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Die Biene in der Kultur – Honiggold und spitzer Stachel

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Brigitte Kohn
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)
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Ulrike Barwanietz

Bienen stehen für Fleiß, Ordnung und Gemeinschaftssinn. Kaum ein Tier hat die menschliche Fantasie so intensiv beflügelt wie die heute durch Umweltzerstörung bedrohte Biene. Sie summt auch durch die Kultur.

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In den Mythen vieler Völker helfen Bienen mit, die Welt zu erschaffen. Seit alters her liefern sie dem Menschen Honig, Wachs und Heilmittel. Bienen stehen für Fleiß, Ordnung und Gemeinschaftssinn. Der Dichter Wilhelm Busch wäre am liebsten Imker in Brasilien geworden, und die Schriftstellerin Sylvia Plath schöpfte noch kurz vor ihrem Selbstmord Trost aus der Imkerei, die sie mit Passion betrieb. Kaum ein Tier hat die menschliche Fantasie so intensiv beflügelt wie die heute bedrohte Biene. In vielen Werken der Kunst und Weltliteratur ist ihr Summen deutlich zu vernehmen. Und man spürt auch ihren Stachel und ihr bedrohliches Schwärmen, das Dämonen wachrufen kann.

Wildbienen leben meist solitär

560 Wildbienenarten gibt es allein in Deutschland. Die allermeisten leben solitär, bilden also keine Staaten wie die Honigbienen. Manche Arten sehen den Honigbienen sehr ähnlich, andere sind so winzig klein, dass nur das geübte Auge sie als Biene erkennt.

Die Bienenkönigin übrigens hielt man jahrtausendelang ganz selbstverständlich für ein Männchen. Bis die Erfindung des Mikroskops im 17. Jahrhundert die schockierende Tatsache ans Licht brachte, dass so ein Weisel Eierstöcke hat. Die Arbeiterbienen haben auch welche, doch ein Signalstoff, der von der Königin ausgeht, sorgt dafür, dass sie verkümmern.

Einmal im Leben lässt sich die Bienenkönigin auf ihrem Hochzeitsflug von Drohnen begatten, die kurz darauf sterben. Danach verlässt sie den Stock nie mehr und legt nur noch Eier, bis zu 2000 täglich. Die Arbeiterbienen bekommen im Laufe ihres Lebens unterschiedliche Aufgaben.

Eine gehörnte Mauerbiene sitzt am  auf einem Balkon auf Vergissmeinnicht-Blüten und sammelt Nektar (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa -)
Eine gehörnte Mauerbiene sitzt auf einem Balkon auf Vergissmeinnicht-Blüten und sammelt Nektar.

Eine eigene Bienensprache

Die Bienen sind ständig in körperlichem Kontakt, ertasten einander Kopf und Fühler, riechen den Duft der anderen, reichen einander komprimierte Pollen, teilen und tauschen den zuckersüßen Mageninhalt, nehmen Vibrationen, die Aufschluss über eine nahe Futterstelle geben, in Empfang.

Unentwegt umeinander in tiefer gemeinsamer Dunkelheit, tauschen sie Stoffe aus, saufen und würgen, berühren, fühlen, riechen, schmecken, tasten. Im warmen Dunkel umeinander, ein anderes Land. Eine andere Bienensprache.

Honigbienen und Wildbienen, beide sind auf ihre Art faszinierend. Das findet auch Cornelis Hemmer, der gemeinsam mit seiner Frau Corinna Hölzer die Stiftung "Deutschland summt" leitet. Die beiden betreiben ein Büro für Naturschutzkommunikation in Berlin. Angefangen haben sie mit den Honigbienen.

Deutschland summt

Das führte zu Bienenvölkern auf dem Dach von Opernhäusern, Kirchen, Rathäusern oder Universitäten: Damit bekennen deren Hausherren öffentlich, dass sie die Wichtigkeit der gefährdeten Biene erkannt haben. Und zwar nicht nur der Honigbiene, sondern auch der 560 Wildbienenarten in Deutschland.

Auch und vor allem für sie konzipiert "Deutschland summt!" Schaugärten, Gartenwettbewerbe, Veranstaltungen für Kinder und Vorträge über bienenfreundliches Gärtnern.

Nicht nur die Honigbiene, auch die Wildbiene ist für die Bestäubung von Pflanzen sehr wichtig. Beide sind bedroht durch den Einsatz von Pestiziden und den Landbau der konventionellen Landwirtschaft, der wenig Wildnis übrig lässt. Wildbienen brauchen eine optimale Mischung aus Baumaterial, Futterquellen und Nistplätzen, und jede Art hat ihre eigenen Ansprüche.

Der Spinner in den Wiesen

Von den 560 Wildbienenarten in Deutschland nehmen nur einige menschliche Nisthilfen an – Mauerbienen zum Beispiel. Im Arbeitszimmer des legendären Insektenforschers Jean-Henri Fabre, Jahrgang 1823, bauten sie ihre Nester in den abgedunkelten Glasröhrchen und Papierrollen, die der passionierte Insektenfreund dort für sie bereithielt. Fabre hatte seine Fenster immer offen und freute sich jedes Frühjahr auf das Schlüpfen der jungen Bienen.

Die Männchen kriechen als erste aus. Wenn die Sonne kräftig scheint, flattern sie um die Glasröhrchen herum, so als wollten sie sich die Örtlichkeit fest einprägen; sie rempeln sich gegenseitig eifersüchtig an, sie wälzen sich auf dem Parkett in wohl kaum ernstgemeinten Raufereien, sie stauben ihre Flügel ab und fliegen auf und davon. Sie berauschen sich an der Sonne und an dem honigsüßen Schmaus der Veilchen. Gesättigt kehren sie in die Wohnung zurück. Ständig fliegen sie vom von einem Glasröhrchen zum anderen, sie stecken den Kopf in die Öffnung, um festzustellen, ob sich nicht endlich ein Weibchen entschließen will herauszukommen.

Wildbienenmauer auf der Insel Mainau (Foto: SWR, SWR -)
Von den 560 Wildbienenarten in Deutschland nehmen nur einige menschliche Nisthilfen an – Mauerbienen zum Beispiel

Nach der Begattung beginnen die jungen Weibchen mit dem Nestbau, und nach der Eiablage sterben sie. Jean-Henri Fabre hat Wildbienen und andere wildlebende Insekten auf Tausenden von Seiten liebevoll beschrieben und kam im Jahr 1912 sogar in die engere Auswahl für den Literaturnobelpreis.

Doppelte Biografie

Als Vorreiter einer sanften Wissenschaft tötete er die Insekten nicht, spießte sie nicht auf, hielt sie nicht gefangen. Stattdessen lag er stundenlang bäuchlings auf Wiesen und auf Feldrainen, um ihr Tun und Treiben zu beobachten. Die Bauern der Umgebung hielten ihn schlicht für einen Spinner. Wozu sich für Insekten interessieren, von denen man nichts hat? Die keinen Tropfen Honig produzieren?

Doch die Biene hat eine doppelte Biographie, sagt Ralph Dutli. Eine fromme und auch eine erotische. Süß wie Honig ist die Liebe und bitter ihr Stachel. Schon in der Antike war das Motiv "Amor als Honigdieb" sehr beliebt, weil sich dem weinenden und von Bienen umschwirrten Götterknaben die tadelnde Liebesgöttin Venus beigesellt, pikanterweise nackt.

In der Moderne wird das Verhältnis zwischen Individuum und Gemeinschaft grundsätzlich problematisch. Da liegt es nahe, sich Bienenpersönlichkeiten auszudenken, die aus der Reihe tanzen. Jüngstes Beispiel: "Die Bienen", ein Roman der britischen Autorin Laline Paull aus dem Jahre 2014. Arbeiterbiene Flora erfrecht sich da, ein Ei zu legen und ein Kind zu bekommen, was eigentlich nur der Königin zusteht und einer Revolution gleichkommt.

Die Biene Maja und wilhelminischer Militarismus

Unschlagbar populär, ein Weltbestseller von 1912 und Dauerbrenner bis in unsere Tage: der Roman "Die Biene Maja und ihre Abenteuer" von Waldemar Bonsels.

Oh, wie tausendmal schöner ist es in der großen Welt draußen als in der dunklen Bienenstadt. Niemals werde ich nach dort zurückkehren, um Honig zu tragen oder Wachs zu bereiten. (…) Ich will die blühende Welt sehen und kennenlernen, ich bin nicht, wie die anderen Bienen sind, mein Herz ist für Freude und Überraschungen, für Erlebnisse und Abenteuer bestimmt.

Honigbiene fliegt auf eine Blume zu (Foto: Getty Images, Thinkstock -)
Honig ist heute zum Massenprodukt geworden, und nur selten dürfen die Bienen etwas für sich behalten

Bonsels‘ Biene Maja ist eine Künstlernatur. Und die muss sich erst mal austoben, ehe sie geläutert und welterfahren nach Hause zurückkehrt, um ihr Volk in den siegreichen Kampf gegen die bösen Hornissen zu führen. Da steckt eine gerüttelte Dosis wilhelminischer Militarismus drin und auch eine Vorliebe für wehrhafte Volksgemeinschaften. Dieser Schatten fällt auf das Buch. Humor und Charme hat es trotzdem.

Wonach werden sie schmecken?

Doch niemand hat der Biene so die Treue gehalten wie die Dichter. Viele von ihnen hatten eigene Bienenstöcke und holten sich dort ihre Inspiration. Hobbyimker Wilhelm Busch sieht in seiner Bildergeschichte "Schnurrdiburr oder die Bienen" im heiteren Bienenwesen den Gegenentwurf zu einer heillos beschädigten, dem Chaos verfallenen Menschenwelt voll diebischer Imker und anderer Schandbuben.

Und die amerikanische Dichterin Sylvia Plath sah die Bienen als weibliche Wesen, gefangen in Vorratshaltung und Zukunftsvorsorge und gleichzeitig süchtig nach Sonne, nach Frühling.

Alle Bienen sind Frauen,
die Dienstmägde und die große royale Dame.
Männer haben sie abgeschafft,
die stumpfen, plumpen Stolperer, diese Tölpel.
[…]
Wird der Schwarm überleben,
wird es den Gladiolen glücken, mit ihrem Feuer zu haushalten,
um es ein weiteres Jahr zu schaffen?
Wonach werden sie schmecken, die Seerosen?
Die Bienen fliegen. Sie probieren den Frühling.

Zuckerwasser statt Honig

Honig ist heute zum Massenprodukt geworden, und nur selten dürfen die Bienen etwas für sich behalten. Meist werden sie mit einer Zuckerlösung als Winternahrung abgespeist, die sie möglicherweise schwächt. Hinzu kommen die Umweltbelastungen. Und so wird die leidende und beschädigte Biene zur Künderin kommenden Unheils auch für den Menschen.

Große Flächen mit Wildblumen, die von April bis Oktober blühen, das ist es, was Honigbienen und Wildbienen am dringendsten brauchen. Balkone und Privatgärten können hier nur einen kleinen Beitrag leisten, aber immerhin.

Wer mit Wildblumen gärtnert, sieht ein kleines Ökosystem entstehen, in dem sich Bienen und andere Insekten tummeln und ihr faszinierendes Zusammenspiel entfalten können.

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Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)
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