Frau liegt im Bett und streckt sich nach dem Wachwerden. (Foto: Getty Images, Thinkstock -)

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Bettgeschichte – Vom Strohsack zur IT-Matratze

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Joachim Meißner
Joachim Meißner (Foto: SWR, Foto: Patrick Höniges)
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Ulrike Barwanietz
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

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Anfang des letzten Jahrhunderts haben Archäologen in der Nähe des Oslofjords unter einem Grabhügel ein Langschiff ausgegraben - prächtig verziert und an Bug und Heck mit Schnitzereien versehen. Das ist ein Wikingerschiff, welches um circa 834 vergraben worden ist für zwei Prinzessinnen. Und das Besondere daran ist, dass dort der gesamte Hausrat für diese beiden Prinzessinnen mitgegeben worden ist: unterschiedliche Bettgestelle, aber auch Möbel, wie Truhen, ein Hocker, etc.

Der Fund ist ein Glücksfall – ganz besonders für die Bettengeschichte, weil der Fund für einen sehr frühen Zeitraum die Existenz von Bettgestellen beweist und dazu auch ihre Konstruktionsweise offenbart. Auch im alten Ägypten und in der griechischen und römischen Antike waren Betten bereits bekannt. Die Bettstatt durch Füße hoch gestellt, schützte gegen Kälte, Feuchtigkeit und Ungeziefer.

Hoch gebettet

Und auch wenn sich diese Konstruktion immer mehr in Europa verbreitete, so blieb sie für die meisten Menschen lange Zeit ein Privileg. Genauso wie die Vorstellung eines eigenen Bettes, das man ganz für sich allein hatte. Denn bis dahin ist es ein weiter Weg und das Himmelbett eine wichtige Etappe zu mehr Komfort und Hygiene. Eine primäre Funktion war, dass man es dann einfach wärmer hatte, indem man die Vorhänge zuzog und dadurch ein Mikroklima schaffte.

Erst als das Wohnen intimer wurde, rückte dieses Bett in ein separates Schlafzimmer. Ein eigenes Bett, sogar ein eigenes Zimmer, nur zum Schlafen – das war der Traum vieler einfacher Menschen. Bis ins 19. Jahrhundert war es üblich, dass man sich auch in Gasthäusern Betten teilte. Schließlich gab es bei den einfachen Menschen in Stadt und Land durchschnittlich nur ein Bett für zwei bis drei Haushaltsmitglieder, einschließlich der Schlafgänger in den Industriestädten.

Aber nicht nur die kleinen Leute, auch viele Angehörige des Adels hatten kaum eine Privatsphäre in Form eines eigenen Bettes. Das „Paradeliegen“, sich also öffentlich im Bett zu zeigen und sich auch noch vor den Augen aller an- und auskleiden zu lassen, erscheint uns für einen Staatenlenker mit dieser Machtfülle geradezu absurd. Doch man muss sich klar machen, dass der Körper des Herrschers in der frühen Neuzeit ein politischer Körper war.

Rückzug und Bühne

Das Bett ist also nicht nur ein Raum des Rückzugs, sondern auch eine Bühne des Sozialen. Eine Bühne, die nicht nur vom Adel vergangener Jahrhunderte genutzt wurde – wie das Beispiel von John Lennon und Yoko Ono zeigt. 1969 verbrachten die Popikonen ihrer Zeit die Flitterwochen in einem Hotelbett. Und in Anwesenheit einer ganzen Heerschar von Rundfunk- und Fernsehreportern. Paradeliegen im Dienste des Friedens gewissermaßen.

Das Bett erscheint hier als ein Traumort, wenn nicht gar als utopischer Gegenort zu den Schlachtfeldern des Vietnamkrieges. „Make love, not war!“ wird denn auch zu einer eingängigen Parole der friedensbewegten Flower-Power-Generation. Und doch ist das Bett hauptsächlich und in erster Linie nicht nur ein symbolischer Ort für Liebe – das Bett ist und bleibt in seiner langen Geschichte vor allem eine Stätte, in der auch wirklich geliebt, gezeugt und geboren wird – schon aus anatomischen Gründen.

Ob nun Kaltschaum, Federkern, Latex, Futon, Boxspring - welche Matratze die beste ist, dazu sagt jeder Verkäufer etwas anderes. Um die richtige zu finden, muss man Probeliegen – und sich neuerdings vermessen lassen. Denn manche Fachhändler warten heute mit allerlei Messtechniken auf, die dabei helfen soll, die passende Liegestatt für den jeweiligen Kunden zu finden.

Diagnose im Schlaf

Neuester Schrei ist ein Körperscanner. Seine Kamera erkennt die Körperkonturen des Kunden. Das Computerprogramm berechnet dann, wie die Zonen des Bettes und der Matratze für Schulter, Taille und Hüfte ausgelegt sein sollten – härter, weicher, stützender, mit mehr oder weniger Kontaktflächen. Aber all das, was der Handel heute extern in seinem Laden durchführt, könnte im Bett der Zukunft bereits integriert sein.

Eine Frau lässt sich in einem Matratzen-Geschäft von einem Verkäufer beraten. (Foto: Getty Images, Thinkstock -)

Das Diagnosebett, der ideale Weg, in einen erholten, entspannten und regenerierenden Schlaf zu finden? Das könnte die Gesundheitskosten senken, denn immerhin sind Rückenleiden eine Volkskrankheit. Und es könnte wieder fit machen für die Leistungsgesellschaft, denn auch der Chef freut sich über Mitarbeiter, die ausgeruht für den nächsten Arbeitstag sind.

Die Industrie geht aber noch ganz andere kreative Wege, um sich eine neue Kundschaft zu erschließen. Interessanterweise sind es nicht die Betteningenieure, sondern Automobilbauer, die neuerdings mit Hilfe eines Bettes Eltern von ihren schreienden Kindern entlasten wollen. Dafür haben die Marketingstrategen von Ford für ihren Werbeclip ein urbanes Setting in Weichzeichneroptik gewählt.

Motoren für das Schlafzimmer

Die Botschaft: Statt selbst mit dem schreienden Nachwuchs nächtelang um den Block zu fahren, übernimmt diesen Job jetzt ein Bett – ganz ohne Abgase zu produzieren oder Benzin zu verbrauchen. Das Modell „Max Motor Dreams“ simuliert sanfte Fahrgeräusche und Fahrzeugbewegungen. Sogar die einfallende Straßenbeleuchtung bei Nachtfahrten wird mit integrierten Leucht-Dioden nachgestellt. Zunächst als Werbeaktion gedacht, denkt Ford angeblich darüber nach, das Bett tatsächlich in Serie herzustellen.

Das Bett ist ein echter Allrounder unter den Möbelstücken – vor allem aber soll es immer noch eines sein: ein Ort, um in Ruhe zu schlafen.

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