Schlanke Kranke

Warum Bauchfett so gefährlich ist

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Ulrike Till
Portraitbild von Ulrike Till, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Jochen Krumpe)
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Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

Jeder fünfte Schlanke hat ein deutlich erhöhtes Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Diabetes: Betroffen sind Menschen, die genetisch bedingt kein Fett an Beinen und Hüften speichern können.

Schlank ist gesund, Übergewicht macht krank – das predigen Ärzte ihren Patienten schon lange. Doch so einfach ist es nicht: Immer wieder sorgen Studien für Schlagzeilen, dass Menschen mit ein paar Pfund mehr auf den Hüften länger leben als dünne Zeitgenossen.

Schlüsselfrage: Wo sitzt der Speck?

Die gesunden Dicken sind ein beliebtes Thema – was aber ist mit den schlanken Kranken? Um die haben sich Forscher und Öffentlichkeit bisher kaum gekümmert. Dabei sind manche Menschen trotz Normalgewicht besonders gefährdet: Das haben Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung jetzt am Uniklinikum Tübingen herausgefunden.

Fast 1000 Probanden haben die Tübinger Wissenschaftler untersucht: mit Bluttests, Leber-Check und einer genauen Analyse des Körperfetts. Wo sitzt der Speck? Das war nur eine von vielen Fragen, die die Forscher gestellt haben – im Nachhinein zeigte sich, dass es die Schlüsselfrage der ganzen Studie war.

Welche Cholesterinwerte sind in Ordnung? (Foto: SWR, SWR -)
Welche Cholesterinwerte sind in Ordnung?

Körperfett am Bauch statt an Po und Beinen

Bei fast jedem fünften Schlanken entdeckten die Wissenschaftler zu viel Cholesterin, schlechte Zuckerwerte oder erhöhten Blutdruck – lauter Risikofaktoren für Diabetes und Herzprobleme. Das Krankheitsrisiko der Betroffenen ist dreimal höher als normal – das sind alarmierende Werte.

Die Warnzeichen fanden sich allerdings nur bei den Probanden, die ihr Körperfett vor allem am Bauch speichern. Das muss gar nicht deutlich sichtbar sein. Diese schlanken Kranken lagerten kaum Fett an Po und Beinen an – mit fatalen Folgen. Denn Fettzellen am Bauch speichern Fett aus der Nahrung nur kurze Zeit: nach spätestens zwei Stunden landet die volle Ladung im Blut. Das spült die fettige Fracht dann ins Herz und in die Leber.

Birnenförmiger Körperbau ist besser als apfelförmiger

Wer dagegen genetisch so programmiert ist, dass Fett sich vor allem an den Schenkeln sammelt, hat Glück – hier arbeiten die Fettzellen wie ein Schwamm, sie speichern langfristig Lipide und halten sie so aus dem Blut heraus. Das ist zumindest die Erklärung der Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für Diabetesforschung. Ein birnenförmiger Körperbau, oben schmal, unten breit ist also gesünder als die Apfelform – das haben schon frühere Studien gezeigt; die Tübinger Ergebnisse untermauern das nun.

Hüftgold schützt Schlanke

Besonders Männer neigen zur Apfelform. Das liegt nicht nur am Bierbauch, den manche stolz vor sich hertragen, sondern auch an den Hormonen: Östrogen lässt Frauen vermutlich mehr Fett an Schenkeln und Hüften speichern, als Reserve für eine mögliche Schwangerschaft. Männer dagegen lagern ihr Fett eher am Bauch ein. Hüftgold schützt Schlanke, das ist die Essenz der Tübinger Studie im Fachblatt „Cell Metabolism.“

Kein Freibrief für Dicke

Die Ergebnisse bedeuten aber keinen Freibrief für Dicke: Bei Menschen mit Übergewicht bringt viel Fett an den Beinen keinen Gesundheitsvorteil. Was aber bedeuten die jüngsten Erkenntnisse im klinischen Alltag?

Studienleiter Professor Norbert Stefan fordert Hausärzte zum Umdenken auf: Sie müssten nicht nur dicke, sondern auch schlanke Patienten mit schlechten Fettwerten und hohem Blutdruck zu mehr Bewegung und ausgewogener Ernährung anhalten. Wenn das nichts bringt, sollten sie frühzeitig Blutdrucksenker oder Mittel gegen Cholesterin verschreiben – im Moment passiert das bei schlanken Menschen mit gestörtem Stoffwechsel viel zu selten, kritisiert der Tübinger Diabetologe.

Hinweis:
Das ganze Interview mit Studienleiter Professor Norbert Stefan finden Sie zum Nachhören oben auf dieser Seite.