14.10.1977

Flugzeugentführung steht in Zusammenhang mit Schleyer-Entführung

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SWR2 Archivradio

Die Entführung der Lufthansa-Maschine "Landshut" gerät in eine dramatische Phase. Der Pressesprecher der Bundesregierung beendet die Nachrichtensperre.

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Der Moderator nennt die Flugzeugentführung "Hijacking" und fasst zusammen: In der vergangenen Nacht und am heutigen Morgen habe sich der "kleine Krisenstab" in Bonn wieder zusammengetan. Auch das Bundeskabinett spreche gerade über dieses Thema. Dann gibt der Reporter aus Bonn bekannt: "Die Zeiten der Nachrichtensperre sind zu Ende". Die Lage sei so ernst, dass Regierungssprecher Bölling nun alles mitteilen wolle, was er weiß. Seit sieben Minuten sitze der "Große Krisenstab" zusammen, vor einer halben Stunde begann Klaus Böllings Pressekonferenz.

Regierungssprecher Klaus Bölling äußert sich zu den Vorfällen

"Wir werden über die Regierungen der Vereinigten Arabischen Emirate auf die Entführer einzuwirken versuchen", erklärt der Regierungssprecher. Das Ultimatum der Entführer sei ernst zu nehmen. Die Presse habe endlich erfahren, um wie viele Personen es gehe: um den entführten Arbeitgeberpräsidenten sowie, in der entführten Lufthansa-Maschine, um 5 Besatzungsmitglieder, 86 Fluggäste, darunter 5 Kinder. Durch den Bekennerbrief, so Bölling, sei der Zusammenhang zwischen den beiden Entführungen bewiesen.

Anschließend verliest er den Anfang des Bekennerbriefs mit dem Ultimatum: "Wir haben Helmut Schmidt jetzt genug Zeit gelassen, um sich in seiner Entscheidung zu winden. Zwischen der amerikanischen Strategie der Vernichtung von Befreiungsbewegungen in Westeuropa und der dritten Welt und dem Interesse der Bundesregierung, den zur Zeit für sie wichtigsten Wirtschaftsmagnaten eben für diese imperialistische Strategie nicht zu opfern. Das Ultimatum der Operation Kofre Kaddum, des Kommandos Martyr Halimeh und das Ultimatum des Kommandos Siegfried Hausner der RAF sind identisch. Das Ultimatum läuft am Sonntag, den 16. Okt. 1977 um 8.00 Uhr GMT ab. Wenn bis zu diesem Zeitpunkt die elf geforderten Gefangenen ihr Ziel nicht erreicht haben, wird Hanns-Martin Schleyer erschossen."

Reporter fasst Bekennerbrief zusammen

Hier fasst der Reporter die restlichen Zeilen zusammen. Wörtlich lauten diese: "Nach 40 Tagen der Gefangenschaft von Schleyer wird es eine Verlängerung des Ultimatums nicht mehr geben, ebenso keine weitere Kontaktaufnahme. Jegliche Verzögerung bedeutet den Tod Schleyers.

Um zeitliche Komplikationen zu vermeiden, ist es nicht notwendig, dass Pastor Niemöller und Rechtsanwalt Payot die Gefangenen begleiten. Die Bestätigung der Ankunft der Gefangenen erhalten wir auch ohne die Bestätigung durch die Begleitperson. Nachdem wir die Bestätigung erhalten haben, wird Hanns-Martin Schleyer innerhalb von 48 Stunden freigelassen. Freiheit durch bewaffneten antiimperialistischen Kampf! Kommando Siegfried Hausner."

Chronologie der Ereignisse

Klaus Bölling, so der Reporter, habe eine ausführliche Chronologie der Ereignisse geliefert. Beim Zwischenstopp des Flugzeugs in Rom hätten die Entführer um 17 Uhr erstmals Forderungen gestellt, 17.02 Uhr habe Innenminister Maihofer die italienische Behörden gebeten, den Start zu verhindern. Das sei nicht gelungen. 17.50 Uhr sei die Maschine Richtung Zypern gestartet. Dort habe man einen PLO-Vertreter als Vermittler eingeschaltet. Zur gleichen Zeit seien Beamte des Bundesgrenzschutzes Richtung Zypern aufgebrochen. Die Verzögerungstaktik der Verhandler habe das Kommando an Bord argwöhnisch werden lassen, weshalb die Entführer um 21.57 Uhr wieder starten ließen. Ziel. Die Emirate am persischen Golf. Vor der Landung in Bahrain habe es dramatische Szenen gegeben. Ähnliches jetzt in Dubai. "Die Situation ist so gefährlich wie noch nie."

Mitschnitte des Funkverkehrs

Der Reporter in Frankfurt liefert dazu drei Tondokumente: den Sprechfunk des Piloten mit dem Tower kurz vor 6 Uhr beim Kreisen über Dubai, mit der Bitte, die Polizei fernzuhalten, sonst würde das Flugzeug gesprengt. Den Funkverkehr zwischen dieser und einer anderen Lufthansa-Maschine, mitgeschnitten in Israel. Darin zu hören, dass es sich um vier Entführer handelt: "2 Männer, zwei Frauen, bewaffnet". Schließlich die Stimme eins Entführers bei den Verhandlungen in Zypern. Zunächst spricht er Arabisch, dann Englisch.

Aus der Archivdatenbank

(O-Ton) Klaus Bölling, Regierungssprecher: Verlesung des Ultimatums der Flugzeugentführer / Zusammenhang zwischen der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer und der Entführung der Lufthansa Maschine "Landshut" // (O-Ton, engl) Flugkapitän der Lufthansa Maschine "Landshut": Funkspruch bei Anflug auf den Flughafen Dubai / Bitte das Rollfeld zu räumen und Soldaten zurückzuziehen // (O-Ton) Flugkapitän der Lufthansa Maschine "Landshut": Aufgefangener Funkverkehr zwischen der "Landshut" und einer anderen Lufthansa Maschine über die Anzahl der Entführer // (O-Ton, arab, dann engl) Kapitän Mahmud, Entführer der Lufthansa Maschine "Landshut": Funkverkehr mit dem Flughafen Larnaka auf Zypern.

1.6.1972 Verhaftung der RAF-Mitglieder Andreas Baader, Holger Meins und Jan-Carl Raspe

1.6.1972 | Hunderte Schüsse sollen gefallen sein, als am 1. Juni 1972 die Polizei im Frankfurter Nordend drei Mitglieder aus dem harten Kern der "Roten Armee Fraktion" festnahm: Andreas Baader, Holger Meins und Jan-Carl Raspe. In den Wochen zuvor hatte die Terrorgruppe eine Reihe von Anschlägen verübt.
Baader saß 1970 schon einmal im Gefängnis, war aber mithilfe der Journalistin Ulrike Meinhof befreit worden und hielt sich seitdem im Untergrund auf bzw. zusammen mit anderen Angehörigen der Terrorgruppe in Jordanien, wo sie wiederum bei palästinensischen Terroristen Waffentraining bekamen. Zurück in der Bundesrepublik verüben sie 1972 zahlreiche Bombenanschläge – auf das Hauptquartier der US-Streitkräfte in Frankfurt und Heidelberg, auf Polizeistationen, auf die Zentrale des Axel-Springer-Verlags in Hamburg.
Welche Bedeutung die Festnahme von Baader, Meins und Raspe hat, zeigt sich auch darin, wie ausführlich die Nachrichten des Südwestfunks und die unmittelbar anschließende Sondersendung darauf eingehen. Sie unterstützen auch die weiteren Fahndungsaufrufe der Polizei.

19.6.1972 Bundesanwaltschaft zur Verhaftung von Ulrike Meinhof

19.6.1972 | Ulrike Meinhof wurde heute verhaftet. Die Staatsanwaltschaft grübelt über einem verschlüsselten Brief von Gudrun Ensslin an Ulrike Meinhof. | RAF

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