Wenn die Echo-Ortung versagt

Glasfassaden sind für Fledermäuse lebensgefährlich

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AUTOR/IN
Stefanie Peyk
ONLINEFASSUNG
Ulrike Barwanietz
Ch. Grieser
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

Dass Vögel im Flug gegen Fensterscheiben knallen, das kennt man ja. Da das Glas durchsichtig ist, sehen sie es nicht. Eine neue Studie zeigt jetzt: Auch Fledermäuse lassen sich von Glasfronten täuschen. An glatten, aufrechten Flächen versagt oft die Echo-Ortung der Tiere.

Am Anfang standen einzelne, zufällige Beobachtungen: Amerikanische Vogelkundler wollten zählen, wie viele Vögel Jahr für Jahr im Flug gegen die Fensterscheiben eines Kongress-Zentrums prallen – und fanden außer Vögeln auch immer wieder tote Fledermäuse unter den Glasfronten.

Dieser Sache wollten Forscher des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Seewiesen bei München genauer auf den Grund gehen. In einer Höhle in Nordost-Bulgarien fingen sie Große Mausohren ein und ließen die Fledermäuse dann in einem dunklen Raum fliegen.

Video: Das Fledermäuse-Experiment (Quelle: Stefan Greif)

Prallen auf Metall

Der Raum war mit einer Art Filz ausgekleidet, der Boden mit Sand bedeckt. In der Mitte des Raums hing ein Vorhang von der Decke, um den die Fledermäuse herumflogen – im Schnitt zwanzig Mal.

An einer der Wände, in einem gewissen Abstand zur Ecke, hatten die Wissenschaftler eine etwa zwei Quadratmeter große glatte Metall-Platte befestigt. Diese Platte entpuppte sich als echte Falle für die Tiere, berichtet der Biologe Stefan Greif.

19 von 21 Fledermäusen prallten mindestens einmal im Flug dagegen – im Experiment ohne sich zu verletzen. Aber klar war: Die Echo-Ortung hatte versagt. Normalerweise ermöglicht sie den nachtaktiven Tieren die Orientierung im Dunkeln.

Abgelenktes Echo

Auch im Flug-Raum haben die Fledermäuse versucht, mit Hilfe der Echo-Ortung durch die Dunkelheit zu fliegen. Ihre Rufe haben die Forscher mit einem speziellen Ultraschall-Mikrofon aufgenommen.

Wenn die Schallwellen frontal, also im rechten Winkel, auf eine glatte Platte treffen, dann werden sie direkt zurückgeworfen – Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel.

Im Experiment kamen die Fledermäuse aber seitlich auf die Platte zugeflogen. Ihre Rufe wurden nicht zurückgeworfen, sondern abgelenkt, von den Fledermäusen weg. Ähnlich wie bei einem Spiegel, auf den von der Seite Licht fällt. Das passiert zwar auch bei glatten Flächen am Boden, aber hier wissen die Tiere, dass es sich erfahrungsgemäß um Wasser handelt.

Akustische Täuschung

Die senkrechte Platte ist für die Fledermaus also eine akustische Täuschung: weil sie erst mal kein Echo hört, hält sie die Platte zunächst für eine Öffnung in der Wand – das erkennen die Forscher auch an der Art der Rufe.

Wenn das Tier seinen Irrtum bemerkt, ist es oft zu spät. Das konnten die Wissenschaftler nicht nur im künstlich eingerichteten Flug-Raum beobachten, sondern auch in freier Natur – bei drei verschiedenen Fledermaus-Kolonien in Südwest-Ungarn.

Egal, ob Große Mausohren, Langflügel-Fledermäuse oder Mücken-Fledermäuse: Immer wieder prallten einzelne Tiere gegen eine glatte biegsame Plastikplatte, die die Forscher in ihre Nähe aufgestellt hatten.

Verletzte Fledermäuse melden

Das zeigt: Mit menschengemachten, glatten, aufrechten Oberflächen ist die Echo-Ortung der Fledermäuse überfordert. Gerade in Städten gibt es aber sehr viele glatte Glas-Fronten.

Die Forscher wünschen sich, dass Leute, die verletzte Fledermäuse finden, das weitergeben an Spezialisten mit genauer Beschreibung des Fundortes, damit sie ein besseres Verständnis bekommen, wo solche akustischen Fallen sind. Denn Fledermäuse sind ohnehin bedroht.

Akustischer Fledermaus-Schreck

Der Zoologe Greif empfiehlt, in der Nähe von Fledermaus-Kolonien möglichst auf neue Glasfronten oder andere aufrechte und glatte Flächen zu verzichten. Wo schon große Scheiben sind, könnte man in Zukunft versuchen, die Fledermäuse zu vergraulen.
Eine der Methoden wäre, dass man einen akustischen Fledermaus-Schreck einsetzt. Das sind kleine Kästen, die man in den Vereinigten Staaten mittlerweile ausprobiert. Die senden einen für den Menschen nicht hörbaren Ultraschall-Laut aus, welcher die Fledermäuse abschrecken soll.

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Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)