Stoffe für die neue Batterien: Kunststoff, Alufolie, Zellulose, Ruß (Foto: SWR, SWR - Gabor Paal)

Umweltfreundliche Batterien

Turbo-Akkus ohne Schwermetall

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Gábor Paál
Gábor Paál (Foto: SWR, Oliver Reuther)
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Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)
Doris Maull

Eine Freiburger Chemikerin hat zusammen mit dem Batterieforschungszentrum Münster eine neuartige Batterie entwickelt. Sie enthält keine Schwermetallle, ist sehr schnell ladbar, biegsam und sehr langlebig.

Das Chemielabor von Prof. Birgit Esser entspricht fast schon dem Klischee: Hinter einer Schiebeglaswand viele Gefäße, Schläuche, Flüssigkeiten in allen möglichen Farben, auf der Glasscheibe alle möglichen chemische Kennzahlen in Edding geschrieben, als Besucher blickt man kaum durch.

Wichtig ist, dass hinter dieser Glaswand aus einer gelblichen Flüssigkeit ein unscheinbares weißes Pulver entsteht: Ein organischer Kunststoff mit dem unaussprechlichem Namen (Poly)vinylphenothiacin - die Schlüsselsubstanz für die neuartigen Batterien. Es klingt zunächst seltsam: Kunststoff leitet bekanntlich keinen Strom. Deshalb wird er mit einem stromleitenden Ruß vermischt. Der wiederum macht die Mischung rabenschwarz. Die Ruß-Kunststoff-Mischung wird dann auf eine dünne Aluminiumfolie aufgetragen, daraus werden wiederum 1-cent-große Scheiben herausgeschnitten.

Das Labor von Prof. Esser: Hier wird der Spezial-Kunststoff für die Batterie hergestellt. (Foto: SWR, SWR - Foto: Gabor Paal)
Das Labor von Prof. Esser: Hier wird der Spezial-Kunststoff für die Batterie hergestellt.


Die mit rußigem Kunststoff beschichteten, ausgestanzten Aluminiumscheiben sind schon die halbe Batterie. Genauer die Kathode, also der Teil der Batterie, zu dem die Elektronen hinfließen. Das Gegenstück, die Anode, besteht für die Entwicklungsphase noch aus Lithium. „Für die Anode entwickeln wir parallel andere Materialien – ebenfalls aus organischem Kunststoff. Wir wollen am Ende eine Batterie bauen, die auf beiden Seiten aus Polymeren besteht“, sagt Esser.

Viele Vorteile: Langlebig, schnell ladbar, biegsam - und ohne Schwermetalle

Die Batterien, die Birgit Essers zusammen mit dem Batterieforschungszentrum in Münster entwickelt hat, hätten in der Praxis viele Vorteile. Sie sind sehr langlebig und sie lassen sich schnell laden – viel schneller als ein Handy heute. „Wir waren ganz überrascht: Wir können unsere Batterie in drei Minuten laden und entladen – und das 10.000 Mal hintereinander, bei nur 7 Prozent Verlust. Ein normaler Handy-Akku lässt nach 1000-2000 Zyklen schon deutlich nach.“


Ein weiterer Vorteil: Da die Batterie letztlich aus einer ausgestanzten beschichten Folie besteht, ist sie biegsam. Sie würde sich damit auch für elektronische Geräte eignen, die in Textilien eingearbeitet sind – sogenannte „intelligente“ Kleidung. Aber auch für Smartphones: Die Batterie kann schließlich auch in ein Gehäuse ähnlich einer herkömmlichen Knopfbatterie eingebaut werden – wobei das ebenfalls aus Kunststoff bestehen kann.

Dadurch ergeben sich auch Umweltvorteile: Die Batterie würde am Ende keine Schwermetalle enthalten, kein Kobalt, kein Nickel - sie wären kein Problemstoff mehr. Umweltfreundlicher wäre auch die Herstellung: Um Kunststoff zu verarbeiten, ist weniger Energie notwendig als bei Metall. Ein entscheidender Schritt bei der Entwicklung war dabei die Entwicklung des geeigneten Kunststoffs und der in ihm aktiven Molekülgruppen.

Der Haken?

Bleibt aus ökologischer Sicht der Minuspunkt, dass Kunststoff aus Erdöl besteht – aber auch das muss ja nicht so bleiben. Polyvenylphenothiacin ließe sich ebenso aus nachwachsenden Rohstoffen herstellen.

Die Idee, Batterien aus Kunststoffen herzustellen, ist nicht neu. Forscher aus Jena präsentierten vor zwei Jahren sogenannte Redox-Flow-Akkus, bestehend aus einer Kochsalzlösung und Membranen aus Kunststoff. Die haben auch ihre Vorteile, sind aber schlecht transportierbar, im Gegensatz zu den Kunststoff-Batterien aus Freiburg und Münster.

Birgit Esser und ihre Kollegen haben jetzt ein Patent angemeldet. Sobald es genehmigt ist, sind Gespräche mit Industriepartnern geplant, um das Ganze größer aufzuziehen. Birgit Esser hofft so dazu beizutragen, dass herkömmliche Problemstoff-Batterien durch umweltfreundliche abgelöst werden. An den Kosten würde es jedenfalls nicht scheitern, meint sie.

Der mit Ruß vermischte Kunststoff wird auf Aluminiumfolie auftragen. Daraus werden kleine Scheiben ausgestanzt - fertig ist die Kathode. (Foto: SWR, SWR - Gabor Paal)
Der mit Ruß vermischte Kunststoff wird auf Aluminiumfolie auftragen. Daraus werden kleine Scheiben ausgestanzt - fertig ist die Kathode.



„Die Synthese des Kunststoffs ist nicht aufwändig. Auch nicht die anderen Stoffe, die wir verwenden. Am Preis würde die Batterie sicher nicht scheitern.“
Und wie viel Energie ist drin?

Unser Video mit Birgit Esser fand auf Facebook und Twitter eine große Resonanz. Aber es gab auch Skeptiker. Manche Nutzer bezweifelten, dass die Batterie von ihrer Kapazität her mit herkömmlichen Batterien mithalten könne.

Tatsächlich ist die Speicherkapazität noch verbesserungsfähig, räumt Doktorand Fabian Otteny ein. Dennoch sieht er in der Kapazität kein grundsätzliches Hemmnis. Hierzu müsste die Dichte der aktiven Molekülgruppen noch erhöht werden – etwas, woran die Forscher arbeiten.

Link zur Originalpublikation:
http://pubs.rsc.org/en/content/articlelanding/2017/ee/c7ee01473b#!divAbstract