Zeitwort

9.7.1915: Die deutsche Schutztruppe kapituliert in Namibia

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AUTOR/IN
Jan-Philippe Schlüter

Die Kaiserliche Schutztruppe in Deutsch-Südwestafrika beging 1904 mit der Niederschlagung des Aufstandes der Herero und Nama den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts. Elf Jahre später, im 2. Jahr des Ersten Weltkrieges, wurde die Schutztruppe besiegt.

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Mit dem Dampfzug zur Kapitulation

Es ist zehn Uhr morgens in Khorab im Norden Deutsch-Südwestafrikas. Der Kaiserliche Gouverneur Theodor Seitz entsteigt bei Bahnkilometer 500 einem Dampfzug. Mit ausgestreckter Hand geht er auf den Premierminister der Südafrikanischen Union, General Louis Botha zu. Ein historisches Schwarz-weiß-Foto hält den Moment kurz vor der förmlichen Kapitulation des deutschen Kaiserreichs fest.

31 Jahre vorher hatte das Deutsche Reich das heutige Namibia zum deutschen Schutzgebiet erklärt. Obwohl der damalige Reichskanzler Otto von Bismarck sich bis dato nicht als Kolonialenthusiast gezeigt hat – im Gegenteil.

Ich will auch gar keine Kolonien. Die sind bloß für Versorgungsposten gut. Diese Kolonialgeschichte wäre für uns genauso wie der seidne Zobelpelz in polnischen Adelsfamilien, die keine Hemden haben.

21 Soldaten bilden die erste „Schutztruppe“ in Deutsch-Südwestafrika

Doch Bismarck ändert seine Meinung und wird zum Geburtshelfer des deutschen Kolonialreichs. 21 Soldaten unter dem Kommando von Curt von Francois, bilden die erste sogenannte „Schutztruppe“ im Protektorat Deutsch-Südwestafrika. Vor allem die einheimischen Herero und die Nama erheben sich gegen die deutschen Besatzer. Sie überfallen Handelsniederlassungen, sabotieren Bahnlinien, belagern Militärstützpunkte.

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Erster Völkermord des 20. Jahrhunderts

Die deutschen Kolonialherren gehen gnadenlos gegen die Widerstandskämpfer vor: Von 1904 bis 1907 töten die deutschen Soldaten schätzungsweise bis zu 60.000 Herero und Nama. Es ist der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts.

Die Schutztruppe bricht den Widerstand der einheimischen Volksgruppen. Nach 1907 erlebt die deutsche Kolonie eine scheinbar ruhige und stabile Zeit. Doch der erste Weltkrieg hat auch Folgen für die deutschen Kolonien. Sie sind weitgehend isoliert, da die britische Marine deutsche Schiffe von ihnen fernhält.

1914 marschiert die Südafrikanische Union ein

Im August 1914 ersucht die britische Regierung die Südafrikanische Union um einen „dringenden imperialen Dienst“: Die Union, Teil des britischen Reiches, solle im „feindlichen“ Deutsch-Südwestafrika einmarschieren. Südafrika erklärt dem deutschen Reich den Krieg.

Aus vier Richtungen rücken die Südafrikaner in der riesigen Kolonie vor. Rund 5.000 deutsche Soldaten stehen mehr als 40.000 südafrikanischen Kämpfern gegenüber. Die Deutschen werden immer weiter zurückgedrängt.

Am 9. Juli 1915 um 2:30 Uhr morgens, kurz vor Ablauf eines südafrikanischen Ultimatums, kündigen die Deutschen an, sich zu ergeben. Mit dem Zug fahren Gouverneur Seitz und Oberstleutnant Victor Franke vormittags zur Unterzeichnung des Kapitulationsvertrags.

Die im Felde befindliche unter dem Kommando des Truppenkommandeurs stehende Schutztruppe des Schutzgebietes ergibt sich hiermit General Botha, dem Kommandeur der Unions-Feldtruppen.

Damit ist die Kolonie Deutsch-Südwestafrika Geschichte. Nach der Unterschrift steigt Seitz mit seiner Delegation wieder in den Zug und fährt zurück in sein Hauptquartier. Die rückwärts schnaufende Dampflokomotive – ein Bild voller Symbolik

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Jan-Philippe Schlüter