21.9.1953

Der Prozess gegen Otto Fleischer beginnt

Stand

Der Prozess beginnt am 21. September 1953. Oberrichter Walter Ziegler stellt das Gericht vor und ruft die Angeklagten und Zeugen auf. Dann verliest der Generalstaatsanwalt der DDR, Ernst Melsheimer, die Anklage.

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Dieses Verfahren fand im September 1953 vor dem 1. Strafsenat des Obersten Gerichts der Deutschen Demokratischen Republik statt, dem höchsten Gericht der DDR. 1953 gab es die DDR erst vier Jahre.

Die Aufnahmen sind Teil der Tonaufnahmen der Stasi-Unterlagenbehörde

Nach dem Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953, nur drei Monate vor dem Prozess, griff die Staatspartei SED über ihren Geheimdienst, die Stasi, und die Gerichte hart gegen jeden durch, der sich nicht stromlinienförmig verhielt.

Zur Höchststrafe verurteilt

Otto Fleischer war 52 Jahre alt, einer der renommiertesten und erfahrensten Experten für den Steinkohleabbau, der wichtigsten Brennstoffquelle für Kraftwerke und Industrie damals. Man warf Fleischer und den weiteren Angeklagten vor, mit Bergbau-Funktionären im Ruhrgebiet, also im Westen, zusammengearbeitet zu haben, um Patente, Statistiken und andere Details zu verraten und die eigenen Bergwerke in und um Zwickau zu sabotieren. Fleischer bekam die höchste Strafe. Er wurde zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Bislang unveröffentlicht

Die vielen Tonbänder mit großen Teilen des Prozesses, insgesamt 30 Stunden, sind ein Fund im Audioarchiv der Stasi-Unterlagenbehörde BStU. Das SWR2 Archivradio präsentierte sie erstmals ab Oktober 2013.

Personen

Richter Ziegler: Zeugen werden in den Saal gerufen, ihnen die Auftrittszeiten mitgeteilt. Zeugen verlassen den Saal. Sachverständige müssen immer im Saal sein.

  • Fleischer, Otto Fritz, geboren am 30.1.1901 in Breslau, Professor der Bergkunde. Lehrstuhlinhaber.
  • Kappler, Wilhelm, geboren am 27.2.1892, technischer Leiter im Martin Hoop Werk Zwickau.
  • Hans Erich Hertel, geboren 1904, Diplombergingenieur, Direktor Deutschlandschacht Zwickau.
  • Georg Robert Bank, geboren 1900, Dipl. Bergingenieur, VVB-Steinkohle Zwickau.
  • Ludwig Kandler, geboren 1894, Bergtechniker, Grubeninspektor Karl Marx Werk Zwickau.
  • Bruno Emil Fankhähnel, geboren 1901, Obersteiger, Bergtechniker, Karl Marx Werk Zwickau.
  • Herbert Antonius Kribus, geboren 1905, Dipl. Bergingenieur, Planungsbüro.
  • Konrad Arthur Kuchheida, Dipl. Bergingenieur, Konstruktionsbüro Kohle, Außenstelle Zwickau.

Ziegler listet die Verteidiger auf: Rechtsanwalt Hückel für Fleischer, Kolberg für Kappler, Jeckel für Härtl, Ködel für Bank und Fankhähnel, Köhler für Kandler, Zumpe für Kriebus und Kuchheida.

Haftbefehl für Otto Fleischer vom 23. Dezember 1952. (Foto: SWR, SWR - Maximilian Schönherr)
Haftbefehl für Otto Fleischer vom 23. Dezember 1952

Stichworte

Generalstaatsanwalt Melsheimer: Man war aufgebrochen, den deutschen Faschismus zu zerschlagen. DDR Werktätige, Fortschritt. Amerikanische Imperialisten mit dem Handlanger Westdeutschland. Adenauers Scheinsieg bei Bundestagswahl. Im Westen: Spione und Vaterlandsverräter gegen DDR. 17. Juni Putschversuch mit faschistischem Charakter.

Steinkohle wesentlichste Energiequelle. Zwickau bedeutendstes Steinkohlevorkommen. Westdeutsche kapitalistische Grubenbesitzer untergruben das. Missstände häuften sich. Schweres Grubenunglück, 48 Bergarbeiter tot. Untersuchungen ergaben, Verbrechen waren begangen worden. Die Beschuldigten sind die umfangsreichste Schädlingsgruppe im Bergbau. Waren im Faschismus erfolgreich, DDR gab ihnen eine Chance, wurden zu Verrätern.

1947 von Deutscher Kohlenbergbauleitung (Vorläufer der Ruhrbehörde in Essen) gesteuert. Fleischer suchte 1948 Kohlenbergbauleitung auf. Hatte in Vernehmung zugegeben: Habe schon 1946 schädliche Maßnahmen unternommen, wollte flüchten. Der West-Mann Stefan: Bleiben Sie im Osten, versuchen Sie dort, die Steinkohleproduktion der DDR lahmzulegen. Sabbas und Wehrhahn waren ebenfalls dort, Laby (der Spion) 1949 nach Westberlin geflüchtet. Alle Angeklagten trafen sich zur Schwächung der DDR konspirativ.
Anklageschrift zu Spionage. "Untersuchungsausschuss für freie Juristen" war Kontaktstelle für Fleischer im Westen. Dorthin übergab er auch Patente, von dort liefen sie weiter, auch an den amerikanische Harriman-Konzern.

Organisierte Kriminalität. Vorsätzlich falscher Steinkohle-Abbau praktiziert, Brände und Katastrophen, Schuld an Unglücken, Martin-Hoop 4 in Zwickau. Wirtschaftsspionage. Beseitigung Oder-Neiße-Grenze konspirativ besprochen. Das sind Verbrechen nach Artikel 6, Kontrollratsdirektive Artikel 38 3 A. 3 und Befehl 160 SMAD.

Richter Ziegler verliest den Eröffnungsbeschluss. Fleischer seit 22.12.1952 in Haft.

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SWR