Abschwellender Nasenspray hat Suchtpotential (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa -)

Nasenspray-Sucht

Die Stinknase droht

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AUTOR/IN
Sigrun Damas
ONLINEFASSUNG
Ralf Kölbel
Ralf Caspary

Wer langfristig abschwellende Nasensprays oder Nasentropfen verwendet, kann irgendwann nicht mehr ohne. Das zieht Folgeerkrankungen nach sich - und das Aufhören ist schwierig.

Claudia M. benutzt Nasenspray gern und häufig, bis zu 10mal am Tag. Bis sie sich eingestehen muss: Es geht nicht mehr ohne: "Irgendwann hab ich dann gesagt: Ich bin Nasenspray-süchtig. Ich nehme das immer. Und wenn man erst mal offen darüber redet, merkt man, es geht vielen anderen ebenso. Etwas zerknirscht sitzt sie heute bei ihrem HNO-Arzt Ralf Heermann in Münster, der ihr die eigene Diagnose bestätigt: Sie sei inzwischen ein Nasensprayjunkie geworden, der nicht mehr ohne seinen "Stoff" leben könne.

Tropfenjunkies gibt es nicht selten

Der Arzt ist nicht überrascht. Spray- und Tropfenjunkies gehören zu seinem Berufsalltag. Denn dass man süchtig wird nach dem Zeug, sagt er, das gehe ganz schnell: "Wenn Sie abschwellendes Spray über mehr als 10 Tage zweimal am Tag nehmen, dann führt das zu einem Rebound-Effekt. Das heißt, die Schwellkörper werden etwas größer, als sie vorher waren. Das können Sie vergleichen mit einem Gummiband, das seine Elastizität verliert. Und somit wird der Schwellkörper immer größer und sorgt für eine Nasenatmungs-Behinderung, weil der Widerstand immer größer wird." Und deshalb beginnt ein Teufelskreis: Man ist auf Nasentropfen angewiesen, die Tropfen verengen die Gefäße, die Schleimhaut schwillt ab. Der Körper arbeitet dagegen, weitet die Blutgefäße, bildet sogar neue – und man braucht noch mehr von dem Stoff.

Abschwellendes Nasenspray hat ein hohes Suchtpotential (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa - Foto: Arno Burgi/dpa)
Abschwellendes Nasenspray hat ein hohes Suchtpotential

Stinknase

Unter dem Stichwort "Medikamentenabhängigkeit" kann man das bei der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen detailliert nachlesen. Sie stuft abschwellende Nasentropfen als Medikamente mit hohem Abhängigkeitspotential ein. Im schlimmsten Fall kann durch jahrelangen Missbrauch die Nasenschleimhaut geschädigt werden. Denn ihre Flimmerhärchen gehen kaputt. Diese kleinen Härchen sind sehr wichtig, sie transportieren das Sekret ab. Und wenn man über lange Zeit das Nasenspray verwendet, führt das dazu, dass die Härchen ihren Betrieb einstellen. Dann wird das Sekret nicht abtransportiert, trocknet, wird zu Kruste, besiedelt sich mit Keimen – und das führt dann zur Stinknase: Bei diesem Wort zuckt Claudia M. zusammen. Sie hat richtig gehört: Die schlimmste Folge der Nasentropfensucht nennen Ärzte ganz unverhohlen "Stinknase": Auf der geschädigten Nasenschleimhaut siedeln sich immer mehr Keime an – und die sondern einen fauligen Geruch ab. Es bilden sich gelb-grüne Krusten, Vereiterungen. Und das Schlimmste: Der Betroffene riecht übel aus der Nase.

Wege aus der Sucht

Also rät der Arzt: Runter von dem Stoff, - und das geht so, erklärt Heermann: "Man kann damit beginnen, auf einer Seite ein Nasenloch zu entwöhnen, und das Ganze wird dann noch unterstützt mit cortisonhaltigen Nasensprays. Die sind eigentlich gegen Allergien, sie sorgen aber dafür, dass die durch Spray geschädigte Schleimhaut wieder aufgebaut wird. Das Cortison-Spray sorgt nicht für eine Abhängigkeit und hat auch sonst keine Nebenwirkungen." Nach 2 bis 4 Wochen sei man dann clean. Viele Patienten schaffen das mit dieser Methode, doch es gibt auch einige, die können sich gar nicht vorstellen, nur ein Nasenloch zu versorgen, weil sie dann "klaustrophobische Gefühle" entwickeln und diesen Weg nicht gehen wollen. Manche sagen auch kategorisch: Lieber lass ich mir die Schwellkörper gleich durch eine OP verkleinern, als dass ich meine Lebensführung ändere.

Therapiemöglichkeiten

Claudia M. will es auf keinen Fall zur OP kommen lassen! Ralf Heermann erklärt derweil die Verfahren, mit denen die ausgeleierten Schwellkörper in der Nase wieder verkleinert werden können: Radiofrequenztherapie verbrennt die Nasenschleimhaut, das Gewebe schrumpft, die Schwellung ist weg, die Nase wieder frei. Oder eben eine klassische Operation, bei der Gewebe weggeschnitten wird. Am besten ist es natürlich, es gar nicht so weit kommen zu lassen. Denn schließlich gibt es ja genügend Alternativen zu abschwellenden Nasensprays, sagt Ralf Heermann: "Es gibt pflegende Sprays, ölhaltige Sprays, Inhalationen, die dafür sorgen, dass die Schleimhaut abschwillt. Dampfbäder mit ätherischen Ölen tun das auch." Und ansonsten gibt es Nasensalben, die zu einem Abschwellen führen und zum Wiederaufbau des Schutzfilms. Weitere Alternativen: Meerwasser-Sprays mit natürlichen Salzen. Claudia M. hat nun beste Vorsätze – sie will endlich ein Leben ohne Nasenspray.

Eine Frau hält sich ein Handtuch über den Kopf und inhaliert über einer Glasschale. (Foto: Colourbox, Foto: Colourbox.de -)
Inhalieren ist auch gut bei verstopfter Nase, macht nicht süchtig, und hat auch keine "Stinknase" zur Folge
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