25.9.1953

Die Angeklagten dürfen sich äußern

Stand

Am vorletzten Prozesstag, dem 25. September, dürfen sich die Angeklagten äußern. Wie meist bei DDR-Strafprozessen der Zeit sind die Angeklagten in dieser letzten Verhandlungsphase, da die Urteile längst festzustehen scheinen, zermürbt und demoralisiert. Sie geben sich übermäßig einsichtig und betteln nur noch um Gnade. Zu den wenigen Prozessen mit Walter Ziegler, wo das anders war, gehörten der gegen den Verleger Walter Janka 1957 und gegen den Landarbeiter Walter Prädel 1961.

Staatsanwalt fordert lebenslänglich für Otto Fleischer

Der Staatsanwalt hat sein Plädoyer gehalten und für den Hauptangeklagten Fleischer lebenslänglich gefordert. Unter dem Eindruck dieser von Politpathos triefenden Rede bricht der Hauptangeklagte fast zusammen. Kaum Worte findend, gesteht er schluchzend seine angebliche Schuld ein. Wegen der Emotionalität dieser Passage und mit Rücksicht auf Fleischers Kinder hören wir nur das Ende seiner sehr bewegten Rede, gefolgt von den Ausführungen der Mitangeklagten.

Die Angeklagten zeigen sich einsichtig

Die Angeklagten haben nach dem Plädoyer des Staatsanwalts (lebenslänglich für Fleischer) und vor der Verkündung des Urteils Gelegenheit, frei zu sprechen. Otto Fleischer bittet – wie die anderen Angeklagten auch – das Gericht, ihn in der Haft arbeiten zu lassen, "damit ich wenigstens einen kleinen Teil der Schuld abtragen kann, die ich gegenüber der Deutschen Demokratischen Republik begangen hab. Und ich bitte um die Gnade, mir doch die Möglichkeit zu geben, noch einmal mit meiner Familie zusammenzukommen, für die ich mein bisheriges Leben gelebt habe."

Dann spricht Wilhelm Kappler über seine "schädlichen Handlungen" und seine "Selbstbesinnung" und "innere Wandlung" in der U-Haft und bittet um eine "mildere Beurteilung" (als die Anklage gefordert hat).

Hans Hertel, technischer Leiter, entschuldigt sich bei den "Kumpels für meine Verbrechen, die ich an ihnen begangen habe". Hat in der langen U-Haft die Grundlagen des Sozialismus studiert. Erst dadurch wurde ihm klar, wie sehr er an der Volkswirtschaft, der Familie und sich selbst zum Verbrecher wurde. "Ich habe Strafe verdient."

Georg Bank: "Ich bereue insbesondere meine Hetze gegen die Oder-Neiße-Grenze." Hat sich 1950 von Laby abgewandt, war aber zu feige, sich selbst anzuzeigen. Zum Verräter geworden gegenüber den Kumpels, weil er Kriegshetzern Material gab. Diese Verbrechen lassen sich nicht so einfach wieder gut machen. Möchte noch einmal die gute Behandlung erwähnen und den Untersuchungsbehörden dafür danken.

Bruno Fankhähnel: "Ich bereue meine Tat auf das tiefste." Der Prozess soll andere warnen, solche Verbrechen zu begehen.

Herbert Kribus: Möchte nicht den Anschein erwecken, mich hinter Fleischer zu verstecken. Bin meiner Schuld bewusst. Er erzählt, dass er 1951 auf einen Kongress nach Dresden ging, Dresden völlig zerstört vorfand. Es haben die Leute, die immer mit Kultur prahlen (er meint, ohne es zu sagen, die Briten und Amerikaner), diese wehrlose Stadt bombardiert. Damals wandte ich mich vom Westen ab. "RIAS-Hetze". Hatte Angst. Bin in der Haft anständig und korrekt behandelt worden. Es gab "Unterhaltungen" mit Untersuchungsrichtern und Sachbearbeitern. Bin körperlich noch rüstig und möchte gern in der Haft im Bergbau arbeiten, auch um meine Familie zu unterstützen.

Conrad Kuchheida: "Bekenne mich schuldig und bedauere Verbrechen zutiefst." Möchte den anderen, die noch nicht zur DDR stehen, raten, umzudenken.

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SWR