ohne Geschwindigkeitsbegrenzung ein Erlebnis, das zu Hause unvorstellbar wäre. So attraktiv der deutsche Asphalt, so gewöhnungsbedürftig ist vor allem für asiatische Touristen die deutsche Küche. Gerne suchen sie sich deshalb Unterkünfte, die von Landsleuten mit Verständnis für ihre Essgewohnheiten geführt werden.

Doch es läuft nicht alles rund

Asiatische Touristen kommen mit besonders hohen Erwartungen an ein gut organisiertes, freundliches und friedliches Reiseland Deutschland – und werden nicht selten bitter enttäuscht: In der persönlichen Begegnung mit Deutschen auf der Straße, im Bus oder Restaurant fühlen sich Besucher aus Asien häufig eher unwohl.

Bei einer Pegida-Demo in Dresden (Foto: SWR, SWR -)
Demonstrationen gegen Ausländer wirken auf Deutschland-Touristen abschreckend

Demonstrationen pöbelnder Ausländerfeinde, Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, sexuelle Übergriffe in der Silvesternacht, ein islamistischer Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt – seit derartige Nachrichten und Bilder um die Welt gehen, hat das Interesse am Reiseziel Deutschland allerdings deutlich nachgelassen.

Deutschland ist ein Reiseziel wie viele andere auch. Wenn man ein bisschen aufpasst, kann man da gut Urlaub machen, schöne Landschaften und Städte erleben, nette Menschen treffen, lecker essen. Man kann aber auch erst einmal woanders hinfahren. Denn auch das ist gut an Deutschland: Es läuft einem nicht weg.

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Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)