Spätsommer 1989

DDR-Polizeifunk während Montags-Demonstration

Stand
AUTOR/IN
SWR2 Archivradio
MODERATOR/IN
Gábor Paál
Gábor Paál (Foto: SWR, Oliver Reuther)

Während die Menschen auf den Straßen Leipzigs demonstrieren, fährt die Polizei Streife. Hier ein Mitschnitt des Polizeifunkverkehrs. Das Original-Band stammt von der Stasi-Unterlagen-Behörde.

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Weil das Band undatiert ist, können die Archivarinnen der BStU nur anhand des relativ selbstsicheren, rüden Tons der Einsatzkräfte vermuten, dass es sich um eine der ersten Demonstrationen in Leipzig handelt, nicht jedoch um die erste. Denn den Funkdialogen nach zu urteilen, ist den Einsatzkräften die Lage auch nicht völlig neu.

"Knüppel frei!"

Vermutlich fand dieser Einsatz also an einem Montagnachmittag im September 1989 statt. Außer dem Befehl „Knüppel frei“ sind keine weiteren konkreten Übergriffstaktiken zu vernehmen, es ist auch nie von Festnahmen oder Eskalation die Rede. Trotz seiner Emotionalität hat es den Anschein, als ginge dieser Einsatz glimpflich, fast berührungslos vonstatten.

Das Band zeigt die Dynamik einer Demonstration aus Sicht der Polizeikräfte. Die Demonstranten sind zwar nur in einigen wenigen Sprechfunkdurchsagen aus dem Hintergrund zu hören, aber indirekt stets präsent. Der Einsatzleiter gibt den Ton an, er koordiniert die Polizisten in Fahrzeugen und zu Fuß durch die Leipziger Innenstadt. Stellenweise hört es sich an wie eine Stadtrundfahrt.

Die dramatischsten Situationen spielen sich in den ersten 15 Minuten ab.

Später hört man zwar im Hintergrund an einigen Stellen die Demonstranten lauter als zuvor, aber bei 25 Minuten meldet ein Polizist nur noch 200-300 Personen vor der Nikolaikirche. Die Einsatzkräfte sammeln sich dann und fahren in ihre Ausgangspositionen zurück.

Einige Zitate aus den Funkdialogen:

  • "Die tätlichen Angriffe der Genossen werden stärker. Wir brauchen dringend Verstärkung."
  • "Sie kommen über Petersstraße rein, und wir drücken sie über Dittrichring ab. Schlagstock frei."
  • "151 zügig, die Bewegung geht Richtung Innenstadt. Den Druck halten jetzt. 153."
  • "Zumachen, zumachen! Petersstraße: In voller Breite entfalten, dass wir über die freie Fläche kommen, und dann wird in Richtung Thomaskirche gedrückt, in Richtung Dittrichring, kommen."
  • "Machen Sie schlagartig auf, und dann im Laufschritt runtergehen. Warum wird denn jetzt aufgemacht, 202? 202 hört. Warum machen Sie denn auf? Zumachen, schnell, so ein Quatsch."
  • "Sie kommen! Sie kommen hier! Links aufpassen, 153!"
  • "Ich hab doch gesagt Thomaskirche. Da war noch ne Kette davor, die muss erst mal weg. Ich mach jetzt die Schulgasse zu, Richtung Innenstadt? Richtig."
  • "Ja, das flößt doch was ein, das hat Wirkung. 212, weiterdrücken, weiterdrücken, unnachgiebig weiter drücken!"
  • "Wir stehen hier noch am Dittrichring und haben eine Sperrkette aufgezogen."
  • "Die nehmen Sie weg, die nehmen Sie weg, Sie ziehen jetzt auf dem Ring im Laufschritt rum, sichert mir die Bosestraße und die Käthe-Kollwitz-Straße."
  • "150, Sie unterstützen die Maßnahmen von Löwe 8 153?"
  • "Wollte mich gerade anbieten, stehe günstig."
  • "Ah, mitgedacht."
  • "Ich hab jetzt hier ne Pufferzelle geschaffen. Die Schaulustigen hab ich weggedrückt, die haben keinen Einblick mehr."
  • "Ich glaub, wir haben’s jetzt im Griff."
  • "Sie machen jetzt die zweite Welle, kehren alle Ecken aus, beachten die Baustellen, die Buden, dass da nichts mehr rumsitzt."

Undatiertes Spulentonband Marke ORWO, vermutlich von einer frühen Montagsdemonstration 1989. Band beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, BStU.

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