Unverpackt-Laden in Karlsruhe (Foto: SWR, SWR - Ralf Kölbel)

Müllvermeidung

Gänzlich unverpackt

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Katja Hanke
Katja Hanke (Foto: Katja Hanke)
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Ralf Caspary
Ralf Caspary (Foto: SWR)
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

Geschäftsidee mit Herausforderungen

Geschäfte, die Lebensmittel ganz ohne Verpackung verkaufen, gibt es mittlerweile in vielen deutschen Städten. Geführt werden sie von ambitionierten jungen Gründern, die dazu beitragen wollen, den Verpackungsmüll zu reduzieren. Das ist gut so. Aber die Verpackung wegzulassen, ist gar nicht so einfach.

Vor welchen Herausforderungen die Läden stehen, untersucht seit Mai 2016 das Projekt "Der verpackungsfreie Supermarkt" an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde in Brandenburg. Der Grundgedanke dieser Läden ist das Precycling, also Abfall von Anfang an zu vermeiden. Einer der ersten Läden dieser Art war "Original Unverpackt" in Berlin. Seine Eröffnung vor zweieinhalb Jahren ging durch die Medien und das verpackungsarme Einkaufen bekam viel Aufmerksamkeit.

Geschäftsführerin Milena Glimbovski erinnert sich: „Der Laden wurde am Anfang stark besucht, aber die Leute haben wenig gekauft. Das war frustrierend und nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten. Wir dachten nämlich, es kommen wenig Leute, die ganz viel kaufen. Es hat sich aber mit der Zeit dann so entwickelt, dass wir tatsächlich viel mehr Stammkunden haben als Touristen, die nur ein Mal kommen. Und die kaufen dann ihren Wocheneinkauf bei uns und davon können wir auch leben.“ Bis dahin hat es allerdings anderthalb Jahre gedauert. In dieser Zeit mussten Glimbovski und ihr Team Vieles lernen, ausprobieren und immer wieder anpassen. Rund dreißig "Unverpackt"-Läden gibt es mittlerweile in ganz Deutschland. Bisher wurden für das Forschungsprojekt Ladeninhaber befragt, Experten interviewt und Workshops organisiert. Jetzt liegen erste Zwischenergebnisse vor.

Marketing ohne Verpackung

Die größte Herausforderung für die Ladeninhaber sei die Beschaffung der Waren, sagt Projektleiterin Melanie Kröger. Denn auch die Zulieferer verwendeten ja noch zu viel Verpackung. Ein Beispiel seien Nudeln. Nudeln würden in 5 Kilo-Packungen angeliefert, samt Zellophan- oder Plastikverpackung, und da davon einfach sehr viel Müll anfalle, wäre das doch super, wenn die Nudeln zum Beispiel in 20 Kilo-Paketen und möglicherweise in Papier angeliefert werde könnten. Um das zu erreichen, könnten die Läden eine Einkaufsgemeinschaft bilden, so Kröger. Durch eine gebündelte Nachfrage könnten sie die Zulieferer dazu bringen, größere Gebinde mit weniger Verpackung anzubieten. Ein weiteres Thema, was offensichtlich alle beschäftigt, ist Marketing ohne Verpackung.

Unverpackt-Laden Karlsruhe - Essig, Öl und selbst Spirituosen kann man ihn wiederbefüllbare Behälter abfüllen (Foto: SWR, SWR - Ralf Kölbel)
Essig, Öl und selbst Spirituosen kann man ihn wiederbefüllbare Behälter abfüllen

Wir lassen die Verpackung weg, und wie kann diese Marketingfunktion dann erfüllt werden und auch die Informationsfunktion. Wo stehen also die Informationen zu Inhaltsstoffen, Mindesthaltbarkeitsdatum und Biozertifizierung, wenn es keine Verpackung gibt? Und: Wie wirbt man für die hochwertigen Produkte ganz ohne Verpackung? Melanie Kögner meint: „Da dieses Konzept so neu und innovativ ist und alle das erst mal machen und sich nicht an irgendwelchen Richtlinien orientieren können, gibt es dafür derzeit individuelle Lösungen und Konzepte, die jeder Laden selbst entwickelt. Aber das ist natürlich sehr aufwendig, sich jedes Mal etwas Neues auszudenken, wie man Marketing macht ohne Verpackung".

Hygieneanforderungen

Ein anderes Thema, mit dem die Ladeninhaber zu kämpfen haben, sind die hohen Hygieneanforderungen. So ging es auch Milena Glimbovski von "Original Unverpackt". Sie erzählt, die Lebensmittel kämen bei ihr zum Beispiel in großen Tonnen an und sie packe sie mit dem Team um in diese Spendersysteme. Dadurch, dass sie die Lebensmittel öffne und in ein neues Behältnis fülle, sei sie eine Art Verpacker. Also hafte sie dafür, wenn hygienisch etwas nicht in Ordnung sei. Das kontrolliere nicht nur das Gesundheitsamt sondern auch die Bio-Zertifizierungsstelle. Das sei sehr komplex, und man müsse das erst einmal alles durchschauen. Eine Hilfe seien viele Gespräche mit Lebensmittelkontrolleuren und die eine oder andere Schulung.

Gefragt sind neue Standards

Melanie Kröger und ihr Team erheben aber nicht nur die Daten, sondern entwickeln im Laufe des Projektes auch Lösungen für die existierenden Probleme. Eines der Ergebnisse könne sein, so Kröger, dass man Handreichungen oder Leitfäden entwickele zu bestimmten Themenfeldern wie beispielsweise Hygiene- und Kennzeichnungspflichten oder auch Marketing, damit nicht jeder, der einen solchen Laden plane oder auch schon umsetze, sich all diese Aspekte selbst zusammensuchen müsse, sondern, dass man langsam zu einem gemeinsamen Standard komme, wie man diesen rechtlichen und sonstigen Aspekte gerecht werden könne. Im nächsten Jahr untersuchen Kröger und Kollegen die Wertschöpfungskette einiger Produkte und auch das Kundenverhalten.

Obst, Eier und Brot im Unverpackt-Laden Karlsruhe (Foto: SWR, SWR - Ralf Kölbel)
Obst, Gemüse, Eier und Brot im Unverpackt-Laden Karlsruhe

Denn für den Einkauf im "Unverpackt"-Laden müssen die Kunden ganz neue Einkaufsroutinen finden, so Kröger: "Es ist notwendig, den Einkauf viel stärker zu planen, als man es üblicherweise tut. Die Behälter müssen vorrätig sein, sie müssen mitgenommen werden, es muss sich in den Alltag integrieren, es müssen möglicherweise andere Wege in Kauf genommen werden. Das sind alles die Dinge, die wir uns auch anschauen wollen. es geht uns nicht nur um die Frage: Würdest du dein Verhalten ändern? Da bekunden sehr viele, dass sie das machen würden, sondern wir wollen uns anschauen: Wie funktioniert dieser Unverpackt-Einkauf im ganz normalen Alltag? Momentan helfen sie den Ladeninhabern aber erst einmal dabei, sich zu vernetzen. Mit Workshops und einer gemeinsamen Webseite mit Forum. So können sie ihr Wissen austauschen und sich gegenseitig unterstützen - vom Einzelkämpfer zur Gemeinschaft.